Live-Berichte aus Gemeinderäten – eine Gefahr für die Meinungsfreiheit?

Die Gemeinde Seelbach hatte bisher ein Programm, bei dem eine TV-Liveberichterstattung aus Sitzungen des Gemeinderates stattgefunden hat. Nunmehr berichtet die Gemeinde, dass auf Intervention des Landesdatenschutzbeauftragten diese berichte (erst einmal) gestoppt wurden. Begründung:

Der oberste Datenschützer des Landes verlangt unter anderem,

  • dass wenn (z.B. im Zusammenhang mit Bauangelegenheiten) in der Sitzung zur Sprache kommen, die Übertragung rückwirkend sofort unterbrochen werden muss.
  • Ebenso dürfen „Nichtherausgehobene“ Mitarbeiter, zum Beispiel der stellvertretende Amtsleiter oder Sachbearbeiter der Verwaltung, Bürgerinnen und Bürger, im Gemeinderat vortragende Architekten oder andere Fachleute (z.B. Forstrevierleiter) trotz deren ausdrücklicher Einwilligung nicht gefilmt werden.

Der erste Punkt ist durchaus problematisch, wenn auch nicht unbedingt ein Problem – schließlich verhandelt ein Gemeinderat nun einmal grundsätzlich öffentlich und die Live übertragenen Daten dürften insofern aus einer allgemein zugänglichen Quelle stammen. Zumal die Protokolle ohnehin im Regelfall im Internet veröffentlicht werden. Warum im zweiten Punkt trotz ausdrücklicher Einwilligung (die formale korrektheit der Einwilligung mal unterstellt) dennoch eine Aufnahme nicht möglich sein soll, will sich mir nicht erschließen. Darüber hinaus befürchtet der Datenschutzbeauftragte angeblich sogar eine Gefahr für die , wohl da die entsprechenden Personen ggfs. gehemmt sein könnten, frei zu sprechen – ein Aspekt, den ich so nicht teilen kann.

Die Entwicklung in Seelbach ist bisher von keiner großen Aufmerksamkeit geprägt, was schade ist, da es hier um einen zunehmenden Trend gibt. Ich hatte bereits berichtet, dass Gerichte zumindest mit zeitweiligen Übertragungen kein Problem haben und sogar einen Anspruch lokaler Fernsehsender auf eine Übertragung feststellten. Dass nun auch datenschutzrechtliche Aspekte eine Rolle spielen, ist naheliegend – leider scheint der zuständige Datenschutzbeauftragte die Gelegenheit zu verpassen, hierzu eine ausführliche Expertise allgemein zur Verfügung zu stellen. Gemeinderäte sind jedenfalls gut beraten, das Thema mit „Samthandschuhen“ anzufassen, aktuell gleicht diese Idee einem Tretminenfeld.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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