Bisher unbemerkt steht eine Erweiterung des §130 StGB („Volksverhetzung“) an, es wird ein neuer Absatz 5 eingefügt, die bisherigen Absätze 5ff. rücken eins nach hinten, bleiben aber erhalten. Demnächst wird in §130 Abs.5 StGB zu lesen sein (siehe BT-Drucksache 20/4085, dort Seite 11):
„Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.“
Hintergrund der Änderung
Bereits im Dezember 2021 hatte die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen unzureichender Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/913/JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit
(ABl. L 328 vom 6.12.2008, S. 55) eingeleitet.
Die Kommission ist der Auffassung, dass die Bundesrepublik Deutschland Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe c des Rahmenbeschlusses nicht ordnungsgemäß umgesetzt habe. Nach dieser Vorschrift sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verpflichtet, das vorsätzliche „öffentliche Billigen, Leugnen oder gröbliche Verharmlosen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im Sinne der Artikel 6, 7 und 8 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs, das gegen eine Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe gerichtet ist, die nach den Kriterien der Rasse, Hautfarbe, Religion, Abstammung oder nationale oder ethnische Herkunft definiert werden“, unter Strafe zu stellen, „wenn die Handlung in einer Weise begangen wird, die wahrscheinlich zu Gewalt oder Hass gegen solch eine Gruppe oder gegen ein Mitglied solch einer Gruppe aufstachelt“.
DIe Ergänzung des § 130 StGB soll klarstellen, dass das in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe c des Rahmenbeschlusses beschriebene Verhalten ausdrücklich pönalisiert wird. Wegen des laufenden Vertragsverletzungsverfahrens soll die Klarstellung zügig im Rahmen des bereits fortgeschrittenen Gesetzgebungsverfahrens zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes erfolgen, weswegen man die Änderung im Nachhinein eingebastelt hat:
Der Rahmenbeschluss stellt zur Definition von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen auf die Definitionen in Artikel 6 bis 8 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs ab. Der neue Absatz 5 verweist daher zur Beschreibung der Völkerrechtsverbrechen auf die §§ 6 bis 12 VStGB, in denen die Tatbestände des Völkermordes, des Verbrechens gegen die Menschlichkeit und des Kriegsverbrechens in Anlehnung an die Definitionen des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs im deutschen Recht normiert sind.
Möglicherweise bestehende Zweifel, ob auch Völkerrechtsverbrechen einbezogen werden, die vor dem Inkrafttreten des VStGB am 30. Juni 2002 begangen worden sind, sollen durch die Formulierung „Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art“ vermieden werden (vergleiche Bundestagsdrucksache 12/8588, S. 8; Kühl, in: Lackner/Kühl, Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2018, § 130 Randnummer 8).
Von der durch Artikel 1 Absatz 4 des Rahmenbeschlusses eröffneten Möglichkeit, die Strafbarkeit auf Äußerungen zu Völkerrechtsverbrechen zu beschränken, die von einem nationalen oder internationalen Gericht endgültig festgestellt wurden, soll kein Gebrauch gemacht werden. Der Rahmenbeschluss lässt eine solche Beschränkung nämlich nur hinsichtlich der Tathandlungen des Leugnens und gröblichen Verharmlosens, nicht jedoch hinsichtlich des Billigens zu. Es wäre nicht zu rechtfertigen, dass ein Völkerrechtsverbrechen im Falle des Leugnens und gröblichen Verharmlosens gerichtlich endgültig festgestellt sein muss, während es bei einem Billigen desselben tatsächlichen Geschehens auf eine solche gerichtliche Feststellung nicht ankommen soll.
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