Mit Urteil vom 26. März 2025 (Az. 5 StR 436/24) hat der Bundesgerichtshof ein bedeutsames Urteil zur erweiterten Einziehung von Taterträgen gefällt, das insbesondere die Rolle sogenannter Finanzagenten im Kontext organisierter Betrugsdelikte in den Fokus rückt. Die Entscheidung setzt sich mit der Frage auseinander, wann eine Person, die lediglich als Mittelsmann fungiert, Vermögen „durch“ eine Straftat im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erlangt – und wann lediglich ein transitorischer Besitz vorliegt, der die Einziehung ausschließt. Die Antwort des Gerichts fällt differenziert, aber in der Tendenz vermögensabschöpfungsfreundlich aus.
Der Fall: Bandenbetrug und Geldabschöpfung
Im Zentrum des Falles stand ein Angeklagter, der als Teil einer Betrügerbande fungierte. Die Bande hatte systematisch Autohäuser durch fingierte Eilüberweisungen geschädigt, wobei die Gelder auf die Konten sogenannter Finanzagenten transferiert wurden. Der Angeklagte war maßgeblich daran beteiligt, diese Finanzagenten zu rekrutieren, mit ihnen zur Bank zu fahren, Bargeld abzuheben und dieses an die Drahtzieher der Gruppe weiterzuleiten. Teilweise verfügte er über Zugangsdaten, Bankkarten und PINs der Agenten – in anderen Fällen war er lediglich Begleiter und Überbringer.
Das Landgericht Berlin hatte nur einen Teil der erhaltenen Gelder – konkret 8.000 Euro – als erlangt im Sinne des Einziehungsrechts gewertet und eingezogen. Die darüber hinausgehende Summe von rund 35.000 Euro wurde mit der Begründung nicht einbezogen, der Angeklagte habe darüber keine tatsächliche Verfügungsmacht gehabt. Dagegen richtete sich die Revision der Staatsanwaltschaft – mit Erfolg.
Die rechtliche Würdigung des BGH
Der Bundesgerichtshof hält dem entgegen, dass eine faktische Verfügungsgewalt über deliktisch erlangte Werte nicht daran scheitert, dass diese später wie vereinbart weitergegeben wurden. Entscheidend sei nicht, ob das Geld dauerhaft im Vermögen des Täters blieb, sondern ob er auch nur kurzfristig faktisch und eigenständig darauf zugreifen konnte. Der Begriff des „Erlangens“ ist in § 73 Abs. 1 StGB weit zu verstehen. Aus Sicht des Senats genügt es, wenn ein Täter – auch ohne rechtlichen Anspruch – so über einen Vermögenswert verfügt, dass er ihn tatsächlich beeinflussen, verwenden oder übergeben kann. Auf zivilrechtliche Eigentumsverhältnisse kommt es dabei nicht an.
Dabei differenziert der Senat jedoch sorgfältig. Liegt lediglich ein transitorischer Besitz vor – also ein extrem kurzfristiger und eng überwachter Zugriff, etwa wenn der Täter das Geld in Anwesenheit eines übergeordneten Bandenmitglieds entgegen- und sogleich weitergibt –, kann dies einem faktischen Herrschaftsverhältnis entgegenstehen. Im konkreten Fall ließ sich jedoch nicht in allen Fällen sicher feststellen, dass der Angeklagte nur als „Durchleitungsstation“ ohne jede eigene Zugriffsmacht fungierte. In mehreren Konstellationen – etwa beim Zugriff auf Onlinebanking oder bei eigenhändigen Abhebungen mit überlassenen PINs – war vielmehr eine eigenständige Verfügungsmöglichkeit gegeben.
Der Senat betont in seiner Begründung, dass Dauer und Intensität der Kontrolle sowie die örtlichen und zeitlichen Umstände entscheidend seien. Bereits wenige Minuten faktischer Herrschaft, in denen ein Täter autonom über einen Betrag verfügen kann, genügen, um die Einziehung zu rechtfertigen. Dass das Geld planmäßig weitergegeben wird, ist für die Frage des Erlangens ohne Belang.
Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung stärkt die Möglichkeiten der Vermögensabschöpfung bei Mittätern in komplexen Täterstrukturen. Gerade in Fällen wie dem hier vorliegenden, bei dem Täter gezielt Finanzagenten anwerben und mit technischen Zugängen ausgestattet werden, erlaubt der weite Erlangensbegriff eine effektive Abschöpfung deliktischer Vorteile. Sie stellt zugleich klar, dass strafprozessuale Einziehung kein bloßes Nebenprodukt, sondern ein integraler Bestandteil der staatlichen Reaktion auf organisierte Wirtschaftskriminalität ist.
Zugleich fordert der Beschluss von den Strafgerichten ein hohes Maß an Sorgfalt bei der Aufklärung der tatsächlichen Verfügungsverhältnisse. Ob ein Angeklagter nur als verlängerter Arm eines Dritten handelt oder aber eigenständige Verfügungsmacht hatte, ist im Einzelfall anhand konkreter Umstände zu beurteilen – etwa durch Analyse der Bewegungsabläufe, der digitalen Zugänge oder der Unmittelbarkeit der Weitergabe.
Fazit
Die Schlussfolgerung aus diesem Urteil des Bundesgerichtshofs lautet: Wer als Finanzagent agiert und faktisch über deliktisch erlangtes Vermögen verfügen kann, läuft Gefahr, dieses auch unabhängig von einer dauerhaften Bereicherung wieder zu verlieren. Die Einziehung greift nicht nur bei Endbegünstigten, sondern auch bei Zwischenträgern – sofern deren Verfügungsmacht mehr war als eine bloße Durchleitungsfunktion. Damit positioniert sich der BGH erneut als konsequenter Wahrer des Prinzips, dass kriminelles Handeln nicht wirtschaftlich lohnend sein darf.
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