Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg (Aktenzeichen: 6 O 190/21) hat in einer aktuellen Entscheidung zur Frage des Annahmeverzugs und des böswilligen Unterlassens der Suche nach Ersatzarbeit Stellung genommen. Die Entscheidung ist für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen relevant, da sie wichtige Klarstellungen zum Annahmeverzug und zur Schadensminderungspflicht des Arbeitnehmers enthält.
Sachverhalt
Ein Arbeitnehmer klagte auf Annahmeverzugslohn, nachdem sein Arbeitgeber ihm gekündigt und keine weitere Beschäftigungsmöglichkeit angeboten hatte. Der Arbeitgeber argumentierte, der Arbeitnehmer habe es bösgläubig unterlassen, eine zumutbare Ersatzarbeit zu suchen, und sei daher nicht berechtigt, Annahmeverzugslohn zu verlangen.
Rechtliche Analyse
Annahmeverzug
Gemäß § 615 BGB befindet sich ein Arbeitgeber im Annahmeverzug, wenn er die ihm angebotene Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht annimmt. In einem solchen Fall behält der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein.
Bösgläubiges Unterlassen
Das bösgläubige Unterlassen gemäß § 11 Nr. 2 KSchG bedeutet, dass der Arbeitnehmer keine zumutbare Arbeit annimmt oder sich nicht um eine solche bemüht. Dies kann den Anspruch auf Annahmeverzugslohn mindern oder vollständig ausschließen. Der Arbeitnehmer hat eine Schadensminderungspflicht, die ihn verpflichtet, alles Zumutbare zu unternehmen, um den entstandenen Schaden so gering wie möglich zu halten.
Entscheidung des Gerichts
Das LAG Baden-Württemberg entschied zugunsten des Arbeitnehmers und stellte fest, dass der Arbeitgeber den Annahmeverzugslohn zu zahlen hat. Das Gericht führte aus, dass der Arbeitnehmer hier, bei Festhalten am Arbeitsplatz und Kammertermin noch in der ordentlichen Kündigungsfrist, von der Suche nach Arbeit vorerst befreit war:
Der Kläger wollte an seinem bisherigen Arbeitsverhältnis – was ihm ohne weiteres zusteht – festhalten und hat deshalb die Kündigung mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen. Da der Kammertermin bereits am … – und damit noch innerhalb der Kündigungsfrist für die ausgesprochene ordentliche Kündigung lag – lag es im berechtigten Interesse des Klägers, zunächst einmal zumindest die Entscheidung des Gerichtes im Kammertermin abzuwarten.
Der Kläger hat zwar keinen Weiterbeschäftigungsantrag in dem Kündigungsschutzverfahren gestellt. Das bedeutet aber nicht zugleich, dass nicht die Beklagte – auch zur Abwendung des Annahmeverzuges – bereit gewesen wäre, den nach der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts bestehenden Weiterbeschäftigungsanspruch nach erstinstanzlichem Obsiegen auch ohne entsprechende Verurteilung zu erfüllen. Angesichts der kurzen Zeit bis zum Kammertermin war es dem Kläger unzumutbar, bereits vorher ein anderes Arbeitsverhältnis einzugehen und somit auch unzumutbar, sich darauf zu bewerben. Es ist dem Kläger zuzubilligen, dass er, bevor er mit Bewerbungen auf Stellenangebote für die baldige Aufnahme einer neuen Tätigkeit beginnt einen zeitnahen Kammertermin abwarten darf, um Klarheit darüber zu haben, ob der Arbeitgeber im Falle einer obsiegenden erstinstanzlichen Entscheidung an der Kündigung festhält. Fordert der Arbeitgeber nach einem Urteil zu Gunsten des Klägers diesen aber nicht zur Arbeitsaufnahme zeitnah wieder auf, hat der Arbeitnehmer dann aber unverzüglich mit der Bewerbung zu beginnen.
Fazit
Die Entscheidung bietet eine klare Orientierungshilfe zur Beurteilung der Zumutbarkeit von Ersatzarbeit und der entsprechenden Nachweispflichten beider Parteien: Die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg unterstreicht die Bedeutung der Schadensminderungspflicht des Arbeitnehmers bei Annahmeverzug. Arbeitnehmer sollten sorgfältig dokumentieren, dass sie sich um zumutbare Ersatzarbeit bemühen, um ihren Anspruch auf Annahmeverzugslohn nicht zu gefährden. Arbeitgeber sollten hingegen sicherstellen, dass sie bei Kündigungen klare und nachweisbare Gründe haben, um möglichen Annahmeverzugsansprüchen entgegenzuwirken.
Für Arbeitnehmer bedeutet diese Entscheidung, dass sie bei einer Kündigung aktiv nachweisen müssen, dass sie sich um eine Ersatzbeschäftigung bemüht haben. Arbeitgeber hingegen sollten sich der möglichen Verpflichtungen bewusst sein und entsprechende Maßnahmen ergreifen, um unnötige Annahmeverzugslohnforderungen zu vermeiden.
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