Werbung mit zutreffendem Umstand und trotzdem irreführend

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 30. August 2024 (6 U 41/24) betrifft die Online-Werbung eines Mietwagenvermittlers. Auf seiner Website bot dieser Mietwagen mit der Auswahlmöglichkeit „Abholung im Terminal“ an, eine teurere Option im Vergleich zur Abholung „am Flughafen“. Tatsächlich befanden sich die Mietwagen jedoch nicht direkt im Terminal, sondern in einem Autovermietungszentrum, das nur per Shuttlebus erreichbar war.

Die Beklagte argumentierte, dass ihre Werbung korrekt sei, da die Begriffe „im Terminal“ und „am Flughafen“ auf einer standardisierten Definition (ACRISS) beruhen, die international verwendet wird und auch Standorte einbezieht, die nur per Shuttle erreichbar sind.

Das Gericht befand die Werbung dennoch als irreführend.

Warum ist objektiv zutreffende Werbung irreführend?

1. Verbraucherverständnis und Irreführung

Das OLG stellte fest, dass der durchschnittliche Verbraucher – zu dem auch das Gericht selbst zählt – nicht mit der Definition der ACRISS vertraut ist. Verbraucher interpretieren die Angabe „im Terminal“ nach dem allgemeinen Sprachgebrauch. Sie erwarten daher, dass der Mietwagen direkt im oder unmittelbar am Terminal verfügbar ist, ohne zusätzliche Transfers.

Die Tatsache, dass nach ACRISS-Definition auch Standorte einbezogen werden können, die nur per Shuttle erreichbar sind, ist aus Verbrauchersicht irrelevant. Entscheidend ist, wie die Zielgruppe die Angabe versteht, nicht ob sie technisch korrekt ist.

2. Unrealistischer Komfortvorteil

Die Darstellung „im Terminal“ suggeriert den Verbrauchern, dass sie durch die teurere Option Zeit und Mühe sparen, weil der Mietwagenstandort näher am Terminal liegt. Dies erwies sich jedoch als irreführend:

  • Tatsächlich musste auch bei der Option „im Terminal“ ein Shuttlebus genutzt werden.
  • Der Komfortvorteil, der zur Wahl der teureren Option führte, existierte somit nicht.

Das Gericht argumentierte, dass diese Irreführung Verbraucher dazu verleiten könne, eine teurere Option zu buchen, die keinen tatsächlichen Mehrwert bietet.

3. Anlockeffekt durch Blickfangwerbung

Selbst wenn die korrekte Anschrift des Abholorts später im Buchungsprozess angezeigt wird, bleibt der sogenannte „Anlockeffekt“ bestehen. Der Verbraucher trifft seine Auswahl oft basierend auf den ersten Informationen und fühlt sich möglicherweise nicht mehr geneigt, die Option zu ändern.

4. Verantwortlichkeit der Beklagten

Die Beklagte wollte ihre Verantwortung mit Verweis auf ACRISS und die Mietwagenanbieter von sich weisen. Das Gericht hielt dies für unbeachtlich:

  • Die Kategorien „im Terminal“ und „am Flughafen“ wurden von der Beklagten selbst auf ihrer Plattform vorgegeben.
  • Damit war die Beklagte direkt für die irreführende Gestaltung der Website verantwortlich.

Schlussfolgerung

Das Gericht entschied, dass die Werbung der Beklagten trotz ihrer objektiven Richtigkeit irreführend war, weil sie nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprach und die Erwartungen der Verbraucher täuschte.


Fazit für Unternehmen

  1. Verbraucherperspektive zählt: Selbst objektiv richtige Aussagen können irreführend sein, wenn sie vom durchschnittlichen Verbraucher falsch verstanden werden.
  2. Klarheit überwiegt Fachstandards: Begriffe oder Klassifikationen, die auf internen Standards basieren, müssen verständlich und transparent kommuniziert werden.
  3. Vermeidung von Anlockeffekten: Informationen müssen bereits in der ersten Werbephase den tatsächlichen Nutzen widerspiegeln.

Das Urteil verdeutlicht, dass rechtlich zulässige Werbung immer auch den Erwartungen und dem Verständnis der Zielgruppe entsprechen muss, um Abmahnungen und Klagen zu vermeiden.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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