Eine für praktische Strafrechtler wichtige Klarstellung hat der BGH nun getroffen: Wenn lediglich eine Verwarnung mit Strafvorbehalt erhalten hatte, später aber gemäß §59b StGB zu der vorbehaltenen Strafe verurteilt wird, so handelt es sich bei einem Beschluss nach § 59b Abs. 1 StGB ausdrücklich nicht um ein dem tatrichterlichen Sachurteil gleichstehendes Erkenntnis – und ist damit nicht in eine nachträgliche Gesamtstrafe einzubeziehen.
Als Aufhänger dient die Erinnerung, dass als „frühere Verurteilung“ gemäß § 55 Abs. 1 Satz 2 StGB das letzte tatrichterliche Sachurteil oder ein ihm gleichstehendes Erkenntnis gilt – bei der die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten. Denn zu diesem Zeitpunkt wäre es dem Gericht des früheren Verfahrens noch möglich gewesen – rechtzeitige Anklageerhebung vorausgesetzt ‒ über die jetzt abzuurteilende Tat zu verhandeln und tatrichterliche Feststellungen zu treffen. Sind – wie etwa bei einer Entscheidung nach § 460 StPO – keine neuen tatrichterlichen Feststellungen mehr möglich, liegen die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 StGB aber eben nicht vor, und das ist dann auch bei einem Beschluss nach §59b StGB der Fall:
Danach handelt es sich bei einem Beschluss nach § 59b Abs. 1 StGB nicht um ein dem tatrichterlichen Sachurteil gleichstehendes Erkenntnis. Nach § 59b Abs. 1 StGB gilt für die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe § 56f StGB entsprechend. Die Entscheidung ergeht gemäß § 453 Abs. 1 Satz 1 StPO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss nach Anhörung der Staatsanwaltschaft und des Verwarnten (§ 453 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO).
Neue tatrichterliche Feststellungen werden in diesem Verfahren nicht getroffen, sodass eine Verhandlung über weitere inzwischen zur Anklage gebrachte frühere Straftaten notwendig ausscheidet. Verfahrensgegenstand ist lediglich das Bewährungsverhalten des Verwarnten; eine Abänderung der vorbehaltenen Strafe ist nicht mehr möglich (…) Der Umstand, dass erst die Entscheidung nach § 59b Abs. 1 StGB zu einer „Verurteilung“ des Verwarnten führt, hat nicht zur Folge, dass deshalb auch zu diesem Zeitpunkt noch eine tatrichterliche Prozesssituation gegeben wäre (…)
BGH, 4 StR 347/19
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