Untreue wenn Verkäufer zu günstig verkauft

Es kommt erstaunlich oft vor, dass Verkäufer – gegen oder ohne den Willen des Arbeitgebers – „zu günstig“, heißt auffällig niedrigpreisig, verkaufen. Es wird dann regelmäßig darum gestritten, wie dies rechtlich zu bewerten ist. Im Regelfall wird dabei eine Veränderung von Preisen im Warenwirtschaftssystem vorgenommen, spätestens in der während des Verkaufsvorgangs (weil nur dann der Kassenbestand stimmig zu den gebuchten Verkaufsvorgängen ist).

Insoweit gilt, dass ein Arbeitgeber von den bei ihm beschäftigten Verkäufern erwarten darf, dass diese keine Veränderungen an den im Warenwirtschaftssystem hinterlegten Daten vornehmen, die dem Zweck der Datenspeicherung zuwiderlaufen.

Die Herabsetzung des im System gespeicherten Einkaufspreises entwertet ja nunmal den Sinn der Datennutzung. Durch eine solche Manipulation wird im EDV-System ein objektiv unzutreffender Sachverhalt wiedergegeben, da die Ware tatsächlich nicht zu dem manipulierten niedrigeren Einkaufspreis, sondern zu einem höheren Preis beschafft wurde. Durch die manipulative Herabsetzung des Einkaufspreises wird im Falle des Verkaufs ein höherer Deckungsbeitrag vorgespielt, als tatsächlich erzielt worden ist. Dies stellt im Ergebnis eine Pflichtverletzung dar, die zur Kündigung berechtigt – natürlich. Im weiteren begründet dies den Verdacht, sich wegen (§ 266 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht zu haben:

Aufgrund des zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrages kam der Klägerin die Pflicht zu, als Verkäuferin die Vermögensinteressen der Beklagten wahrzunehmen. Ihr war die Befugnis eingeräumt, durch den Verkauf von Waren über das Vermögen der Beklagten zu verfügen. Die Klägerin verletzte die ihr zukommende Vermögensbetreuungspflicht und missbrauchte die ihr zustehende Verfügungsbefugnis, indem sie in zwei Fällen Waren zu einem Preis veräußerte, der unter dem von der Beklagten bezahlten Einkaufspreis lag und in einem Fall Waren veräußerte, obgleich die im EDV-System der Beklagten installierte Ampelfunktion den Verkauf durch das Ampelsignal „rot“ untersagte. Das muss nach dem beiderseitigen Parteivorbringen als unstreitig gelten (siehe oben unter II 1 b aa (2) (a) (cc) der Entscheidungsgründe). Die Klägerin fügte dadurch dem Vermögen der Beklagten einen Nachteil zu. Es sind keine Umstände ersichtlich, die dafür sprechen könnten, dass die Beklagte die Waren keinesfalls zu einem höheren Kaufpreis hätte veräußern können.

Landesarbeitsgericht Hamm, 18 Sa 1124/20

Es ist durchaus zu Gunsten der späteren zu sehen, dass viele Gerichte hier schlicht überfordert sind und sich selbst bei Staatsanwaltschaften hartnäckig das Gerücht hält, ein Verkäufer sei per se niemals in der Vermögensbetreuungspflicht – was schlicht falsch ist.

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Hinzu kommt übrigens auch jedenfalls noch ein versuchter :

Indem sie die im Warenwirtschaftssystem hinterlegten Einkaufspreise herabsetzte, täuschte sie die Hilfspersonen der Beklagten über eine Tatsache, nämlich darüber, welcher Preis tatsächlich für den Einkauf der Ware entrichtet wurde. Sie erweckte zugleich die Fehlvorstellung, dass mit dem von ihr veranlassten Verkauf der Waren ein höherer Deckungsbeitrag erzielt wurde. Aufgrund dieser Fehlvorstellung nahm die Beklagte eine Vermögensverfügung vor: Sie unterließ es, Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin geltend zu machen, die zumindest in den Fällen bestanden, in denen die Klägerin Waren unter dem Einkaufspreis und trotz des Ampelsignals „rot“ veräußerte. Die Klägerin handelte, um sich derartigen Schadensersatzansprüchen zu entziehen und zugleich dem Käufer einen Vermögensvorteil in Gestalt des geringeren Kaufpreises zu verschaffen.

Landesarbeitsgericht Hamm, 18 Sa 1124/20
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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