Strafzumessung: Fehlen eines Strafmilderungsgrundes nicht vorwerfbar

Es ist ein allgemeiner Grundsatz, dass einem Angeklagten nicht in unzulässiger Weise das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes angelastet werden darf bei der . Das klingt auf den ersten Blick auf Recht zugänglich, wird aber immer wieder von den Gerichten falsch gemacht. So gibt es ganz besonders beliebte „Fallstricke“:

  • So darf man bei Vermögensdelikten nicht vorwerfen, dass sich der Angeklagte in keiner finanziellen Notlage befand (BGH, 5 StR 20/20)
  • Insbesondere bei der finanziellen Not ist unsere Justiz gerne hinterher, auch die Formulierung „dass er sich – ohne erkennbare finanzielle Not – an Taten der mittleren bis Schwerkriminalität beteiligt hat“ störte den BGH. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass derartige Erwägungen immer durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen werden. Denn das Vorhandensein einer für Motivation und Zielsetzung mitbestimmenden finanziellen Notlage wirkt in der Regel zu Gunsten des Täters. Das Fehlen eines solchen möglichen Strafmilderungsgrundes darf nicht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden (so ausdrücklich BGH, 4 StR 610/10)
  • Auch die allgemeinere Feststellung, die Tat begangen zu haben „ohne in einer Not- oder Konfliktlage gewesen zu sein“ mag der BGH nicht (BGH, 4 StR 288/13)
  • Kurz zum BTM-Strafrecht: Gerne wird in die Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten die Erwägung einbezogen, dieser habe allein aus Geldgier gehandelt. Das aber begegnet im Hinblick auf das Doppelverwertungsverbot (§ 46 Abs. 3 StGB) beim BGH erheblichen Bedenken. Das Tatbestandsmerkmal des Handeltreibens setzt stets voraus, dass der Täter nach Gewinn strebt, weshalb eine ausschließlich gewinnorientierte Motivation regelmäßig keinen Strafschärfungsgrund darstellt. Der BGH schwankt hier, mal sieht er den Vorwurf des fehlenden Milderungsgrundes (so in BGH; 3 StR 294/09), mal einen – ggfs. zusätzlichen – Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (so in BGH, 3 StR 138/16).Warum auch immer: So geht es nicht. Wer das monetäre Interesse vorwerfen möchte, der muss eine „gesteigerte Geldgier“ feststellen, insbesondere ausschliessen, dass nicht die Finanzierung des eigenen Lebensunterhalts inkl. Beschaffung weiterer Drogen im Raum steht.

Und bitte: Umstände, die zur allgemeinen Art der Lebensführung des Täters gehören, dürfen ihm bei der Strafzumessung indes nur dann zur Last gelegt werden, wenn sie eine Beziehung zu der abgeurteilten Tat haben und sich daraus eine höhere Tatschuld ergibt (siehe nur BGH, 2 StR 96/00).

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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