Körperverletzung mit Todesfolge und Doppelverwertungsverbot

Doppelverwertungsverbot: Immer wieder überraschend ist, wie oft Gerichte ein Problem mit dem Doppelverwertungsverbot haben. Als Verteidiger ist man gut beraten, genau darauf zu achten, dass nicht ein schon im Gesetz vorgesehenes (strafschärfendes) Tatbestandsmerkmal nochmals in der – daher doppelt – herangezogen wird.

In einem aktuellen Fall zeigt der BGH auf, dass bei der Strafrahmenwahl und der Strafzumessung im engeren Sinne eben nicht isoliert strafschärfend gewertet werden darf, dass der Angeklagte „mit direktem Vorsatz“ handelte.

Der BGH führt hierzu aus:

Der Tatbestand der mit Todesfolge (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1, 227 StGB) setzt vorsätzliches Handeln im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundtatbestandes der Körperverletzung voraus. Die isolierte strafschärfende Wertung von dolus directus (Wissentlichkeit) verstößt ungeachtet der Frage, ob direkt vorsätzliches Handeln als (normativer) Regelfall (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Oktober 2015 – 5 StR 355/15, NStZ-RR 2016, 8; vom 1. Dezember 1989 – 2 StR 555/89, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 3; jeweils für § 212 StGB; ablehnend BGH, Beschluss vom 7. Juni 2017 – 4 ARs 22/16, NStZ-RR 2017, 238) oder als typischer Fall der Tatbestandsverwirklichung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 351; vom 25. Februar 1997 – 4 StR 409/96 Rn. 8; vom 23. Oktober 1992 – 2 StR 483/92, StV 1993, 72 und vom 8. Februar 1978 – 3 StR 425/77 Rn. 3) anzusehen ist, gegen § 46 Abs. 3 StGB (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 5 StR 355/15, NStZ-RR 2016, 8; Urteil vom 14. August 2008 – 4 StR 223/08, NStZ 2008, 624 und Beschluss vom 17. September 1990 – 3 StR 313/90, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 4).

Ebenso, wenn bei der Prüfung eines minder schweren Falls oder bei der konkreten Strafbemessung zu Lasten des Angeklagten die Gefährlichkeit seiner Tathandlung bei einer gefährlichen Körperverletzung gewertet wird:

Damit hat die Strafkammer einen Umstand, der schon das Merkmal des gesetzlichen (Qualifikations-)Tatbestandes des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB erfüllt, bei der Strafzumessung berücksichtigt und gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstoßen. Denn das gesetzliche Merkmal der Tatbegehung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung setzt stets voraus, dass die Einwirkung durch den Täter nach den Umständen des Einzelfalls generell dazu geeignet ist, das Leben des Verletzten zu gefährden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 2015 – 3 StR 444/15, NStZ-RR 2016, 81 f. mwN; Urteil vom 27. Juli 2023 – 3 StR 509/22, NStZ-RR 2023, 367, 368). Der Umstand, dass die Tat zum Tod hätte führen können, stellt daher keinen Strafschärfungsgrund dar (s. BGH, Beschluss vom 21. März 2013 – 1 StR 667/12, juris Rn. 10 f.). Eine konkrete Lebensgefahr für das Tatopfer hat das Landgericht demgegenüber ausdrücklich verneint.

BGH, 3 StR 455/23
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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