In Cybercrime-Strafverfahren spielen zeitliche Abläufe durchaus eine Rolle, wie sich in einem Beschluss des Landgerichts Magdeburg (21 Qs 18/25) zeigt. In diesem Beschluss geht es um die Rechtmäßigkeit eines Durchsuchungsbeschlusses. Die Staatsanwaltschaft Magdeburg hatte gegen einen Beschuldigten ermittelt, da dieser vor zweieinhalb Jahren im Darknet geringe Mengen Methamphetamin und Marihuana bestellt haben soll. Auf dieser Grundlage beantragte die Staatsanwaltschaft im Oktober 2024 einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung des Beschuldigten, der vom Amtsgericht Magdeburg erlassen und im Januar 2025 vollzogen wurde.
Verhältnismäßigkeit bei Durchsuchung
Gegen diesen Beschluss legte der Beschuldigte Beschwerde ein, auf diese das Landgericht Magdeburg dann feststellte, dass der Durchsuchungsbeschluss rechtswidrig war. Zur Begründung führte das Gericht an, dass allein aus den zweieinhalb Jahre zurückliegenden Bestellungen nicht geschlossen werden könne, dass der Beschuldigte weiterhin Betäubungsmittel konsumiere, besitze oder erwerbe. Zudem handele es sich um geringe Mengen, die sich auf einen kurzen Zeitraum beschränkten; so ging es um zwei Gramm Methamphetamin und zehn Gramm Marihuana, plus ein Gramm Methamphetamin sowie zwei weiteren Gramm Methamphetamin … in verschiedenen Bestellungen. Da es keine Hinweise auf aktuelle Verstöße gab und der Beschuldigte nicht vorbestraft war, sei der Eingriff unverhältnismäßig. Der Anfangsverdacht sei zu schwach, um eine Durchsuchung zu rechtfertigen:
Gemäß §§ 102, 105 StPO darf eine Durchsuchung bei dem einer Straftat Verdächtigen auf Antrag der Staatsanwaltschaft angeordnet werden, wenn zu vermuten ist, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde. Neben dem Tatverdacht ist eine Prüfung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erforderlich. Hierbei muss der Eingriff insbesondere in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen. Dies ist hier nicht der Fall.
Bereits das Bestehen eines Anfangsverdachts ist hier zweifelhaft. Aus dem Umstand, dass der Beschuldigte vor über zweieinhalb Jahren Betäubungsmittel gekauft hat, kann nicht automatisch geschlossen werden, dass der Beschuldigte auch weiterhin Betäubungsmittel konsumiert, besitzt oder kauft. Zudem beziehen sich die früheren Bestellungen über das Darknet auf einen relativ kurzen Zeitraum von nur ungefähr einem Monat – 29.05.2022 bis 26.06.2022. Darüber hinaus handelte es sich um verhältnismäßig kleine Mengen an Betäubungsmitteln, bei denen die Wirkstoffmenge ungeklärt ist, sodass die nicht geringe Menge möglicherweise nicht überschritten ist. Angesichts dieses allenfalls geringen Anfangsverdachts ist der Durchsuchungsbeschluss jedenfalls unverhältnismäßig.
Das Gericht stellte im Ergebnis die Rechtswidrigkeit des Beschlusses fest und wies die Kosten des Verfahrens der Landeskasse zu.

Entscheidung mit Vorbildcharakter
Die Entscheidung ist zu begrüßen und hat Vorbildcharakter – das alles könnte aber auch der Besonderheit des Bundeslandes geschuldet sein: In unserer ebenso Drogen- wie Cybercrime- erfahrenen Justiz vor Ort ist festzustellen, dass schon gar keine Durchsuchungsbeschlüsse beantragt werden bei solchen Vorkommnissen. Da wird einerseits angehört, andererseits besteht erhebliches Verteidigungspotenzial (bislang wurde von hie aus alles, was im “kleineren Bereich” lag zeitnah eingestellt). Dass eine Staatsanwaltschaft sich bei solch kleinen Mengen derart engagiert und auch noch eine Durchsuchung forciert, dürfte hierzulande eher befremdlich wirken und für eine gewisse Unerfahrenheit sprechen, mit der solche Vorkommnisse gleich der “große Aufreger” sind. Ein Effekt, den wir hier bei BTM-Delikten speziell in Regionen im südöstlichen Teil der Republik bemerken können.
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