Haftrichter übernimmt Haftantrag wörtlich

In einem aktuellen Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH, XIII ZB 65/22) wurde die Frage behandelt, inwiefern die wörtliche Übernahme von Teilen eines Haftantrags durch einen Haftrichter die Unabhängigkeit und Sorgfalt der richterlichen Entscheidung beeinträchtigt.

Der BGH stellt klar, dass eine solche Übernahme allein nicht die Annahme rechtfertigt, es habe keine eigenverantwortliche Prüfung durch den Richter stattgefunden. Vielmehr muss für eine solche Annahme das Vorliegen konkreter und hinreichender Anhaltspunkte gegeben sein, die darauf hindeuten, dass keine eigenständige richterliche Prüfung erfolgt ist:

Die wörtliche Übernahme von Teilen eines Haftantrags durch den Haftrichter rechtfertigt nicht die Annahme, dass eine eigenverantwortliche Prüfung durch den Richter nicht stattgefunden habe. Dies kann nur bei Vorliegen hinreichender und konkreter Anhaltspunkte dafür begründet sein, dass eine eigenständige richterliche Prüfung nicht stattgefunden hat (…) Durch seine Unterschrift bezeugt der Haftrichter vielmehr, dass er den von der Unterschrift gedeckten Text geprüft und in seinen Willen aufgenommen hat und damit als Richter verantwortet. Die gegenteilige Annahme kann nur bei Vorliegen hinreichender und konkreter Anhaltspunkte begründet sein (BVerfG, Beschluss vom 1. August 2014 – 2 BvR 200/14, NJW 2015, 851 Rn. 18 f. zu einer
Durchsuchungsanordnung; vgl. auch LG Paderborn, NZWiSt 2021, 366 Rn. 11). Nicht hinnehmbar ist es, wenn sich im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände die Notwendigkeit der Erörterung eines offensichtlichen Problems aufdrängen musste und gleichwohl eine Prüfung vollständig fehlt (BVerfG, Beschluss vom 17. März 2009, 2 BvR 1940/05, NJW 2009, 2516 Rn. 29 zu einer Durchsuchungsanordnung).

Die Entscheidung betont, dass die bloße Tatsache der Textübernahme im Gerichtsbeschluss nicht ausreicht, um eine fehlende richterliche Prüfung zu unterstellen. Vielmehr ist durch die Unterschrift des Richters bestätigt, dass der entsprechende Text geprüft und in seinen Willen aufgenommen wurde. Ein Mangel in der richterlichen Prüfung kann im Ergebnis nur bei besonderen Umständen angenommen werden, die eine offensichtliche Notwendigkeit der Erörterung eines Problems nahelegen, jedoch keine Prüfung stattgefunden hat.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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