Zum konkludenten Eintritt eines Ehegatten als weiterer Mieter in den von seinem Ehepartner und dem Vermieter geschlossenen Mietvertrag.
BGH Urteil vom 13.7.2005, Az: VIII ZR 255/04
1. Zu Unrecht ist das Berufungsgericht der Auffassung, die Beklagte zu 2 sei nicht Partei des Mietvertrags geworden.
Es kann dahinstehen, ob der Beklagte zu 1 den Mietvertrag vom 19. Juli 1984 nicht nur im eigenen Namen, sondern auch im Namen der Beklagten zu 2 geschlossen hat (§ 164 BGB); dies hat die Beklagte zu 2 – worauf die Revisionserwiderung verweist – unter Beweisantritt bestritten. Offenbleiben kann auch, ob die Beklagte eine etwaige vollmachtlose Erklärung des Beklagten zu 1 in ihrem Namen bei Vertragsschluß in der Folgezeit genehmigt hat (§§ 177 Abs. 1, 182, 184 Abs. 1 BGB).
Die Beklagte zu 2 ist dem Mietvertrag vom 19. Juli 1984 jedenfalls nach dem Auszug des Beklagten zu 1 im Mai 1995 aus der bis zu diesem Zeitpunkt gemeinsam genutzten Ehewohnung beigetreten und hierdurch mit allen Rechten und Pflichten Mietvertragspartei geworden. Dies hat das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht rügt, verkannt, weil es den Sachverhalt unvollständig und in einer der Erfahrung des täglichen Lebens widersprechenden Weise gewürdigt hat (§§ 133, 157 BGB). Der Senat kann die Auslegung der für den Vertragsbeitritt maßgeblichen Erklärungen selbst vornehmen, weil weitere Feststellungen insoweit nicht zu erwarten sind (Senatsurteile BGHZ 124, 39, 45; Urteil vom 16. Dezember 1998 – VIII ZR 197/97, NJW 1999, 1022 = WM 1999, 922, unter II 2 b).
2. Die Voraussetzungen eines – stillschweigenden – Vertragsbeitritts (§§ 305 a.F., 145 ff. BGB), der zwischen dem Vermieter und dem in das Vertragsverhältnis eintretenden Mieter unter Zustimmung des bisherigen Mieters vereinbart werden kann (vgl. Senatsurteile BGHZ 65, 49, 51 ff.; 72, 394, 397 f.; BGH, Urteil vom 4. Dezember 1997 – VII ZR 187/96, NJW-RR 1998, 594 = WM 1998, 767, unter II 2 b), liegen vor.
Die Beklagte zu 2 hat gegenüber der von den Klägern beauftragten Hausverwaltung Erklärungen abgegeben, die nach ihrem objektiven Erklärungswert vom Empfängerhorizont aus dahin zu verstehen sind, daß die Beklagte eigene Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis begründen wollte. Ohne Bedeutung ist, ob die Beklagte zu 2 eine vertragliche Verpflichtung zu begründen beabsichtigte. Trotz fehlenden Erklärungsbewußtseins (Rechtsbindungswillens, Geschäftswillens) liegt eine Willenserklärung vor, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, daß seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefaßt werden durfte, und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat (BGHZ 91, 324, 327 ff.; 109, 171, 177 f. m.w.Nachw.). So verhält es sich hier.
Nach der Trennung von ihrem (damaligen) Ehemann im Mai 1995 ist die Beklagte gegenüber der von den Klägern beauftragten Hausverwaltung jahrelang wie eine Mieterin aufgetreten. Zu keinem Zeitpunkt hat sie dabei – ausdrücklich oder stillschweigend – zu erkennen gegeben, daß sie lediglich im Namen des Beklagten zu 1 und nicht in Wahrnehmung eigener vertraglicher Rechte und Pflichten handele. Die Beklagte nutzte die Wohnung seit Mai 1995 allein. Schriftverkehr mit der Hausverwaltung führte sie in eigenem Namen. Nach dem unstreitigen Parteivorbringen leistete sie Mietzahlungen in der nach dem Mietvertrag vom 19. Juli 1984 geschuldeten Höhe; einem an beide Beklagte gerichteten Mieterhöhungsverlangen vom 8. März 1996 kam die Beklagte widerspruchslos nach. Nach ihrem Vorbringen führte sie in der Wohnung noch nach dem Auszug des Beklagten zu 1 Schönheitsreparaturen aus. Mit Schreiben vom 28. Juli 1998 kündigte sie – ohne dabei ihren früheren Ehemann auch nur zu erwähnen – das Mietverhältnis. Mit weiterem Schreiben vom 5. Juli 1999 bat sie darum, „den Mietvertrag“ bis zum 1. Oktober 1999 „zu verlängern“, da sie noch keine neue Wohnung gefunden habe; auch in diesem Zusammenhang trat die Beklagte zu 2 ausschließlich im eigenen Namen und ohne Andeutung einer Vertretung für den Beklagten zu 1 auf. In gleicher Weise teilte sie in einem Schreiben vom 5. Oktober 1999 der Hausverwaltung ihren Auszug mit und berief sich auf die nach § 20 Ziff. 4 des Mietvertrags geleistete, verzinste Mietkaution in Höhe von 2.200 DM, die sie noch „gut habe“. Im vorliegenden Rechtsstreit hat sie mit dem Kautionsguthaben die Aufrechnung gegenüber den Ansprüchen der Kläger erklärt.
Bei Würdigung aller dieser Umstände aus der Sicht eines verständigen und redlichen Vermieters besteht kein Zweifel, daß die Beklagte zu 2 selbst als Partei des Mietvertrages aufgetreten ist und daß die von den Klägern bevollmächtigte Hausverwaltung dies auch so verstanden hat (§§ 164 Abs. 3, 166 Abs. 1 BGB). Die Annahme des Berufungsgerichts, es sei ebenso möglich, daß die Beklagte zu 2 die geschilderten Handlungen „jeweils im Einvernehmen mit dem Beklagten zu 1 vornahm, ohne selbst Mieterin werden zu wollen“, ist fernliegend und mit dem objektiven Erklärungswert der von der Beklagten zu 2 abgegebenen Erklärungen nicht vereinbar. Im übrigen käme es bei der gebotenen objektiven Würdigung ohnehin nicht darauf an, ob die Beklagte zu 2 – entgegen dem äußeren Erscheinungsbild ihres Auftretens – Mieterin werden „wollte“ oder nicht.
Die Kläger haben, vertreten durch ihre Hausverwaltung, konkludent die Annahme des Beitritts der Beklagten zu 2 in das Mietverhältnis erklärt. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Hausverwaltung bekannt war, daß sich die beklagten Eheleute getrennt hatten und die Beklagte zu 2 seit Mai 1995 die Wohnung allein nutzte. Die Hausverwaltung hat die Beklagte zu 2 – entsprechend ihrer Aufnahme in das Rubrum des Mietvertragsformulars vom 19. Juli 1984 durch den Beklagten zu 1 – für die Beklagte zu 2 erkennbar als Mieterin angesehen und den Mietvertrag als auch für die Beklagte zu 2 bindend behandelt. Dies ergibt sich bereits aus dem Mieterhöhungsverlangen vom 8. März 1996, der Bestätigung des Antrags der Beklagten zu 2 auf Verlängerung des Mietverhältnisses bis Oktober 1999 durch Schreiben der Hausverwaltung vom 15. Juli 1999 und der Aufforderung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen mit Schreiben vom 29. Dezember 1999, die jeweils an beide Beklagte gerichtet sind.
Der Beklagte zu 1 hat dem Eintritt der Beklagten zu 2 in das Mietverhältnis stillschweigend zugestimmt (§ 182 Abs. 1 BGB), indem er – was zumindest der Beklagten zu 2 bekannt war – aus der Wohnung ausgezogen ist und der mit seinem Wissen in der Wohnung verbleibenden Beklagten zu 2 die Erfüllung der gegenüber den Vermietern bestehenden mietvertraglichen Verpflichtungen überlassen hat.
- Justizminister wünschen allgemeine Autoschlüssel-Kopie für Ermittler - 7. Dezember 2024
- KCanG: BGH zur Zusammenrechnung von Freimengen - 5. Dezember 2024
- BVerfG zu Encrochat: Keine generellen Beweisverwertungsverbote - 5. Dezember 2024