Aufhebungsvertrag ist unwirksam bei unfairem Verhandeln

Hat der Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag unter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns abgeschlossen, muss er den Zustand herstellen, der ohne die Pflichtverletzung bestünde. Das haben Bundesarbeitsgericht und Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern klargestellt.

Unwirksamer : Nicht selten werden im Arbeitsrecht zwischen und Arbeitgeber Aufhebungvserträge geschlossen. Doch ein Aufhebungsvertrag kann unwirksam sein, wenn er unter Missachtung des Gebots fairen Verhandelns zustande gekommen ist – so dass Arbeitnehmer sich im Nachhinein doch noch wehren und den Streit in die Länge ziehen können.

Nach Ansicht der Richter ist der Arbeitnehmer dann so zu stellen, als hätte er den Aufhebungsvertrag nicht geschlossen. Doch wann ist eine Verhandlungssituation als unfair zu bewerten? Das ist nach dem LAG (Urteil vom 19.5.2020, 5 Sa 173/19) der Fall, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht.

Gebot fairen Verhandelns

Auch und gerade bei Arbeitsverträgen gilt das Gebot fairen Verhandelns. Das ist insoweit auch gefestigte Rechtsprechung, als dass das Bundesarbeitsgerichts in ständiger Rechtsprechung der Gefahr einer möglichen „Überrumpelung“ des Arbeitnehmers bei Vertragsverhandlungen begegnen möchte. Eine solche könnte vorliegen, wenn Verhandlungen zu ungewöhnlichen Zeiten oder an ungewöhnlichen Orten stattfinden.

Bei dem Gebot fairen Verhandelns handelt es sich im Zusammenhang mit der Verhandlung eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrags um eine durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen begründete Nebenpflicht (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB), weil der Aufhebungsvertrag ein eigenständiges Rechtsgeschäft ist. Bei der Bestimmung der hier bestehenden Pflichten ist dann zusätzlich zu berücksichtigen, dass sich die Parteien eines Aufhebungsvertrags zum Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen bereits in einem Schuldverhältnis, nämlich ihrem Arbeitsverhältnis, befinden. Die aus dem Arbeitsverhältnis stammenden Verpflichtungen zur wechselseitigen Rücksichtnahme strahlen dann zusätzlich auf die Verhandlungen bzgl. der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus (zusammenfassend BAG, 6 AZR 75/18).

Welche Pflichten treffen den Arbeitgeber bei einem Aufhebungsvertrag?

Es ist ein allgemeiner Rechtsgedanke, dass ein Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Vertragspartner zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des jeweils anderen Teils verpflichtet. Der Inhalt der konkret bestehenden Rücksichtnahmepflichten kann dabei nicht in einem abschließenden Katalog benannt werden, sondern ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen – auch bei Vertragsverhandlungen, bei denen die Parteien durchaus gegenläufige Interessen haben können, wie etwa bei einem Aufhebungsvertrag.

§ 241 Abs. 2 BGB zwingt dabei ausdrücklich nicht zu einer „Verleugnung der eigenen Interessen“. So ist der Arbeitgeber im Hinblick auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip auf gar keinen Fall verpflichtet, eigene überwiegende und schutzwerte Interessen zu vernachlässigen (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, 3 Sa 411/18).

Allerdings besteht eine angemessene Berücksichtigung der Interessen der Gegenseite. So obliegt dem Arbeitgeber beispielsweise gerade keine allgemeine Pflicht, die Vermögensinteressen des Arbeitnehmers wahrzunehmen. Es kann der Arbeitgeber aber verpflichtet sein, von sich aus geeignete Hinweise zu geben bzw. entsprechende Aufklärung zu leisten. Werden Auskünfte erteilt, müssen diese richtig, eindeutig und vollständig sein (siehe nur BAG, 6 AZR 578/15).

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Jens Ferner

Rechtsanwalt

Grundsätzlich gilt, dass eine Seite bei Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag gegen ihre Verpflichtungen aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen kann, wenn sie eine Verhandlungssituation herbeiführt oder ausnutzt, die eine unfaire Behandlung des Vertragspartners darstellt, da insoweit auch die Entscheidungsfreiheit des anderen Vertragspartners geschützt wird (so ausdrücklich BAG, 6 AZR 75/18). Dieses Gebot fairen Verhandelns wird hierbei dann missachtet, wenn die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners in zu missbilligender Weise beeinflusst wird, wobei es nicht darum geht, den Arbeitnehmer über Gebühr vor sich selbst zu schützen!

Es geht dabei nicht um ein Erfordernis der Schaffung einer für den Vertragspartner besonders angenehmen Verhandlungssituation, sondern um das Gebot eines Mindestmaßes an Fairness im Vorfeld des Vertragsschlusses

BAG, 6 AZR 75/18

Man kann sich nur an einzelnen Faktoren orientieren bei der Frage, was (un)zulässig ist:

  • Eine rechtlich zu missbilligende Einschränkung der Entscheidungsfreiheit ist noch nicht gegeben, nur weil der eine Auflösungsvereinbarung anstrebende Arbeitgeber dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit noch ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht einräumt (BAG, 2 AZR 234/95)
  • Auch eine Ankündigung des Unterbreitens einer Aufhebungsvereinbarung ist nicht erforderlich (BAG, 2 AZR 268/93)
  • Unzulässig aber ist es, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht. Dies kann durch die Schaffung besonders unangenehmer Rahmenbedingungen, die erheblich ablenken oder sogar den Fluchtinstinkt wecken, geschehen (BAG, 6 AZR 75/18)
  • Unzulässig ist auch die Ausnutzung einer objektiv erkennbaren körperlichen oder psychischen Schwäche oder unzureichender Sprachkenntnisse (BAG, 6 AZR 75/18)
  • Die Nutzung eines Überraschungsmoments kann ebenfalls die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners beeinträchtigen (Überrumpelung) (BAG, 6 AZR 75/18)

Konsequenzen unfairen Verhandelns beim Aufhebungsvertrag

Wenn ein schuldhafter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns im Sinne einer Nebenpflichtverletzung vorliegt, ist der Aufhebungsvertrag im Regelfall unwirksam:

Hat der Arbeitgeber bei den Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags das Gebot fairen Verhandelns schuldhaft verletzt, bewirkt dies keinen Anspruch des Arbeitnehmers auf Neuabschluss des Arbeitsvertrags zu den bisherigen Konditionen (…).

Vielmehr führt der Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers wegen einer Missachtung des Gebots fairen Verhandelns unmittelbar zu einem Entfall der Rechtswirkungen des Aufhebungsvertrags und damit zu einer Fortsetzung des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Bedingungen (…).

BAG, 6 AZR 75/18

Aufklärungspflichten vs. Gebot des fairen Verhandelns

Das Bundesarbeitsgericht unterscheidet deutlich zwischen Aufklärungspflichten und dem Gebot fairen Verhandelns – die Begriffe dürfen nicht synonym verstanden oder verwendet werden;:

  • Die Aufklärungspflicht bezieht sich nicht auf die mit dem Aufhebungsvertrag eintretende Beendigung des Vertragsverhältnisses. Schließt ein nicht hinreichend informierter Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag, ist er sich infolge der Aufklärungspflichtverletzung nicht über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses als solche im Unklaren, sondern über deren Konsequenzen, zB in steuer- oder sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht.
  • Demgegenüber soll das Gebot fairen Verhandelns den Abschluss eines zum Arbeitsplatzverlust führenden Aufhebungsvertrags gänzlich verhindern, falls der Arbeitnehmer durch unfaire Verhandlungsbedingungen in seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt wird. Das Gebot fairen Verhandelns bezieht sich nicht auf den Inhalt des Vertrags, sondern auf den Weg zum Vertragsschluss.

Der Unterschied zeigt sich dann auch in den Konsequenzen: Die Verletzung einer Aufklärungspflicht führt regelmässig zu einem geldwerten Schadensersatzanspruch.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Gebot des „fairen Verhandelns“ eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht ist. Sie wird verletzt, wenn eine Seite eine psychische Drucksituation schafft, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages erheblich erschwert. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn eine krankheitsbedingte Schwäche des Arbeitnehmers bewusst ausgenutzt wird.

Ich möchte die Entscheidung aber auch nicht zu stark verallgemeinern, dabei habe ich bereits Hinweise gelesen, dass man selbst bei Vergleichen im Arbeitsgerichtsprozess dies berücksichtigen muss und immer ein Entgegenkommen braucht. Damit tue ich mich eher schwer, da hier die Grenze zur Aufklärungspflicht oder Übervorteilung verwischt wird. Es geht also vielmehr um das „wie“ und nicht das „ob“ oder den Inhalt der Aufhebungsverträge – speziell etwa, wenn das BAG betont, dass es einem Arbeitgeber bei einer Kurzerkrankung des Arbeitnehmers zumutbar ist, dessen Genesung vor der Aufnahme von Beendigungsverhandlungen abzuwarten und ihn nicht unaufgefordert in der Wohnung mit einem Aufhebungsvertragsentwurf zu konfrontieren.

Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass sie bei Aufhebungsverträgen umsichtig sein müssen – zum einen muss das Zustandekommen fair ablaufen, hier sollte hinreichend dokumentiert werden, gerade Überrumpelungseffekte sind zu vermeiden. Dann ist hinsichtlich des „ob“ an die Aufklärungspflicht hinsichtlich etwaiger erheblicher Konsequenzen zu denken; abschliessend sollte beim Inhalte daran gedacht werden, dass bestimmte Konstrukte wie etwa der Verzicht auf eine Kündigung ohne Gegenleistung zu stark benachteiligen.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht, Arbeitsrecht und IT-Recht / Technologierecht.