In seinem Beschluss vom 5. März 2025 (Az. 1 Vollz 10+12/25) hat sich das Oberlandesgericht Hamm mit der Frage beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen ein Strafgefangener erfolgreich gegen die Preisgestaltung des sogenannten Anstaltskaufmanns in einer Justizvollzugsanstalt vorgehen kann. Die Entscheidung wirft ein prägnantes Licht auf das Spannungsfeld zwischen Organisationshoheit der Anstalt und dem Grundsatz der Angleichung an die Lebensverhältnisse außerhalb des Vollzugs gemäß § 18 Abs. 1 SVVollzG NRW. Dabei konkretisiert der Senat zugleich, welche Maßstäbe an die Zulässigkeit von Anträgen auf gerichtliche Entscheidung nach § 109 StVollzG zu stellen sind und unter welchen Umständen eine Preisgestaltung als marktunangemessen gilt.
Sachverhalt und verfahrensrechtlicher Rahmen
Der Betroffene wandte sich mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die seiner Auffassung nach überhöhten Preise, zu denen ihm Waren über den Anstaltskaufmann angeboten wurden – insbesondere sogenannte „Fresskörbe“, also vorkonfigurierte Lebensmittellieferungen. Dabei blieb unklar, ob und inwieweit er tatsächlich konkrete Produkte zu konkreten Preisen erworben oder vom Erwerb bestimmter Artikel aufgrund ihres Preises Abstand genommen hatte. Das Landgericht Arnsberg verwarf den Antrag, woraufhin der Betroffene Rechtsbeschwerde einlegte.
Das OLG Hamm hielt die Rechtsbeschwerde für unzulässig. Denn bereits der ursprüngliche Antrag genügte nicht den Anforderungen des § 109 Abs. 2 StVollzG. Danach muss ein Betroffener eine spezifische Rechtsverletzung geltend machen, was voraussetzt, dass er substantiiert darlegt, inwiefern ihn eine konkrete Maßnahme in seinen Rechten beeinträchtigt. Ein bloß genereller Hinweis auf „ausufernde Preissteigerungen“ ohne Bezugnahme auf bestimmte Produkte reiche nicht aus, um einen prüffähigen Sachverhalt zu schaffen. Das Gericht betonte, dass eine Beschwer nur dann vorliegt, wenn der Betroffene ein konkret marktunangemessen bepreistes Produkt erwirbt oder aus wirtschaftlichen Gründen ernsthaft von dessen Erwerb abgehalten wird.
Darüber hinaus beanstandete der Betroffene die Ausgestaltung der Einkaufsform als solche – insbesondere die Lieferung durch sogenannte Fresskörbe – und wertete dies als menschenunwürdige Behandlung. Auch dies ließ das OLG nicht gelten. Es handele sich dabei nicht um eine Maßnahme im Sinne des § 109 Abs. 1 StVollzG, sondern um eine organisationsrechtliche Entscheidung, die nicht auf die rechtliche Gestaltung individueller Lebensverhältnisse abziele und daher keiner gerichtlichen Kontrolle unterliege. Nur bei Maßnahmen mit unmittelbarer Außenwirkung auf konkrete Rechte – etwa einer Ablehnung oder Einschränkung individueller Einkaufsmöglichkeiten – sei eine gerichtliche Entscheidung zulässig.
Maßstäbe zur Marktgerechtigkeit
Obwohl nicht entscheidungserheblich, nutzte das OLG Hamm die Gelegenheit, um seine bisherige Linie zur Beurteilung marktgerechter Preisgestaltung im Vollzug zu bekräftigen. Der Senat erinnerte daran, dass § 18 Abs. 1 SVVollzG NRW eine möglichst kostengünstige und marktgerechte Versorgung verlangt. Dabei sei die wirtschaftliche Situation der Gefangenen zu berücksichtigen, die regelmäßig nur über ein geringes Einkommen verfügen. Nach vorläufiger Auffassung des Gerichts liegt eine nicht mehr marktgerechte Preisgestaltung jedenfalls dann vor, wenn die Preise im Durchschnitt mehr als 20 Prozent über denen des stationären Lebensmitteleinzelhandels liegen. Für den Fall individuell zusammengestellter Lieferungen, wie bei Fresskörben, erscheint es dem Senat allerdings sachnäher, die Preise mit jenen von Lebensmittellieferdiensten außerhalb des Vollzugs zu vergleichen.
Diese Ausführungen sind von erheblicher praktischer Bedeutung, da sie Vollzugsbehörden und Gerichten einen konkreten Anhaltspunkt geben, wann ein Eingreifen in die Preisgestaltung geboten sein könnte. Gleichwohl machen sie deutlich, dass ein erfolgreicher Antrag auf gerichtliche Entscheidung eine sorgfältige, einzelfallbezogene Argumentation voraussetzt – etwa durch Benennung bestimmter Artikel und den Nachweis ihrer Unverhältnismäßigkeit im Vergleich zum allgemeinen Markt.
Ergebnis
Die Entscheidung des OLG Hamm unterstreicht die Anforderungen an eine substantielle Darlegung im Vollzugsverfahren und setzt der pauschalen Kritik an Anstaltsbedingungen klare Grenzen. Sie verdeutlicht zugleich, dass gerichtlicher Rechtsschutz im Strafvollzug stets an konkrete, individualisierbare Eingriffe gebunden ist.
Wer gegen strukturelle Rahmenbedingungen wie Preislisten oder Lieferformen vorgehen will, muss zeigen, inwiefern ihn diese im Einzelfall rechtlich benachteiligen. Die Kernaussage lautet: Eine gerichtliche Kontrolle ist nicht ausgeschlossen, wohl aber voraussetzungsvoll – und sie setzt konkrete Beeinträchtigungen voraus, keine allgemeinen Unmutsbekundungen. Damit liefert die Entscheidung eine differenzierte Ausbeute für die rechtsdogmatische Einordnung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Freiheitsentzugs.
- Die Einziehung von Taterträgen beim untauglichen Versuch - 22. Mai 2025
- Russische Cyberangriffe auf westliche Logistik- und Technologieunternehmen 2025 - 22. Mai 2025
- Keine Schweigepflicht im Maßregelvollzug - 21. Mai 2025