Das Landgericht Essen hat mit Urteil vom 17. April 2025 (Az. 12 O 419/23) klargestellt, dass die Speicherung eines Negativeintrags durch eine Auskunftei auch nach vollständiger Begleichung der zugrunde liegenden Forderung zulässig sein kann – jedenfalls dann, wenn keine besonderen persönlichen Härtegründe vorliegen und die Speicherung für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit weiterhin erforderlich ist. Die Entscheidung verdeutlicht den praxisrelevanten Balanceakt zwischen Datenschutzinteressen und den berechtigten Belangen der Kreditwirtschaft.
Sachverhalt
Die Klägerin hatte eine Kreditkarte bei einem bekannten Anbieter beantragt und in Anspruch genommen. Aufgrund eines Kontowechsels und angeblicher Zustellprobleme blieben mehrere Einzüge erfolglos, wodurch sich eine Forderung in Höhe von rund 1.400 € aufbaute. Erst nach fast einem Jahr beglich die Klägerin den vollständigen Betrag in mehreren Raten. In der Zwischenzeit hatte der Kreditkartenanbieter die Zahlungsstörung an eine Auskunftei gemeldet, die den Eintrag entsprechend speicherte. Nachdem die Forderung getilgt war, verlangte die Klägerin die Löschung des Eintrags unter Berufung auf Art. 17 DSGVO.
Die Beklagte verweigerte dies und berief sich auf ein berechtigtes Interesse an der weiteren Verarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO. Das LG Essen bestätigte diese Sichtweise und wies die Klage ab.
Rechtliche Würdigung
1. Kein Anspruch auf Löschung nach Art. 17 DSGVO
Das Gericht lehnt einen Löschungsanspruch nach Art. 17 Abs. 1 lit. a, c und d DSGVO ab. Maßgeblich sei, dass die Speicherung personenbezogener Daten auch nach Tilgung einer Forderung rechtmäßig bleibt, wenn sie zur Wahrung berechtigter Interessen erforderlich ist. Dies sei hier der Fall, denn:
- Der Eintrag diente der Beurteilung der Kreditwürdigkeit und
- Die Speicherung war zeitlich begrenzt (maximal drei Jahre nach Erledigung).
2. Interessenabwägung zu Lasten der Klägerin
Das Gericht stellte ausdrücklich fest, dass die berechtigten Interessen der Auskunftei, ihrer Vertragspartner und der Allgemeinheit an einer verlässlichen Risikobewertung das Interesse der Klägerin an der Löschung überwiegen. Insbesondere diene die Speicherung:
- dem Schutz der Kreditwirtschaft vor Zahlungsausfällen,
- der Vermeidung von Überschuldung bei Verbrauchern und
- der Reduzierung asymmetrischer Informationslagen im Wirtschaftsverkehr.
Die Tatsache, dass die Forderung später vollständig beglichen wurde, ändere nichts an der ursprünglichen Zahlungsstörung und lasse auch nicht auf eine atypische Situation schließen.
3. Keine besondere Härte im Sinne von Art. 21 DSGVO
Für eine Abwägung zugunsten der Betroffenen hätte die Klägerin besondere persönliche Umstände darlegen müssen – etwa existenzielle Notlagen oder den Nachweis erheblicher Auswirkungen des Eintrags auf ihre Lebensführung. Das LG Essen verneinte eine solche Härtefallkonstellation ausdrücklich. Die Klägerin sei über die Zahlungsrückstände informiert worden, habe Zahlungen verzögert geleistet und könne sich nicht auf eine generelle Fehlerhaftigkeit der Einträge berufen.
Bewertung
Die Entscheidung des LG Essen ist rechtlich stringent und folgt einer gefestigten Linie in der obergerichtlichen Rechtsprechung. Sie bestätigt die Grundsätze zur Datenspeicherung bei Zahlungsstörungen:
- Eine bloße Tilgung der Forderung führt nicht zur Löschung.
- Die Datenverarbeitung bleibt zulässig, wenn sie für Kreditwürdigkeitsprüfungen weiterhin relevant ist.
- Eine Löschung kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, die durch substantiierte Härtegründe getragen sein müssen.
Gleichwohl wirft das Urteil kritische Fragen zur Verhältnismäßigkeit im Umgang mit personenbezogenen Daten auf. Die Dreijahresfrist ist eine in der Praxis gängige, aber nicht gesetzlich normierte Speichergrenze. Es stellt sich die Frage, ob im Einzelfall – etwa bei sofortiger Einsicht, nachweislich versehentlicher Zahlungsversäumnis oder außergewöhnlichen Umständen – nicht differenzierter hätte argumentiert werden müssen. In diesem konkreten Fall überzeugte das Vorbringen der Klägerin das Gericht nicht.
Ergebnis
Die Schlussfolgerung: Wer eine Forderung mit Verzögerung erfüllt, hat keinen Anspruch auf sofortige Löschung des Negativeintrags – jedenfalls nicht ohne Nachweis besonderer Umstände. Das Urteil des LG Essen stärkt die Position von Auskunfteien und betont den gesellschaftlichen Stellenwert verlässlicher Informationen über Zahlungszuverlässigkeit im Wirtschaftsleben.
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