EUGH: Welches Gericht ist für Persönlichkeitsverletzungen zuständig?

Lange ist es her: Der (VI ZR 217/08) legte im November 2009 dem Gerichtshof der europäischen Union als Vorlage die Frage vor, welches Gericht bei grenzüberschreitenden Internetveröffentlichungen zuständig ist, die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen verletzen. Der Schlussantrag des Generalanwalts liegt nunmehr vor (EUGH, C-509/09) und kommt zu diesem Ergebnis:

Der Ausdruck „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“ ist im Fall einer Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch eine in mehreren Mitgliedstaaten über das Internet verbreitete Information dahin gehend auszulegen, dass der Inhaber des entsprechenden Persönlichkeitsrechts eine auf Entschädigung erheben kann

  1. vor den Gerichten des Mitgliedstaats des Ortes der Niederlassung des Herausgebers der Veröffentlichung, durch die die Persönlichkeitsrechte verletzt wurden, wobei diese Gerichte dafür zuständig sind, eine vollständige Entschädigung für die aus der Verletzung dieser Rechte entstandenen Schäden zuzusprechen,
  2. oder vor den Gerichten jedes Mitgliedstaats, in dem die Veröffentlichung verbreitet wurde und in dem der Inhaber des Persönlichkeitsrechts geltend macht, in seinem Ansehen beeinträchtigt worden zu sein, wobei diese Gerichte nur für die Entscheidung über die im Staat des jeweils angerufenen Gerichts verursachten Schäden zuständig sind,
  3. oder vor den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem sich der „Schwerpunkt des Konflikts“ zwischen den in Rede stehenden Gütern und Interessen befindet, wobei diese Gerichte damit dafür zuständig sind, eine vollständige Entschädigung für die aus der Verletzung der Persönlichkeitsrechte entstandenen Schäden zuzusprechen. Unter dem Mitgliedstaat, in dem sich der „Schwerpunkt des Konflikts“ befindet, ist derjenige Mitgliedstaat zu verstehen, in dessen Gebiet die streitige Information objektiv besonders relevant ist und in dem zugleich der Inhaber des Persönlichkeitsrechts seinen „Interessenschwerpunkt“ hat.

Hinweis: In diesem Fall geht es um grenzüberschreitende Konflikte zwischen Mitgliedsstaaten, also wenn z.B. der Verletzer als auch der Verletzter ihre Niederlassung innerhalb der EU haben. Für den Fall, dass es um grenzüberschreitende Rechtsverletzungen mit Bezug zu „Drittstaaten“ geht, hat der BGH (VI ZR 23/09 und VI ZR 111/10) bereits festgestellt, das mit entsprechendem Inlandsbezug die Zuständigkeit deutscher Gerichte gegeben sein kann. Einen verbindlichen Kriterienkatalog möchte ich dazu nicht bieten, vielmehr ist es Auslegungsfrage im jeweiligen Einzelfall, wobei zumindest zu verlangen ist, dass sich die betreffende Internetseite bestimmungsgemäß und eben nicht nur zufällig im Inland „auswirken“ und „verbreiten“ soll. Dies ist mit dem BGH jedenfalls dann anzunehmen, wenn eine Kenntnisnahme von der beanstandeten Meldung nach den Umständen des konkreten Falls im Inland erheblich näher liegt als es aufgrund der bloßen Abrufbarkeit des Angebots der Fall wäre und die vom Kläger behauptete Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts durch Kenntnis von der Meldung (auch) im Inland eintreten würde. Also im Ergebnis reicht keinesfalls alleine, dass eine ausländische Webseite überhaupt im Inland wahrgenommen werden kann.

Der EUGH, der sich regelmäßig den Ausführungen des Generalanwalts anschliesst, wird damit im Ergebnis wohl die Rechtsprechung des BGH zu Drittstaaten aufgreifen. Der oben in Punkt 3 benannte „Schwerpunkt des Konflikts“ lässt sich mit dem „Inlandsbezug“ des BGH problemlos unter einen Hut bringen und ergänzt letztlich die BGH-Rechtpsrechung nahtlos. Die zunehmende Problematik grenzüberschreitender Persönlichkeitsrechtsverletzungen wird damit wieder ein Stück greifbarer. Zugleich bedeutet dies natürlich auch, dass sich inländische Anbieter wieder ein Stück mehr auf grenzüberschreitende Konflikte einstellen müssen. Europa rückt eben auch juristisch immer weiter zusammen.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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