Einziehung und Entreicherung des Einziehungsadressaten bei Weitergabe von Geld

Das Kammergericht Berlin (KG Berlin) hat sich in einer aktuellen Entscheidung zur Anwendung von § 459g Abs. 5 Satz 1 bei der Entreicherung des Einziehungsadressaten, insbesondere in sogenannten „Verschiebungsfällen“, geäußert. Diese Entscheidung beleuchtet wichtige Aspekte der Verhältnismäßigkeit bei der Vollstreckung von Einziehungsentscheidungen und stellt klar, unter welchen Bedingungen eine Vollstreckung als unverhältnismäßig angesehen werden kann.

Sachverhalt

Der Verurteilte hatte im Jahr 2011 gemeinsam mit einem Mitangeklagten durch eine Vielzahl von Fälschungen und Täuschungen im maschinellen Mahnverfahren einen Mahn- und Vollstreckungsbescheid über eine nicht bestehende Forderung von mehr als 23 Millionen Euro erwirkt und diesen Betrag teilweise eingezogen. Im Rahmen des strafrechtlichen Verfahrens wurde gegen den Verurteilten eine Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von über 12 Millionen Euro angeordnet. Der Verurteilte argumentierte, dass er den größten Teil des erlangten Betrages tatplangemäß an Mittäter weitergegeben habe und daher entreichert sei, wodurch eine Vollstreckung unverhältnismäßig wäre.

Rechtliche Analyse

Das KG Berlin stellte klar, dass die Vorschrift des § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO, welche die Vollstreckung der Einziehungsentscheidung unter bestimmten Umständen als unverhältnismäßig ansehen kann, auch auf Fälle anzuwenden ist, in denen die zugrunde liegende Straftat vor Inkrafttreten der Neuregelung beendet wurde. Die Kammer betonte, dass die Verhältnismäßigkeit der Vollstreckung nur dann infrage steht, wenn mit ihr eine außerhalb des Einziehungszwecks liegende besondere Härte verbunden wäre, die dem Betroffenen nicht zugemutet werden kann.

Wichtige Punkte der Entscheidung:

  1. Verfahrensrechtliche Vorschrift: § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO ist eine verfahrensrechtliche Vorschrift, auf welche § 2 Abs. 3 StGB keine Anwendung findet.
  2. Unverhältnismäßigkeit und Entreicherung: Die Vollstreckung kann als unverhältnismäßig angesehen werden, wenn der Einziehungsadressat aufgrund besonderer Umstände, wie einer schweren Krankheit, das Erlangte verloren hat. Eine bloße Weitergabe des Erlangten an Mittäter („Verschiebungsfälle“) reicht nicht aus, um die Vollstreckung als unverhältnismäßig zu betrachten.
  3. Vergleich mit Bereicherungsrecht: Die Entscheidung orientiert sich an den Wertungen des zivilrechtlichen Bereicherungsrechts, wonach ein bösgläubiger Bereicherungsschuldner sich nicht auf Entreicherung berufen kann.
Einziehung und Entreicherung des Einziehungsadressaten bei Weitergabe von Geld - Rechtsanwalt Ferner

Die Entscheidung macht vor allem eines deutlich: Einfach nur Geld annehmen kann, verdammt teuer werden! Inzwischen haben wir eine gefestigte Rechtsprechung zu sogenannten Abholer Fällen sowie zu denen, die Ihre Konten zur Verfügung stellen, um Geld durchzureichen (erweiterte Money-Mules). Die Verteidigung kann hier allenfalls und speziell in Geldwäschefällen dort ansetzen, wo diskutiert wird, ob Geld Tatertrag oder doch nur Tatobjekt ist. Doch auch hier wird die Luft sehr dünn.


Fazit und Auswirkungen

Das KG Berlin hat klargestellt, dass die bloße Weitergabe von Taterträgen an Mittäter keine ausreichende Grundlage darstellt, um die Vollstreckung der Einziehungsentscheidung als unverhältnismäßig abzulehnen. Diese Entscheidung unterstreicht damit die strenge Haltung der Gerichte bei der und betont die Notwendigkeit, dass Täter für das von ihnen erlangte Vermögen haften, selbst wenn dieses weitergeleitet wurde. Für die Praxis bedeutet dies, dass Verurteilte sich nur unter sehr spezifischen und außergewöhnlichen Umständen erfolgreich gegen die Vollstreckung von Einziehungsentscheidungen wehren können.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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