Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln hat am 2. Mai 2024 (Az. 6 Sa 325/23) eine wichtige Entscheidung zur Darlegungslast im Entgeltprozess getroffen. Der Fall drehte sich um die Frage, ob und in welchem Umfang die Klägerin, eine Gesundheits- und Krankenpflegerin ohne deutsche Anerkennung, einen Anspruch auf Entgelt für eine angeblich erbrachte Arbeitsleistung oder aufgrund von Annahmeverzug hat. Im Mittelpunkt standen dabei die Anforderungen an die Darlegungslast und die Beweisführung der Arbeitnehmerin.
Sachverhalt
Die Klägerin, ausgebildete Krankenschwester, schloss am 6. Januar 2021 mit der Beklagten, einem Krankenhaus, einen Arbeitsvertrag, der ab dem 1. November 2021 wirksam werden sollte. Aufgrund aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen konnte die Klägerin zunächst nur eine beschränkte Arbeitserlaubnis für zehn Stunden pro Woche erhalten.
Trotz dieser Einschränkungen behauptete die Klägerin, bereits vor dem offiziellen Beginn des Arbeitsverhältnisses und auch danach bis Juni 2022 umfangreiche Arbeitsleistungen erbracht zu haben, ohne dafür entlohnt worden zu sein. Die Beklagte wies diese Behauptungen zurück und argumentierte, die Klägerin habe lediglich hospitiert und keine vergütungspflichtige Arbeitsleistung erbracht.
Rechtliche Analyse
1. Darlegungslast und Beweislast im Entgeltprozess
Das Gericht stellte klar, dass die Darlegungslast und Beweislast im Entgeltprozess grundsätzlich beim Arbeitnehmer liegt. Dies bedeutet, dass die Klägerin detailliert darlegen und beweisen muss, welche konkreten Arbeitsleistungen sie erbracht hat, um einen Entgeltanspruch geltend zu machen. Die bloße Behauptung, sie habe gearbeitet, reicht nicht aus. Vielmehr muss sie darlegen, welche Arbeiten sie wann und in welchem Umfang verrichtet hat.
2. Substantiierungspflicht und gestufte Darlegungslast
Im vorliegenden Fall hat das LAG Köln die Bedeutung der gestuften Darlegungslast hervorgehoben. Zunächst muss die Arbeitnehmerin substantiiert vortragen, dass sie zur rechten Zeit am rechten Ort ihre Arbeitsleistung angeboten hat.
Daraufhin obliegt es dem Arbeitgeber, konkret darzulegen, ob und welche Arbeiten zugewiesen wurden und ob der Arbeitnehmer diesen Weisungen nachgekommen ist. Nur wenn der Arbeitgeber substantiell bestreitet, muss der Arbeitnehmer weitere Beweise erbringen.
3. Anforderungen an den Vortrag der Klägerin
Die Klägerin hatte vorgetragen, an bestimmten Tagen im Zeitraum von September 2021 bis März 2022 sowie im Februar und März 2022 gearbeitet zu haben. Sie gab detailliert an, welche Tage dies waren und welche Tätigkeiten sie ausgeführt habe. Die Beklagte bestritt diese Darstellungen und wies darauf hin, dass die Klägerin lediglich hospitiert habe.
Das LAG Köln stellte fest, dass der Vortrag der Klägerin widersprüchlich und unschlüssig war. Einerseits behauptete sie, nicht beschäftigt worden zu sein und machte Entgeltansprüche wegen Annahmeverzugs geltend. Andererseits behauptete sie, durchgehend gearbeitet zu haben. Diese Widersprüche führten dazu, dass das Gericht den Vortrag der Klägerin als nicht ausreichend substantiiert ansah.
4. Anspruch auf Entgelt aus Annahmeverzug
Das Gericht wies auch die Ansprüche der Klägerin aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zurück. Es stellte fest, dass die Klägerin ihre Arbeitsleistung nicht im Sinne des § 294 BGB tatsächlich angeboten hatte. Ein wörtliches Angebot nach § 295 BGB reichte in diesem Fall nicht aus, da die Klägerin nicht darlegen konnte, dass die Beklagte ihre Arbeitsleistung kategorisch abgelehnt hatte. Zudem war die Klägerin rechtlich gehindert, eine vollwertige Arbeitsleistung zu erbringen, da ihr eine unbeschränkte Arbeitserlaubnis fehlte.
Gerichtliche Beurteilung
Das LAG Köln bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln und wies die Berufung der Klägerin zurück. Es stellte fest, dass weder ein Anspruch auf Entgelt für tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung noch ein Anspruch aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs bestand. Die Klägerin konnte ihre Darlegungslast nicht erfüllen, da sie nicht schlüssig darlegen konnte, dass sie die behaupteten Arbeitsleistungen erbracht hatte.
Fazit und Auswirkungen
Diese Entscheidung unterstreicht die hohen Anforderungen an die Darlegungslast im Entgeltprozess. Arbeitnehmer müssen detailliert und schlüssig darlegen, welche konkreten Arbeitsleistungen sie erbracht haben, um Entgeltansprüche geltend zu machen. Bloße Behauptungen reichen nicht aus; es bedarf konkreter und substantiierter Angaben. Arbeitgeber hingegen müssen bei Bestreiten der Ansprüche substantiiert darlegen, warum die behaupteten Leistungen nicht erbracht wurden oder nicht vergütungspflichtig sind.
Für beide Parteien ist es entscheidend, die gesetzlichen Anforderungen und prozessualen Pflichten genau zu kennen und zu beachten, um in einem Entgeltprozess erfolgreich zu sein.
- Justizminister wünschen allgemeine Autoschlüssel-Kopie für Ermittler - 7. Dezember 2024
- KCanG: BGH zur Zusammenrechnung von Freimengen - 5. Dezember 2024
- BVerfG zu Encrochat: Keine generellen Beweisverwertungsverbote - 5. Dezember 2024