Anspruch auf Akteneinsicht: Der verteidigte Angeklagte hat keinen eigenen Anspruch auf Akteneinsicht. Die Akteneinsicht wird im Fall der Bestellung eines Verteidigers ausschließlich von den Verteidigern wahrgenommen, § 147 Abs. 1 StPO. Nach § 147 Abs. 4 Satz 2 StPO besteht ein Recht auf den Erhalt von Abschriften aus der Verfahrensakte nur für einen unverteidigten Angeklagten (siehe dazu BGH, 2 StR 45/20).
Dabei ist die Gewährung umfassender Akteneinsicht die wesentliche Grundlage eines fairen Strafverfahrens: Grundsätzlich ist dem jedoch Rechnung getragen, soweit der Verteidiger eines Angeklagten Akteneinsicht erhalten hat (EGMR, 9783/82 und 29/1992/374/445). Die Verteidigungsrechte eines Angeklagten werden auf diesem Weg mit der Rechtsprechung in aller Regel gewahrt und die „Waffengleichheit“ gegenüber Gericht und Staatsanwaltschaft hinreichend begründet. Für das Revisionsverfahren gilt dies in besonderem Maße, da hier Erörterungen vorwiegend rechtlicher Natur stattfinden und die Möglichkeiten des Angeklagten, das Verfahren neben seinen Verteidigern selbst inhaltlich mitzugestalten, eher gering sind (so ausdrücklich BGH, 3 StR 155/19 und 2 StR 45/20).
Dass man das so sieht ist keine Strafe des verteidigten Angeklagten, sondern Ausdruck rationellen Arbeitens: Justiz und Gesetz wollen, dass der professionelle Verteidiger der hauptsächliche Ansprechpartner ist, weil auf dem Weg die Verteidigung auch viel zielgerichteter geführt werden kann.
Jens Ferner
StrafverteidigerAkteneinsicht des Angeklagten bei bestelltem Verteidiger
Ein Recht des Angeklagten auf Akteneinsicht neben demjenigen seiner Verteidiger kommt allenfalls dann ausnahmsweise in Betracht, wenn ohne dieses die Effektivität der Verteidigung beeinträchtigt sein könnte, z.B. dann, wenn den Verteidigern angesichts des Umfangs des Aktenmaterials nicht genügend Zeit für die Unterrichtung des Angeklagten über den Verfahrensgegenstand verbleibt und es zudem in besonderem Maße auf dessen Kenntnis zum prozessgegenständlichen Lebenssachverhalt ankommt (EGMR, 46221/99). Abschliessend gilt: Grundsätzlich ist es einem Angeklagten zuzumuten, die für eine effektive Verteidigung notwendigen Informationen durch Konsultation seines Verteidigers zu beschaffen (BGH, 3 StR 430/19).
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