Der Strafprozess konzentriert sich im wesentlichen auf Tatsachenfeststellungen, viel zu häufig werden Rechtsfragen kurz abgetan, die man im Detail disktutieren könnte. Ein solches Beispiel bietet das OLG Köln (III 1 RVs 48/10), das sich mit der Frage beschäftigt hat, wann eigentlich ein „falscher Schlüssel“ beim Wohnungseinbruchdiebstahl entsprechend § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB vorliegt. Dabei ist es ein gar nicht seltener Denkfehler, den unbefugt benutzen Schlüssel als falschen Schlüssel einzustufen – das aber ist falsch, sofern der Schlüssel nicht durch den Berechtigten vor Gebrauch entwidmet wurde. Da es hier um einen deutlich geminderten Strafrahmen zwischen Wohnungseinbruchdiebstahl und „normalem“ Diebstahl geht, lohnt sich das saubere Arbeiten durchaus.
Aus der Entscheidung:
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Tatsachenfeststellungen tragen die Verurteilung wegen Wohnungseinbruchdiebstahls nach § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht.
Nach diesem Qualifikationstatbestand macht sich u.a. strafbar, wer einen Diebstahl begeht, bei dem er zur Ausführung der Tat mit einem falschen Schlüssel in eine Wohnung eindringt. Falsch ist ein Schlüssel, wenn ihm die Widmung des Berechtigten fehlt, er also von diesem zur Tatzeit nicht, noch nicht oder nicht mehr zur Öffnung des Verschlusses benutzt wird (BGH MDR 1960, 689; Fischer, StGB, 57. Auflage, § 243 Rn. 8; Eser, in Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage, § 243 Rn. 14; Schmitz in MüKo-StGB, § 243 Rn. 27; Kudlich, in Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, § 243 Rn. 14). Handelt es sich um einen vom Berechtigten gewidmeten Schlüssel, wird dieser (echte) Schlüssel nicht dadurch entwidmet und damit „falsch“, dass seinem (aktuellen) Inhaber – z.B. einem Angestellten des Berechtigten – die Benutzung im konkreten Fall untersagt ist (vgl. BGHR StGB § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Schlüssel, falscher 1 – Gründe -; Schmitz a.a.O.).
Die Verwendung eines richtigen Schlüssels durch einen Unbefugten wird nicht von §§ 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB erfasst (BGHSt 21, 189; Kudlich a.a.O.). Den Feststellungen des Amtsgerichts lässt sich nicht etwa entnehmen, dass der Betreiber des Seniorenheims den von der Angeklagten zur Tatbegehung benutzten Schlüssel zuvor
entwidmet hatte. Bereits die Tatsache, dass es sich um einen Generalschlüssel gehandelt hat, also um einen Schlüssel, mit dem sämtliche oder zumindest eine Vielzahl von Schlössern des Seniorenheims geöffnet werden können, belegt vielmehr dessen
andauernde Widmung. Seine (generelle) Entwidmung wäre geradezu unsinnig, schon im Hinblick auf Notfälle u. a..Nach den Feststellungen hat die Angeklagte diesen „echten“ Generalschlüssel vielmehr (lediglich) unbefugt benutzt. Die Urteilsfeststellungen belegen hiernach allein den Straftatbestand eines (einfachen, nicht qualifizierten) Diebstahls (§ 242 StGB).
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