BGH: Streit um den Umfang der Störerhaftung?

Störerhaftung: Kann der Täter auch Störer sein?

Manchmal rätselt man, ob man eine Entscheidung nicht verstanden hat oder vor einem offenen Problem steht – so hatte ich lange das Problem mit der „Autocomplete“-Entscheidung des BGH (VI ZR 269/12, hier bei mir), da ich das dogmatische Konstrukt der in der Entscheidung nicht vollständig nachvollziehen konnte, insbesondere sah ich einen Widerspruch zur Störerhaftung wie sie sonst vertreten wird.

Bei der Aufbereitung der „Posterlounge“-Entscheidung des BGH, I ZR 104/14, wird hier aufgenommen, fand ich dann plötzlich bei Randnummer 46 einen aufschlussreichen Absatz

Die Beklagte ist deshalb als Täterin durch aktives Tun verantwortlich (…) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ergibt sich Abweichendes auch nicht aus dem Urteil „Autocomplete-Funktion“ des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (…) In dieser Entscheidung ist der VI. Zivilsenat davon ausgegangen, dass die Internetsuchmaschine Google für die Verarbeitung der Suchanfragen ihrer Nutzer in einem eigenen Programm, das Begriffe verbindet und daraus späteren Nutzern ein Angebot in Form eigener Suchvorschläge schafft, als Störerin haftet.

Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass der VI. Zivilsenat von einem Störerbegriff im Sinne von § 1004 BGB ausgegangen ist, bei dem es grundsätzlich nicht auf Art und Umfang des Tatbeitrags oder auf das Interesse des einzelnen Beteiligten an der Verwirklichung der Störung ankommt (…) Der Entscheidung liegt damit ein auch den Täter erfassendes Begriffsverständnis des Störers zugrunde (…) während nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats als Störer in Anspruch genommen werden kann, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – willentlich und kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt

Damit hat sich zumindest mein Verständnisproblem gelöst: Es liegt ein nunmehr offen zu Tage getretener Widerspruch zwischen dem VI. und I. Senat vor (wobei die Meinung des I. Senats zumindest im gewerblichen Rechtsschutz doch etwas bedeutsamer sein dürfte). Dieser kurze Absatz ist vor allem von Interesse, weil sich der BGH aktuell in mehreren Entscheidungen sehr ausführlich mit dem dogmatischen Konstrukt der Störerhaftung auseinandergesetzt hat.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
Benutzerbild von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

Erreichbarkeit: Per Mail, Rückruf, Threema oder Whatsapp.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht + Kunst & Medien - ergänzt um Arbeitsrecht.