Zwischen Meinung und Verhetzung: BGH zur Verharmlosung des Holocaust im Kontext der Corona-Pandemie

Mit Beschluss vom 4. Februar 2025 (3 StR 468/24) hat der die Verurteilung eines Angeklagten wegen bestätigt, der auf seinem öffentlich einsehbaren Facebook-Profil eine visuelle Gleichsetzung von Impfkampagnen während der Corona-Pandemie mit der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik vorgenommen hatte. Die Entscheidung setzt ein markantes Zeichen für die strafrechtliche Abgrenzung zwischen dem grundrechtlich geschützten Recht auf Meinungsäußerung und der strafbaren Relativierung historischen Unrechts.

Die Ausgangslage: Auschwitz-Gleichsetzung in Bildform

Im Frühjahr 2020 veröffentlichte der Angeklagte eine karikaturhafte Montage, die das Eingangstor eines Konzentrationslagers zeigte – jedoch mit dem Slogan „Impfen macht frei“ anstelle des berüchtigten NS-Schriftzugs „Arbeit macht frei“. Ergänzt wurde das Bild durch uniformierte Wächter mit übergroßen Spritzen sowie Porträts eines klischeehaft überzeichneten Chinesen und Bill Gates, beide platziert innerhalb des fiktiven Lagers. Die Montage trug den Untertitel „Die Pointe des Coronawitzes“.

Inhaltlich zielte die Darstellung offensichtlich auf eine Gleichsetzung staatlicher Impfmaßnahmen mit der systematischen Ermordung von Millionen Menschen in Auschwitz. Diese bewusste Parallelisierung war geeignet, die staatlichen Maßnahmen nicht nur als übergriffig darzustellen, sondern sie mit einem historisch einzigartigen Zivilisationsbruch gleichzusetzen – und damit das Unrecht des Holocausts zu bagatellisieren.

Die rechtliche Einordnung: Verharmlosung gemäß § 130 Abs. 3 StGB

Der BGH bestätigt die Auffassung des Landgerichts Köln, wonach das Verhalten den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt, konkret in der Variante der Verharmlosung unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangener Völkermordhandlungen. Im Mittelpunkt steht dabei nicht das bloße Leugnen oder Billigen, sondern das Bagatellisieren – also die qualitative Abwertung oder relativierende Verzerrung historischer Fakten.

Das Gericht stellt klar, dass das Tatbild alle Varianten agitatorischer oder unterschwelliger Entwertung umfasst: vom direkten Vergleich bis zur subtilen Symbolik. Die betreffende Bildmontage stelle nach Auslegung gerade keine bloße Überzeichnung der aktuellen Impfdebatte dar, sondern suggeriere, dass die Corona-Maßnahmen vergleichbar mit den Repressalien im Dritten Reich seien. In dieser Gleichsetzung liege der eigentliche Unrechtsgehalt.

Friedensstörung als weitere Tatbestandsvoraussetzung

Neben der Verharmlosung prüft der BGH auch die Eignung der Veröffentlichung zur Störung des öffentlichen Friedens. Diese liegt dann vor, wenn die Äußerung geeignet ist, das Vertrauen der Bevölkerung in die öffentliche Rechtssicherheit zu erschüttern oder bestimmte Gruppen in Angst zu versetzen. Im konkreten Fall sei das Bild geeignet gewesen, Personen, die sich als Opfer der Pandemiepolitik sahen, zu gewaltsamer Reaktion zu motivieren. Zudem habe es bei Holocaust-Überlebenden und deren Nachkommen ein Klima der Verunsicherung und erzeugt.

Diese doppelte Wirkung – einerseits aggressive Emotionalisierung, andererseits antisemitische Resonanz durch die Darstellung von Bill Gates als Symbolfigur einer angeblichen Verschwörung – genüge, um den Tatbestand der Friedensstörung zu erfüllen. Der Eindruck einer drohenden systematischen Entrechtung nicht geimpfter Menschen wurde laut Gericht gezielt erzeugt, wodurch implizit zur Abwehr – auch mit Gewalt – aufgerufen wurde.

Einordnung im Verhältnis zur Meinungsfreiheit

Von besonderer Bedeutung ist, dass der BGH der gemäß Art. 5 GG ausdrücklich Rechnung trägt. Doch er betont ebenso, dass die öffentliche Relativierung des Holocaust eine Grenze darstellt, die nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Wo das Gedenken an den NS-Völkermord und das daraus resultierende zivilisatorische Tabu verletzt werden, endet die Toleranz des Grundgesetzes. Es gehe nicht um die Unterdrückung politischer Kritik, sondern um den Schutz der historischen Wahrheit und der Würde der Opfer.


Quintessenz

Der BGH-Beschluss vom Februar 2025 ist ein deutliches Votum für die strafrechtliche Verteidigung der Erinnerungskultur gegen ihre populistische Instrumentalisierung. Die Gleichsetzung von Impfkampagnen mit den Gräueltaten von Auschwitz überschreitet nicht nur den Rahmen zulässiger Polemik, sondern stellt eine gezielte Verharmlosung dar, die geeignet ist, das gesellschaftliche Klima zu vergiften. Die Entscheidung betont: Auch im digitalen Raum bleibt das historische Gedächtnis rechtlich geschützt – und wer dieses für empörungsgetriebene Deutungsangebote missbraucht, muss mit Sanktionen rechnen.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybercrime, Cybersecurity & Softwarerecht. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

Erreichbarkeit: Per Mail, Rückruf, Threema oder Whatsapp.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht inkl. IT-Sicherheitsrecht - ergänzt um Arbeitsrecht mit Fokus auf Managerhaftung. Von Verbrauchern werden allein Strafverteidigungen und im Einzelfall Fälle im Arbeitsrecht übernommen!
Rechtsanwalt Jens Ferner

Von Rechtsanwalt Jens Ferner

Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybercrime, Cybersecurity & Softwarerecht. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

Erreichbarkeit: Per Mail, Rückruf, Threema oder Whatsapp.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht inkl. IT-Sicherheitsrecht - ergänzt um Arbeitsrecht mit Fokus auf Managerhaftung. Von Verbrauchern werden allein Strafverteidigungen und im Einzelfall Fälle im Arbeitsrecht übernommen!