Zur Markenverletzung durch Umgehung von SIM-Lock

Werden Mobiltelefone, mit denen aufgrund einer Sperre (sog. SIM-Lock) nur in einem bestimmten Mobilfunknetz telefoniert werden kann, nach dem Inverkehrbringen durch den Markeninhaber ohne dessen Zustimmung von Dritten entsperrt, so liegt eine die nach § 24 Abs. 1
MarkenG ausschließende Produktveränderung i.S. von § 24 Abs. 2 MarkenG vor.

BGH, Urteil vom 9.6.2004, Az: I ZR 13/02aa) Nach § 24 Abs. 1 MarkenG hat der Markeninhaber nicht das Recht, einem Dritten zu untersagen, die für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von ihm selbst in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind. Zwischen den Parteien ist nicht umstritten, daß die in Rede stehenden Mobiltelefone in diesem räumlichen Bereich von der Klägerin in den Verkehr gebracht worden sind.

bb) Die Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes nach § 24 Abs. 1 MarkenG hängt, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, davon ab, ob die Klägerin sich dem weiteren Vertrieb der Waren aus berechtigten Gründen widersetzen kann, insbesondere ob der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert worden ist. Denn der Inhaber eines Zeichenrechts kann Handlungen verbieten, welche die Herkunfts- und Garantiefunktion seines Zeichens verletzen (vgl. EuGH, Urt. v. 23.5.1978 – Rs. 102/77, Slg. 1978, 1139 = GRUR 1978, 599, 603 Tz. 7 – Hoffmann-La Roche/Centrafarm; Urt. v. 23.4.2002 – Rs. C-143/00, Slg. 2002, I-3759 = GRUR 2002, 879, 881 Tz. 30 = WRP 2002, 666 – Boehringer/Swingward u.a.). Eine solche Beeinträchtigung ist anzunehmen, wenn die Veränderung die Eigenart der Ware berührt (BGHZ 131, 308, 316 – Gefärbte Jeans; BGH, Urt. v. 12.2.1998 – I ZR 241/95, GRUR 1998, 696 = WRP 1998, 604 – Rolex-Uhr mit Diamanten; Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 24 Rdn. 41; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 24 Rdn. 61; v. Schultz/Stuckel, Markenrecht, § 24 Rdn. 28; zum WZG: BGH, Urt. v. 28.10.1987 – I ZR 5/86, GRUR 1988, 213, 214 – Griffband). Dies gilt unabhängig davon, ob die Änderung des Produkts sichtbar ist oder nicht.

Der Markeninhaber kann sich dem weiteren Vertrieb der Waren aus berechtigten Gründen i.S. von § 24 Abs. 2 MarkenG auch dann widersetzen, wenn ohne Veränderung des Zustands des Produkts eine Gefahr für die Herkunfts- oder Garantiefunktion der Marke gegeben ist oder wenn die Unterscheidungskraft oder Wertschätzung der Marke ausgenutzt oder beeinträchtigt wird (vgl. EuGH, Urt. v. 4.11.1997 – Rs. C-337/95, Slg. 1997, I-6034 = GRUR Int. 1998, 140, 143 Tz. 43 = WRP 1998, 150 – Dior/Evora; Urt. v. 23.2.1999 – Rs. C-63/97, Slg. 1999, I-905 = GRUR Int. 1999, 438, 442 Tz. 51 f. = WRP 1999, 407 – BMW/Deenik).

Die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die Beklagten die installierte Software ändern oder ersetzten mußten, um die Mobiltelefone zu entsperren, bedarf keiner Klärung. Haben die Beklagten – wie die Klägerin behauptet hat – die installierte durch eine andere Software ersetzt, ist von einer Änderung der Eigenart der Mobiltelefone der Klägerin auszugehen, ohne daß es darauf ankommt, ob sich hierdurch die Funktion der Mobiltelefone verschlechtert hat. Denn die Produktänderung i.S. von § 24 Abs. 2 MarkenG erfordert nicht die Feststellung einer Verschlechterung der mit der Marke gekennzeichneten Originalware (vgl. BGH GRUR 1998, 696 – Rolex-Uhr mit Diamanten; OLG Köln GRUR 1998, 54, 56; OLG Hamburg GRUR 2001, 749, 751; Fezer aaO § 24 Rdn. 38; Ingerl/Rohnke aaO § 24 Rdn. 59). Doch auch wenn die Mobiltelefone – wie die Beklagten behaupten – ohne Eingriff in die installierte Software entsperrt worden sind, ist ebenfalls eine Veränderung der mit der Marke der Klägerin gekennzeichneten Mobiltelefone anzunehmen.

Auch in diesem Fall wird auf eine Eigenschaft der mit der Marke der Klägerin gekennzeichneten Mobiltelefone eingewirkt. Es wird ihr Verwendungszweck verändert, den die Markeninhaberin beim Inverkehrbringen der Mobiltelefone vorgesehen hat. Zu den Merkmalen, auf die sich die Garantiefunktion der Marke bezieht, gehört die von der Klägerin vorgesehene Sperrfunktion, deren Vorhandensein von den Betreibern von Mobilfunknetzen – wie der V. -, die zu den Kunden der Klägerin gehört, erwartet wird. Wird diese Sperrfunktion aufgehoben, reicht ein derartiger Eingriff in die Eigenschaften der Mobiltelefone der Klägerin aus, um die Erschöpfung nach § 24 Abs. 2 MarkenG auszuschließen. Denn der Verkehr erwartet, daß die Funktion und der Verwendungszweck der Mobiltelefone nach dem Inverkehrbringen nicht derart von einem Dritten ohne Zustimmung des Markeninhabers verändert worden sind.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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