Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Beschluss vom 10. April 2024 (5 StR 85/24) eine Revision des Angeklagten als unbegründet verworfen. Der Angeklagte wurde vom Landgericht Berlin wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren verurteilt. Ein zentraler Punkt dieser Entscheidung war die Anwendung und Auslegung der Hinweispflicht gemäß § 265 StPO.
Sachverhalt
Der Angeklagte war an einer körperlichen Auseinandersetzung beteiligt, die in der Tötung des Opfers durch Messerstiche endete. Im Vorfeld hatte sich der Zeuge B. mit dem Opfer zu einem Kampf verabredet und sich mit einem Küchenmesser bewaffnet. Der Angeklagte und andere Freunde begleiteten B. zum Treffpunkt. Während des Kampfes griff der Angeklagte das Opfer zuerst an, woraufhin B. das Opfer mit dem Messer verletzte, was letztlich zu dessen Tod führte.
Rechtliche Analyse
Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge
Das Landgericht Berlin verurteilte den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 4, 227 Abs. 1 StGB) in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231 Abs. 1 StGB). Der Angeklagte wurde als Mittäter angesehen, da er die Handlungen von B. unterstützte und billigte, insbesondere im Wissen um die Bewaffnung und die Todesdrohung von B.
Hinweispflicht gemäß § 265 StPO
Die Revision des Angeklagten rügte eine Verletzung der Hinweispflicht nach § 265 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 StPO. Diese Norm verpflichtet das Gericht, den Angeklagten auf Änderungen in der rechtlichen Bewertung oder neuen tatsächlichen Erkenntnissen hinzuweisen, um Überraschungsentscheidungen zu vermeiden und dem Angeklagten eine angemessene Verteidigung zu ermöglichen.
- Sachlage: Der Angeklagte wurde ursprünglich angeklagt, mit bedingtem Tötungsvorsatz das Opfer durch Messerstiche getötet zu haben. Während der Verhandlung ergaben sich Hinweise, dass die Messerstiche möglicherweise von B. ausgeführt wurden.
- Hinweise des Gerichts: Am 12. Hauptverhandlungstag wies der Vorsitzende darauf hin, dass eine Verurteilung wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung mit Todesfolge in Betracht komme, sollte nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte die Messerstiche ausgeführt habe. Am 14. Hauptverhandlungstag wurde dies nochmals erläutert.
- Erfüllung der Hinweispflicht: Der BGH stellte fest, dass der Hinweis des Vorsitzenden den Anforderungen des § 265 StPO genügte. Die tatsächlichen Grundlagen der neuen rechtlichen Würdigung waren dem Angeklagten und seinem Verteidiger aufgrund der bisherigen Verfahrensentwicklung klar. Der Hinweis war eindeutig und ausreichend, um eine angemessene Verteidigung zu ermöglichen.
So führte der BGH aus:
Nach § 265 Abs. 1 StPO hat das Gericht einen förmlichen Hinweis zu erteilen, wenn infolge einer anderen rechtlichen Beurteilung bei gleichbleibendem Sachverhalt oder wegen neuer Erkenntnisse in tatsächlicher Hinsicht eine Verurteilung wegen eines anderen als dem in der Anklage bezeichneten Strafgesetzes in Betracht kommt. Der Hinweis muss eindeutig sein und den Angeklagten und seinen Verteidiger in die Lage versetzen, die Verteidigung auf den neuen rechtlichen Gesichtspunkt einzurichten.
Daher muss für den Angeklagten und den Verteidiger aus dem Hinweis allein oder in Verbindung mit der zugelassenen Anklage nicht nur erkennbar sein, auf welches Strafgesetz nach Auffassung des Gerichts eine Verurteilung möglicherweise gestützt werden kann, sondern auch, durch welche Tatsachen das Gericht die gesetzlichen Merkmale des Straftatbestandes als möglicherweise erfüllt ansieht. Der Hinweis muss geeignet sein, dem Angeklagten Klarheit über die tatsächliche Grundlage des abweichenden rechtlichen Gesichtspunktes zu verschaffen und ihn vor einer Überraschungsentscheidung zu bewahren (…)
Fazit
Der BGH bestätigte, dass die gesetzliche Hinweispflicht gemäß § 265 StPO nicht verletzt wurde. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge und Beteiligung an einer Schlägerei war rechtlich nicht zu beanstanden. Der Beschluss verdeutlicht aber zugleich die Bedeutung einer klaren und umfassenden Hinweispflicht, um die Rechte des Angeklagten zu wahren und Überraschungsentscheidungen zu vermeiden.
Für die Praxis bedeutet dies, dass Gerichte verpflichtet sind, umfassende und klare Hinweise zu geben, wenn sich während des Verfahrens die rechtliche oder tatsächliche Grundlage ändert. Dies schützt die Verteidigungsrechte der Angeklagten und trägt zur Transparenz und Fairness des Strafverfahrens bei.
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