Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 20. Februar 2025 (Az. I ZR 46/24) eine weitreichende Entscheidung zur Zulässigkeit von Online-Marktplätzen für Apotheken getroffen. Im Zentrum stand die Frage, ob die Betreiber solcher Plattformen gegen das Verbot des Rezeptmakelns gemäß § 11 Abs. 1a ApoG verstoßen, wenn sie elektronische Rezepte übermitteln und dafür Gebühren verlangen.
Die Entscheidung ist für die Digitalisierung des Gesundheitswesens von großer Bedeutung, da sie die rechtlichen Grenzen für Plattformmodelle absteckt, die sich auf den Handel mit verschreibungspflichtigen und nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln spezialisieren. Der BGH stellte klar, dass die bloße Erhebung einer monatlichen Nutzungsgebühr nicht gegen das Rezeptmakelverbot verstößt, solange kein direkter Zusammenhang zwischen der Gebühr und der Vermittlung von Rezepten besteht.
Sachverhalt
Die Klägerin, ein niederländisches Unternehmen, betreibt eine Plattform, über die Apotheken Arzneimittel anbieten können. Für die Nutzung verlangt die Betreiberin eine monatliche Grundgebühr von 399 Euro sowie eine Transaktionsgebühr von 10 % des Nettoverkaufspreises für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel. Die Apothekerkammer Nordrhein sah darin einen Verstoß gegen das Verbot des Rezeptmakelns und klagte auf Unterlassung.
Das Landgericht Karlsruhe gab der Kammer zunächst recht. In der Berufung entschied das OLG Karlsruhe jedoch, dass das Geschäftsmodell hinsichtlich der monatlichen Grundgebühr zulässig sei, die Erhebung der Transaktionsgebühr für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel jedoch unzulässig bleibe. Der BGH hob dieses Urteil teilweise auf und verwies die Sache zurück.
Rechtliche Bewertung
1. Das Verbot des Rezeptmakelns nach § 11 Abs. 1a ApoG
§ 11 Abs. 1a ApoG untersagt es Dritten, sich für das Sammeln, Vermitteln oder Weiterleiten von Verschreibungen Vorteile gewähren zu lassen. Ziel ist es, die freie Apothekenwahl der Versicherten zu schützen und eine flächendeckende Versorgung durch wohnortnahe Apotheken sicherzustellen.
Der BGH präzisierte, dass ein schutzzweckrelevanter Zusammenhang zwischen der Vorteilsgewährung und der Vermittlung von Rezepten bestehen muss. Dies ist nur der Fall, wenn die Gebühren direkt an die Anzahl der vermittelten Rezepte anknüpfen. Da die monatliche Grundgebühr unabhängig von der Anzahl der Rezeptübertragungen erhoben wird, verneinte der BGH einen Verstoß gegen § 11 Abs. 1a ApoG.
Die Entscheidung verdeutlicht, dass das bloße Bereitstellen einer Plattform zur Übermittlung von E-Rezepten nicht automatisch als Rezeptmakeln zu qualifizieren ist, wenn die Gebührenstruktur neutral gestaltet ist.
2. Umsatzabhängige Gebühren für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel
Problematisch war hingegen die transaktionsabhängige Gebühr für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel. Das OLG Karlsruhe sah darin einen Verstoß gegen § 8 Satz 2 ApoG, der umsatzabhängige Vergütungen für die Überlassung von Vermögenswerten untersagt.
Der BGH hielt diese Sichtweise für zu pauschal. Maßgeblich sei, ob die transaktionsabhängige Gebühr geeignet sei, die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Apotheken zu gefährden. Die bloße Beteiligung am Umsatz einzelner Geschäfte reicht dafür nicht aus, solange nicht der gesamte Umsatz der Apotheke wesentlich von der Plattform abhängt.
Der BGH forderte das Berufungsgericht auf, genauer zu prüfen, wie hoch der Anteil des Plattformgeschäfts am Gesamtumsatz der Apotheken ist. Damit betonte er die Notwendigkeit einer einzelfallbezogenen Prüfung.
3. Bedeutung der Digitalisierung für das Apothekenrecht
Die Entscheidung des BGH reflektiert die Herausforderungen der Digitalisierung für das Apothekenrecht. Der Gesetzgeber hat mit § 11 Abs. 1a ApoG versucht, digitale Geschäftsmodelle zu regulieren, ohne dabei die Digitalisierung auszubremsen.
Der BGH stellte klar, dass das Verbot des Rezeptmakelns nicht dazu dienen darf, die Nutzung digitaler Marktplätze generell zu erschweren. Solange keine gezielte Einflussnahme auf die Apothekenwahl erfolgt, ist die digitale Vermittlung von Rezepten zulässig. Dies schafft Rechtssicherheit für Plattformbetreiber und Apotheken, die sich im digitalen Umfeld bewegen.
4. Abgrenzung zur Störerhaftung
Eine weitere Frage war, ob die Plattform als mittelbarer Störer haftet, wenn Apotheken über sie gegen apothekenrechtliche Vorschriften verstoßen. Der BGH verneinte dies mit dem Argument, dass die Plattform lediglich die Infrastruktur bereitstelle, die konkrete Verantwortung aber bei den Apotheken liege.
Damit zieht der BGH eine klare Grenze zwischen der Haftung für eigene Inhalte und der Störerhaftung für fremde Rechtsverstöße. Diese Klarstellung ist insbesondere für Plattformbetreiber bedeutsam, die sich auf die Vermittlung von Gesundheitsdienstleistungen spezialisieren.
Für die Praxis bedeutet das, dass Plattformen weiterhin Gebühren verlangen können, solange diese nicht an die Zahl der vermittelten Rezepte gekoppelt sind. Zugleich stärkt die Entscheidung die Position der Apotheken gegenüber Plattformbetreibern, indem sie die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Apotheken betont.
Fazit
Der BGH hat mit seinem Urteil klargestellt, dass das Rezeptmakelverbot zwar eine wichtige Schutzfunktion für die Apothekenwahl hat, aber nicht dazu dienen darf, die Digitalisierung des Gesundheitswesens zu behindern. Die Entscheidung schafft einen fairen Ausgleich zwischen dem Schutz der Apotheken und der Förderung digitaler Geschäftsmodelle.
Die Entscheidung des BGH schafft Rechtsklarheit für Betreiber von Apothekenplattformen und trägt zur Harmonisierung von Apothekenrecht und Digitalisierungsrecht bei. Sie stellt sicher, dass das Rezeptmakelverbot nicht missbraucht wird, um digitale Geschäftsmodelle zu behindern.
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