Für eine identifizierende Verdachtsberichterstattung ist mit klarstelleneder Rechtsprechung des BGH (VI ZR 1241/20) jedenfalls ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst „Öffentlichkeitswert“ verleihen, erforderlich. Dies gilt umso mehr im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens, wie der BGH nochmals hervorhebt.
Die Darstellung darf ferner keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten; sie
darf also nicht durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme
des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist.
Diese Grundsätze gelten auch für die Berichterstattung über Ermittlungsverfahren unter namentlicher Nennung des Beschuldigten, wobei der BGH hervorhebt, dass hier gerade das Risiko gesehen werden muss, dass auch bei späterem Freispruch in der öffentlichen Wahrnehmung trotzdem etwas haften bleiben wird:
In diesem Verfahrensstadium steht lediglich fest, dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, in der Regel ist aber nicht geklärt, ob der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Straftat begangen hat. Zwar gehört es zu den legitimen Aufgaben der Medien, Verfehlungen – auch konkreter Personen – aufzuzeigen (…)
Dies gilt auch für die Berichterstattung über eine Straftat, da diese zum Zeitgeschehen gehört und die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung von Rechtsgütern der betroffenen Bürger oder der Gemeinschaft grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter begründet (…) Besteht allerdings wie im Ermittlungsverfahren – erst der Verdacht einer Straftat, so sind die Medien bei besonderer Schwere des Vorwurfs angesichts des damit verbundenen
schwerwiegenden Eingriffs in die persönliche Ehre in besonderem Maße zu sorgfältigem Vorgehen verpflichtet (…) Dabei ist im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende und in Art. 6 Abs. 2 EMRK anerkannte Unschuldsvermutung die Gefahr in den Blick zu nehmen, dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt und deshalb im Fall einer späteren Einstellung des Ermittlungsverfahrens oder eines Freispruchs vom Schuldvorwurf „etwas hängenbleibt“ (…)
Das grundsätzliche Erfordernis einer Möglichkeit zur Stellungnahme soll sicherstellen, dass der Standpunkt des von der Verdachtsberichterstattung Betroffenen in Erfahrung und gegebenenfalls zum Ausdruck gebracht wird, der Betroffene also selbst zu Wort kommen kann. Dies setzt voraus, dass der Betroffene nicht nur Gelegenheit zur Stellungnahme erhält, sondern dass seine etwaige Stellungnahme auch zur Kenntnis genommen und der Standpunkt des Betroffenen in der Berichterstattung sichtbar wird.
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