Der BGH (VII ZB 29/16) hat zu den Kosten des selbständigen Beweisverfahrens klar gestellt:
Der Antragsteller hat in entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO grundsätzlich die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu tragen, wenn er den angeforderten Auslagenvorschuss, von dessen Einzahlung das Gericht die Beweiserhebung abhängig gemacht hat, trotz Erinnerung seitens des Gerichts nicht einzahlt und eine Beweiserhebung deshalb unterbleibt. Ist kein Hauptsacheverfahren anhängig, in dem diese Kostenfolge ausgesprochen wird, und haben die Parteien sich über die Kosten nicht geeinigt, ergeht eine solche Kostenentscheidung auf Antrag im selbständigen Beweisverfahren.
BGH, VII ZB 29/16
Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens sind dabei ein stetes Problem, da man genau abwägen muss, wie diese Geltend gemacht werden.
Prozessualer und materiell-rechtlicher Erstattungsanspruch
Ein bestehender prozessualer Kostenerstattungsanspruch steht dabei einer Geltendmachung von Kosten des selbständigen Beweisverfahrens als materiellem Schadensersatzanspruch im Einzelfall nicht entgegen – wenn sich die Geltendmachung der Kosten des Beweisverfahrens im Rahmen der Kostenentscheidung des Hauptsacheverfahrens nicht als der einfachere Weg darstellt:
Zwar kann die Durchsetzung eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs eingeschränkt sein, soweit die geltend gemachten Kosten mit denjenigen Kosten identisch sind, die im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden können oder geltend gemacht werden (BGH, BauR 2018, 551, 552). So gilt im Grundsatz, dass Kosten eines selbständigen Beweisverfahrens, soweit sie zu den Kosten des Hauptsacheverfahrens gehören, nicht gesondert im Hauptsacheprozess eingeklagt werden können (BGH, NJW-RR 1989, 980, 981). Diese Einschränkung der Durchsetzung des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs dient unter anderem dazu, Unterschiede zwischen einer auf gleichem Sachverhalt beruhenden Entscheidung über den materiell-rechtlichen Anspruch einerseits und den prozessualen Kostenerstattungsanspruch andererseits zu vermeiden und räumt insoweit dem prozessualen Kostenerstattungsanspruch im Grundsatz den Vorrang ein, sofern der Prozess geführt wird oder geführt worden ist (BGH, NJW-RR 2010, 674, 675; BauR 2018, 551, 552 f.). Der Vorrang des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs vor dem materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch gilt jedoch nicht absolut (vgl. BGH, NJW-RR 2010, 674, 675; BauR 2018, 551, 553 Rn. 20).
Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Geltendmachung des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs kann ausnahmsweise zu bejahen sein, wenn der Weg über das Kostenfestsetzungsverfahren nicht zweifelsfrei als erfolgversprechend erscheint, etwa weil der Kostengläubiger wegen des formalisierten Charakters des Kostenfestsetzungsverfahrens nicht sicher sein kann, seinen Kostenerstattungsanspruch in diesem durchsetzen zu können (OLG Düsseldorf, BauR 2022, 1235, 1236; BeckOK ZPO/Jaspersen, a.a.O., § 91 Rn. 42; BeckOK ZPO/Kratz, a.a.O., § 494a Rn. 21; s. auch BGH, NJW 1990, 2060, 2061; OLG Dresden, NJW-RR 2003, 305, 306).
Oberlandesgericht Köln, 11 U 247/21
Es ist also eine Ausnahme gegeben, wenn sich der materielle Anspruch ebenfalls gegen weitere Beklagte richtet, die am Beweisverfahren nicht beteiligt waren. In dieser Konstellation ist der materielle Anspruch ohnehin Gegenstand des Rechtsstreits. Zudem kann die gesamtschuldnerische Verbundenheit der Ansprüche gegen die Beklagten im Rahmen der Kostenentscheidung nicht berücksichtigt werden.
Auswirkung von Kostenbeschluss?
Einem materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch steht grundsätzlic auch nicht ein Kostenbeschluss gemäß § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO entgegen:
Eine prozessuale Kostenentscheidung ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht erschöpfend, sondern lässt grundsätzlich noch Raum für die Durchsetzung materiell-rechtlicher Ansprüche auf Kostenerstattung etwa aus Vertrag, wegen Verzugs oder aus unerlaubter Handlung. Dieser materiell-rechtliche Anspruch kann dabei je nach Sachlage neben die prozessuale Kostenregelung treten und ihr sogar entgegengerichtet sein, sofern zusätzliche Umstände hinzukommen, die bei der prozessualen Kostenentscheidung nicht berücksichtigt werden konnten. Bleibt hingegen der Sachverhalt, der zu einer abschließenden prozessualen Kostenentscheidung geführt hat, unverändert, geht es nicht an, nunmehr den gleichen Sachverhalt erneut zur Nachprüfung zu stellen und in seinen kostenrechtlichen Auswirkungen materiell-rechtlich entgegengesetzt zu beurteilen (BGH, NJW 2011, 2368, 2369; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2006, 571, 572; s. auch BeckOK ZPO/Jaspersen, 45. Ed., Stand: 01.07.2022, § 91 Rn. 44, 45.6; MünchKommZPO/Schreiber, 6. Aufl. 2020, § 485 Rn. 36).
Oberlandesgericht Köln, 11 U 247/21
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