Zivilrechtliche Regelungen zur Abmilderung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie

Vertragsrechtliche Änderungen in Zeiten von COVID19: Der Gesetzgeber hat Ende März 2020 reagiert und am 28. März 2020 wurde ein Gesetz verkündet, mit dem die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie in zivilrechtlicher Hinsicht abgemildert werden sollen. Es gilt nun temporär, bis zum 30. Juni 2020, sozusagen der „zivilrechtliche Ausnahmezustand“, bei dem ich schon jetzt erhebliches zukünftiges Streitpotential absehe. Geregelt werden: Ein allgemeines vertragsrechtliches Zurückbehaltungsrecht, eine Sonderregelung für das Mietrecht und eine Sonderregelung für das Darlehensrecht.

Im Folgenden erhalten Sie einen kurzen Überblick, wobei natürlich jegliche Erfahrung im Umgang mit diesen Regelungen existiert. Auch habe ich Detailfragen bewusst aussen vor gelassen. Aus meiner Sicht gilt nun umso mehr: Vertragsparteien sollten miteinander reden und gütliche vertragliche Einigungen finden, die beide Seiten ausgewogen berücksichtigen, dies wird in jedem Fall für alle Beteiligten deutlich wirksamer sein, als sich alleine auf Basis dieser gesetzlichen Regelungen zu streiten! Die verkündete Fassung finden Sie hier.

Allgemeines vertragliches Zurückbehaltungsrecht wegen Corona-Pandemie

Unter der Überschrift „Moratorium“ findet sich in Art. 240 §1 EGBGB – was nichts anderes als „Aufschub“ bedeutet – ein allgemeines Leistungsverweigerungsrecht, das temporär bis zum 30. Juni 2020 existiert und sowohl für Verbraucher als auch für Kleinstunternehmen besteht. Hier mit können Leistungen zur Erfüllung eines Anspruchs verweigert werden, der im Zusammenhang mit einem Vertrag steht, der ein Dauerschuldverhältnis ist und vor dem 8. März 2020 geschlossen wurde. Das Leistungsverweigerungsrecht besteht in Bezug auf alle wesentlichen Dauerschuldverhältnisse, während im Übrigen die persönlichen Voraussetzungen zwischen Verbraucher und Kleinstunternehmen dann variieren.

Nicht betroffen von dieser Regelung sind Miete & Pacht, Darlehen und das Arbeitsrecht!

Wesentliche Dauerschuldverhältnisse

Das Leistungsverweigerungsrecht besteht ausdrücklich nur hinsichtlich „wesentlicher Dauerschuldverhältnisse“. Wesentlich sind ausweislich der Gesetzesbegründung solche Dauerschuldverhältnisse, die

  1. zur Eindeckung mit Leistungen der Daseinsvorsorge erforderlich sind (Verbraucher) oder
  2. die zur Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung des Erwerbsbetriebs erforderlich sind (Kleinstunternehmen).

Hierzu sollen etwa Pflichtversicherungen, Verträge über die Lieferung von Strom und Gas oder über Telekommunikationsdienste oder soweit zivilrechtlich geregelt auch Verträge über die Wasserver- und -entsorgung gehören. Letztlich kommt es auf den Einzelfall an.

Sämtliche Ansprüche erfasst

Vorsicht: Vom Anwendungsbereich des Leistungsverweigerungsrechts werden grundsätzlich auch Rückgewähransprüche, vertragliche Schadensersatzansprüche und Aufwendungsersatzansprüche erfasst – soweit sie vor Inkrafttreten der Regelung entstanden sind. Diese Ansprüche sind ausweislich der Gesetzesbegründung auch Ansprüche „im Zusammenhang mit einem Vertrag“ stehen.

Voraussetzungen für Verbraucher

Bei Verbrauchern gilt das Leistungsverweigerungsrecht in Bezug auf Verbraucherverträge (siehe § 310 Absatz 3 BGB), wenn ihnen die Leistung nicht möglich wäre, ohne ihren Lebensunterhalt oder den Lebensunterhalt ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen zu gefährden.

Voraussetzungen für Unternehmen

Kleinstunternehmen steht ein Leistungsverweigerungsrecht zu, wenn infolge von Umständen, die auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind

  1. das Unternehmen die Leistung nicht erbringen kann oder 
  2. dem Unternehmen die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebs nicht möglich wäre.

Achtung: Das Leistungsverweigerungsrecht besteht ausdrücklich nicht nur hinsichtlich Entgeltforderungen sondern auch im Bereich von Dienstleistungen!

Leistungsverweigerungsrecht muss als Einrede erhoben werden

Dieser Aspekt ist Wichtig und zu Betonen: Das Leistungsverweigerungsrecht muss – wie sonst auch! – einredeweise geltend gemacht werden. Der Schuldner, der wegen der COVID-19-Pandemie nicht leisten kann, muss sich also ausdrücklich auf das Leistungsverweigerungsrecht berfen und auch belegen – also im Streitfall auch Beweisen! – dass er gerade wegen der COVID-19-Pandemie nicht leisten kann bzw. die oben bewusst hervorgehobenen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Ausübung des Leistungsverweigerungsrecht auch tatsächlich gegeben waren. Vor diesem Hintergrund ist die Sache undankbar, beide Parteien wissen jetzt gerade nicht, wie später ein Gericht dies beurteilen wird und ob die sehr hohen Beweisregeln eingehalten werden können.

Im Gesetz wurde dabei keine Vermutung formuliert, so dass der Schuldner von keiner Beweiserleichterung profitiert! Durchaus ist zu sehen, dass Gerichte gerade bei Verbrauchern, spätestens wenn sie Kurzarbeit oder gar Arbeitsplatzverlust darlegen, zumindest ein qualifiziertes Bestreiten des Vertragspartners fordern. Das macht es aber nur noch komplexer: Es bleibt man Rat – Reden Sie miteinander, Vertragspartner sollten jetzt zu gerosszügigen Zugeständnissen bereit sein!

Ausschluss des Leistungsverweigerungsrechts

Es gibt übrigens eine Ausnahme, die den Streitfaktor nur noch mehr erhöht: Wenn sich die Interessen gleichgelagert gegenüberstehen. Heisst, wenn die Leistungserbringung für den Schuldner so Existenzbedrohend ist, wie der Leistungsausfall für den Gläubiger soll die Leistungsverweigerung ausgeschlossen sein.

Mietrecht: Beschränkung des Kündigungsrechts wegen Corona

Kündigung im Mietrecht während Corona-Pandemie: Auch im Mietrecht muss zur Vorsicht aufgerufen werden, denn hier gilt gerade kein Moratorium sondern alleine ein Ausschluss der Kündigungsmöglichkeiten – für Verbraucher wie Gewerbemieter gleichsam – wie Folgt:

Der Vermieter kann ein Mietverhältnis über Grundstücke oder über Räume nicht allein aus dem Grund kündigen, dass der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. 

Art. 240 §2 EGBGB

Die Kündigung ist damit ausgeschlossen – bis zum 30. Juni 2022, wenn dann die Rückstände noch in einer Höhe bestehen, die zur Kündigung berechtigen, kann gekündigt werden. 

Hier gilt wohl eine Beweiserleichterung, da der Mieter lediglich den Zusammenhang zwischen COVID-19-Pandemie und Nichtleistung glaubhaft zu machen hat – was aber holprig formuliert ist! So wurde hier ein gesetzlicher und befristeter Ausnahmetatbestand geschaffen, der zwingend zu beachten ist – es liegt also gerade keine Einrede vor, die erst erhoben werden muss. Insoweit ist nicht ganz deutlich – und ergibt sich auch nicht aus der Gesetzesbegründung – ob der Vermieter den Mieter erst anhören muss vor Aussprache einer Kündigung (wofür vieles sprechen würde bei sachgerechter Auslegung) und hier dann glaubhaft zu machen ist; oder ob alleine im Streitfall bis hin zum Mietprozess die Glaubhaftmachung dann vorzunehmen aber auch ausreichend ist.

Da jedenfalls aber ein gesetzlicher Ausnahmefall vorliegt muss auch der stoisch schweigende Mieter im Zivilprozess mit dem Vorbringen gehört werden, selbst wenn er sich dort erstmals äussert. Prozessual wäre dies wohl am ehesten so zu verstehen, dass der Vermieter in der bereits vorträgt, die Kündigung beruhe nicht auf einem auf der Corona-Pandemie ursächlichen Zahlungsverzug. Hierauf muss der Mieter dann qualifiziert erwidern, wobei die Glaubhaftmachung genügend ist.

Auch hier gilt wieder: Ein mit heisser Nadel gestricktes Gesetz, das beide Parteien dazu zwingend, am besten frühzeitig zu reden. Da ausdrücklich die Miete nicht gestundet wird sondern nur die Kündigung ausgeschlossen ist, entstehen sowohl weiterhin Verzug als auch schnell erhebliche Rückstände. Ein realistischer geeigneter Zahlungsplan, den Mieter und Vermieter treffen bei im Übrigen Klarheit über das weitere Vorgehen erscheint am sinnvollsten.

Darlehen und Corona – Stundung

Stunden von Darlehen wegen Corona-Pandemie: Im Darlehensrecht wurde durch Art. 240 §3 EGBGB nur eine Regelung für Verbraucherkreditverträge geschaffen. Hier gilt, dass sämtliche Ansprüche des Darlehensgebers auf Rückzahlung, Zins- oder Tilgungsleistungen, die zwischen dem 1. April 2020 und dem 30. Juni 2020 fällig werden, mit Eintritt der Fälligkeit für die Dauer von drei Monaten gestundet werden. Betroffen sind aber nur Darlehensverträge, die vor dem 15. März 2020 abgeschlossen wurden.

Dabei sind Verbraucher und Darlehensgeber gehalten, eine individuelle Regelung für diese 3 Monate zu schaffen – jedenfalls von vielen Banken weiss ich, dass man von sich aus entsprechende Programme anbieten möchte. Sollte der Verbraucher weiter zahlen wollen, kann er das natürlich tun. Sollte er nicht zahlen und sollte keine ausdrückliche Einigung gefunden werden wie man damit umgeht, verlängert sich der Vertrag schlicht um die entsprechenden Monate der Zahlungsaussetzung (siehe hier Absatz 5!).

Während dieser Phase sind Kündigungen des Darlehensgebers wegen Zahlungsverzugs, wegen wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Verbrauchers oder der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit ausgeschlossen. Eine anderweitige Vereinbarung kann auch vertraglich nicht getroffen werden!

Anmerkung: Der Regelung ist anzumerken, dass sie unter kurzer Zeit und hohem Druck geschaffen wurde – gleichwohl schafft sie für Verbraucher Luft! Insbesondere laufen keine erheblichen Rückstände auf (wie bei der Miete), weil sich der Vertrag im Zweifel einfach nach hinten um die verlängert. Verbraucher müssen also wegen Ihrer bestehenden Darlehens-Verbindlichkeiten keine Panik haben wenn gerade das Einkommen wegbrachte. Aber auch hier gilt: Reden Sie mit Ihrer Bank. Ich rechne damit, dass die meisten Banken in den nächsten Tagen von sich aus Angebote bereit halten, um zielgerichtet kurzerhand die Verträge bei Vertragslaufzeitverlängerung um 3 Monate zu stunden.

Arbeitsrecht


Nur der Vollständigkeit halber nochmals: Es gibt keine weiteren Regelungen im Arbeitsrecht! Der Gesetzgeber meint ausdrücklich, dass die bisherigen Regelungen ausreichen, was bedeutet, der soll über sein bisher schon bestehendes Leistungsverweigerungsrecht nachdenken wenn er nicht bezahlt wird und der Arbeitgeber soll über Kurzarbeit nachdenken.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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