Zur Haftung eines Tätowierers beim Auftreten einer Hauterkrankung nach Tätowierung

Die einer Kundin gegen ihren Tätowierer auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen des Auftretens von entzündlichen Hautveränderungen nach einer am rechten Unterschenkel wurde abgewiesen. Der Beklagte hatte beim Tätowieren keine Pflichten verletzt.

Sachverhalt
Die Klägerin ließ sich im Jahr 2008 vom späteren Beklagten in dessen Tattoo-Studio tätowieren. Sechs Monate danach trat im Bereich einer rotvioletten Farbgestaltung eine entzündliche Hautveränderung auf. Dieser Hautbereich musste nach längerer ärztlicher Behandlung entfernt werden. Der Tätowierer hatte seiner Kundin den im betroffenen Hautbereich verwendeten Farbtyp, die Herstellerfirma, die Artikelnummer und die genaue Farbbezeichnung der Tätowierfarbe mitgeteilt, nachdem sie dies von ihm verlangt hatte.
Die Klägerin wollte vom Tätowierer 6.000,00 Euro Schmerzensgeld und über 1.800,00 Euro Schadensersatz. Sie behauptete, die Tätowierung sei nicht nach den Regeln der Kunst durchgeführt worden. Auch hätte sie der Tätowierer zuvor nicht ausreichend aufgeklärt. Dem Beklagten hätte bekannt sein müssen, dass brillante Farben, wie rotviolett, Pigmente aus Autolacken enthielten und diese immer wieder Hautirritationen auslösen würden. Auch behauptete die Klägerin, dass die Tätowierfarben verunreinigt gewesen seien und Schimmelpilze und Bakterien enthalten hätten. Der Beklagte hätte überhaupt unhygienisch gearbeitet. Auch hätte er die Chargennummer der von ihm verwendeten Farben nicht mitteilen können.
Der Beklagte verteidigte sich damit, dass die von ihm eingesetzten Tätowierfarben schon längere Zeit ohne Probleme von ihm verwendet worden seien. Die Hautveränderung sei in einer Erkrankung der Klägerin bereits vor der Tätowierung begründet. Die übrigen Vorwürfe seiner Kundin wies der Tätowierer entschieden zurück.

Pressemitteilung des Gerichts

Gerichtsentscheidung
Die Klage der Tätowierten vor dem Landgericht Coburg blieb erfolglos.
Mittels zweiter Hochschullehrer als Sachverständige kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass vor Inkrafttreten der sogenannten Tätowiermittelverordnung am 01.05.2009, also nach der Tätowierung der Klägerin, kaum gesetzliche Vorschriften bestanden hätten. Die damals bestehenden Vorschriften enthielten jedenfalls keine Regelungen, die Tätowierer verpflichten, eine Dokumentation über ihre Tätigkeit zu erstellen. Auch wies das Gericht darauf hin, dass den Tätowierer keine Aufklärungspflicht entsprechend der eines Arztes treffen würde.
Es sei allgemein bekannt, dass Tätowierungen ein gewisses Risiko, insbesondere der Infektion der betroffenen Hautteile, aufweisen würden. Hierüber bedarf es keiner besonderen Aufklärung, zumal sich die Klägerin bereits viermal zuvor hatte tätowieren lassen. Der Tätowierer durfte sich auch auf die ihm vorliegenden Herstellerinformationen über den verwendeten Farbton verlassen. Keinesfalls war er verpflichtet, selbst aufwändige und teuere Laboruntersuchungen über die Farben zu veranlassen. Ein Verstoß gegen Hygieneregeln und eine unsachgemäße Aufbewahrung der Farben konnte die Klägerin nicht nachweisen. Gegen diese Behauptungen sprach auch, dass die Hautreaktion nur im Bereich der violettroten Farbe aufgetreten ist.
Abschließend stellte das Gericht fest, dass eine Tätowierung zwar grundsätzlich eine darstellt. In diese hatte die Klägerin aber eingewilligt. Daher muss der Tätowierer auch nicht für Schäden, die durch die Tätowierung entstanden sind einstehen. Deswegen wies das Landgericht die Klage der Kundin ab.

Fazit
Wer sich ein Tattoo stechen lässt, nimmt Schmerzen und Gefahren in Kauf. Sobald sich diese Gefahren verwirklichen, kann man dafür nicht einfach den Tätowierer verantwortlich machen.

Landgericht Coburg, Urteil vom14.02.2012, Az. 11 O 567/10, rechtskräftig
Quelle: Pressemitteilung des Gerichts

Aus der Entscheidung des Gerichts

Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche, gerichtet auf Schadensersatz, angemessenes Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für zukünftige materielle und immaterielle Schäden auf Grund der gegenständlichen Tätowierung sind nicht aus Deliktsrecht gemäß §§ 823 Abs. 1, Abs. 2253 Abs. 1, 2 BGB i. V. m. § 223 StGB begründet.

Ausgehend von dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens, dass die vom Beklagten bei der gegenständlichen Tätowierung der Klägerin am Unterschenkel eingesetzte Farbe violett-rot, im Rahmen der Tätowierung des Spiralkabels, die entzündliche Hautreaktion (Pseudolymphom) in diesem Tätowierungsareal bei der Klägerin ausgelöst hat, liegt jedoch kein zum Schadensersatz verpflichtendes deliktisches Handeln des Beklagten vor.

Vielmehr ist die tatbestandsmäßig als Körperverletzung zu qualifizierende deliktische Handlung des Tätowierens durch den Beklagten als eine durch die wirksame Einwilligung der Klägerin gerechtfertigte Körperverletzung zu werten.

Diese Einwilligung liegt darin, dass die Klägerin den Beklagten mit der grundsätzlich eine Körperverletzungshandlung darstellenden konkreten Tätowierung, also mit dem Stechen mit Nadeln in die Haut ihres Körpers, beauftragt hat. Diese Beauftragung und Einwilligung erfährt als solche, aufgrund des grundsätzlich geringen Gewichts des Verletzungsumfanges durch eine Tätowierung keine Mißbilligung durch unsere Rechtsordnung. Somit ist das entsprechende Handeln des Beklagten gerechtfertigt.

Das Tätowieren durch den Beklagten steift sich nicht aus dem Gesichtspunkt heraus als rechtswidrig dar, dass es deswegen an einer wirksamen Einwilligung der Klägerin gegenüber dem Beklagten in die Körperverletzungshandlung fehlen würde, weil der Klägerin vor der Tätowierung keine ausreichende, gebotene Aufklärung durch den Beklagten zuteil geworden wäre, die es ihr ermöglicht hätte, ihr Selbstbestimmungsrecht umfassend und in Kenntnis möglicher Gefahren und Risiken der Tätowierung auszuüben

Zur Begründung hierfür verweist die Kammer auf die vorstehenden Ausführungen unter Ziffer I. der Entscheidungsgründe zur Verneinung einer näheren Aufklärungsverpflichtung des Beklagten als Tätowierer gegenüber der Klägerin als seiner Auftraggeberin.

Eine umfassende, nähere Aufklärungsverpflichtung des Beklagten als Tätowierer, insbesondere vergleichbar mit der Verpflichtung eines Arztes vor Durchführung eines ärztlichen Heileingriffs, besteht vorliegend nicht.

Auch waren dem Beklagten besondere gesundheitsgefährdende Risiken für die Klägerin im Zusammenhang mit der durchzuführenden Tätowierung nicht bekannt und hätten ihm, wie bereits ausgeführt, auf Grund der vorliegenden Herstellerinformationen zu den verwendeten Tätowierfarben auch nicht bekannt sein müssen.

Ein sonstiges pflichtwidriges Handeln des Beklagten bei Vornahme der gegenständlichen Tätowierung, das gleichzeitig eine deliktische Handlung darstellte, liegt unter Bezugnahme auf die vorstehenden Ausführungen hierzu unter Ziffer I. der Entscheidungsgründe nicht vor.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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