Widerrufsrecht auch bei Vertragsänderung?

Auch wenn bestehende Verträge geändert werden, steht ein Widerrufsrecht zu – wer also einen Vertrag „verlängert“, kann da eventuell trotzdem wieder „raus“ kommen. Die in der TK-Branche typischen Vertragsverlängerungen am Telefon bei ordentlich gekündigten Verträgen zur Bindung von Kunden funktioniert damit nicht wie bisher.

Die Verbraucherzentrale Bundesverband weist aktuell auf eine Entscheidung des OLG Koblenz (9 U 1166/11) hin, derzufolge ein Widerrufsrecht für Verbraucher nicht nur bei Neubegründung eines Vertrages via Fernabsatz besteht, sondern auch dann, wenn ein bestehender Vertrag in „wesentlichen Punkten“ verändert wird. Es ging hier um den typischen Fall: Der Kunde hat einen Vertrag ordentlich gekündigt, auf Grund des Anrufs des TK-Anbieters dann aber den Vertrag in inhaltlich veränderter Form (16.000er DSL statt 6000er) weiter laufen lassen.

Inhaltlich ist die Entscheidung ohne vorliegende Gründe noch schwer zu bewerten. Die Grundaussage jedenfalls begegnet hier keinen Bedenken: Wenn ein Vertrag in „wesentlichen Punkten“, also z.B. hinsichtlich der vereinbarten Leistung, verändert wird, liegt deFacto ein neuer Vertrag vor, auch wenn formal nur ein bestehender Vertrag „verändert“ wird. Schon von der Schutzrichtung her sind solche Vertragsänderungen mit einem erneuten Widerrufsrecht zu versehen.

Interessant werden allerdings Veränderungen, die nicht die essentiellen Vertragsbestandteile (also vor allem die Vertragspflichten) betreffen. Wenn also z.B. ein bestehender Vertrag hinsichtlich der Leistungen nicht verändert wird, aber ausdrücklich eine längere Laufzeit vereinbart wird, ggfs. in Verbindung mit irgendeiner Zugabe (Vertragsverlängerung wird mit neuem Handy „belohnt“). Hier nur auf die neu begründete Verpflichtung des Verbrauchers abzustellen, würde zu kurz greifen, da das Widerrufsrecht zu einem wesentlichen Teil den Verbraucher davor schützt, mit einer unbekannten Leistung konfrontiert zu werden.

Insgesamt wird die Entscheidung des OLG zu begrüßen sein. Spannend bleibt letztlich, welche Schlüsse sich daraus insgesamt ziehen lassen. Die Falle dabei: Wer über ein bestehendes Widerrufsrecht nicht belehrt, hat das Problem dass Kunden im schlimmsten Fall ohne Frist widerrufen können. Ein faktisch jederzeit bestehendes „Kündigungsrecht“ steht damit im Raum. Die bisherige Masche, Kunden mit ordentlich gekündigten Verträgen in Vertragsverlängerungen zu locken, wird damit sehr unattraktiv.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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