Telekommunikationsvertrag: Anrechnung ersparter Aufwendungen bei vorzeitiger Kündigung

Wenn der Kunde eine gewisse Zeit mit seinen Zahlungen in Verzug ist gehen Telekommunikationsanbieter den Weg, irgendwann die vorzeitige Kündigung des Vertrages zu erklären. Es stellt sich dann schnell die Frage, in welcher Höhe den Providern ein Schadensersatz zusteht – schliesslich sind Einnahmen entgangen, speziell in Form der monatlichen Grundgebühr, mit denen der Provider sonst rechnen könnte. Das Amtsgericht Münster (48 C 2904/15) hat hierzu festgestellt, dass man sich einen 50%igen Abzug gefallen lassen muss.

Abzug ersparter Aufwendungen

Es ist ein allgemeiner Grundsatz des Schadensersatzrechts, dass man sich beim denkbaren Schadensersatz der Höhe nach anrechnen lassen muss, was man im Gegenzug auch an Ersparnis hatte. Wenn man etwa eigene Aufwendungen (und damit Kosten) spart, die mangels Vertrag nicht mehr erbracht werden müssen sonst aber den Gewinn geschmälert hätten, ist nicht einzusehen, warum dies im Schadensersatz erfasst sein soll.

Schwierig bei Massen-Verbraucherverträgen

Immer häufiger sehen Gerichte Abzüge bei vorzeitig beendeten TK-Verträgen vor – etwa das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg, hier bei uns.

In vielen Bereichen der Verbraucherverträge ist dies aber gar nicht so einfach – wenn etwa eine bestehende Infrastruktur verwendet wird, ist nicht ganz ersichtlich, wo eigentlich eine konkrete Ersparnis vorliegen soll. Eben dieses Argument führen auch TK-Provider gerne an, um eine Schmälerung des entgangenen Umsatzes zu verhindern. Gleichwohl erkennen immer häufiger Gerichte eine Kürzung.

Berechnung des Schadensersatzes der Höhe nach

Ein häufiger erster Streitpunkt sind von dem Anbieter gewährte Rabatte. Die Provider verweisen – durchaus nachvollziehbar – darauf, dass Boni oder Rabatte nur für vertragstreue Kunden gedacht sind und dies eben nicht dem vertragsbrüchigen zu Gute fliessen soll, dem man kündigen musste. Das Gericht verweist hier allerdings darauf, dass diese wertende Betrachtung hier fehl am Platz ist:

Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, der „Rabatt auf Basispreis“ sei nicht in Abzug zu bringen, da dieser Rabatt nur vertragstreuen Kunden gewährt würde, geht dies fehl. Vorliegend ist zu ermitteln, welcher Schaden der Klägerin durch die vorzeitige Vertragsbeendigung eingetreten ist. Wenn der Vertrag nicht vorzeitig beendet worden wäre, hätte die Klägerin gegen die Beklagte in Höhe des gewährten Rabatts keinen Anspruch; mithin hat sie durch vorzeitige Vertragsbeendigung insoweit auch keinen Schaden erlitten.

Der nächste Diskussionspunkt liegt auf der Hand: Heute werden regelmäßig Pauschalangebote in Anspruch genommen („Flatrates“), die auf einer einheitlichen (Misch-)Kalkulation des Providers beruhen. TK-Provider verweisen gerne hierauf und wollen damit ersparte Aufwendungen verneinen. Das AG Münster führt recht ausführlich und durchaus nachvollziehbar aus, warum gleichwohl ein (abstraktes) Ersparnis beim Provider liegt. Hier kommt dann der §287 ZPO ins Spiel, der eine des Gerichts der Höhe nach ermöglicht, also keine konkrete Berechnung fordert:

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist neben der von dieser vorgenommenen Abzinsung ein weiterer Abzug anzusetzen. Das Gericht schätzt die ersparten Aufwendungen gemäß § 287 ZPO auf mindestens 50 % der Grundgebühr sowie des Paketpreises für Telefonie- und Datendienste (…)

Zwar ist der Klägerin grundsätzlich zuzustimmen, dass sie ungeachtet des Wegfalls eines Mobilfunkkunden weiterhin verpflichtet ist, ihren übrigen Kunden das Mobilfunknetz zur Verfügung zu stellen, weshalb auf den ersten Blick angenommen werden könnte, dass der „Wegfall“ eines Kunden auf die Aufwendungen der Klägerin keinen Einfluss hat. Dabei wird aber verkannt, dass neben der vertraglichen Pflicht der Klägerin, ihr Mobilfunknetz zur Verfügung zu stellen, also dem Kunden die Erreichbarkeit zu ermöglichen, auch die Pflicht entfällt, dem Kunden im Rahmen des gebuchten Paketes die Nutzung von Telefonie- und Datendiensten zu ermöglichen. Während bei ersterem sicherlich ein spürbarer Vorteil für die Klägerin durch den Wegfall des Kunden nicht vorliegt, da ein eingebuchtes Mobiltelefon, mit welchem keine Telefonie- und Datendienste genutzt werden, das Mobilfunknetz als solches nicht belastet, dürfte dies hinsichtlich des Entfalls der Nutzung des Netzes in Form von Telefonie- und Datennutzung anders sein. Insoweit dürfte als allgemein bekannt gelten, dass durch intensive Inanspruchnahme von Mobilfunknetzen diese schnell überlastet sind, was insbesondere bei größeren Menschenansammlungen und an besonderen Tagen wie Silvester etc. bemerkbar ist.

Gerade in Gegenden, in denen besonders viele Personen ihr Mobiltelefon intensiv nutzen, ist der Abfall der Leistung vornehmlich in der Geschwindigkeit der Datennutzung deutlich spürbar. Nicht anders ist auch zu erklären, dass Mobilfunkanbieter auch in den Verträgen, in denen eine „Flatrate“ angeboten wird, gleichwohl ab Erreichen einer Schwelle die Geschwindigkeit der Datennutzung erheblich reduziert wird, um eine Überlastung des Netzes zu verhindern. Daraus kann jedoch nur geschlossen werden, dass auch die Nutzung des Einzelnen zu einer erheblichen Belastung des Netzes führt, die im Ergebnis wiederum den Ausbau des konkreten Netzes durch den Mobilfunkbetreiber erfordert. Wäre es für den Mobilfunkbetreiber tatsächlich ohne Auswirkung, in welchem Umfang Kunden sein Netz nutzen, so gäbe es keine Reduzierung der Datengeschwindigkeiten; eine entsprechende Vertragsklausel wäre mithin überflüssig.

Im Ergebnis steht somit eine Kürzung der Kosten um 50%. Die Entscheidung ist nicht die einzige dieser Art, von gefestigter Rechtsprechung kann aber noch nicht gesprochen werden.

Weitere Entscheidungen

Es gibt weitere Entscheidungen zu diesem Themenbereich, die entsprechende Kürzungen vorsehen.

  • AG Münster, vom 07.03.2014, – 5 C 4022/13 –
  • AG Bremen, Urteil vom 22.11.2013, – 25 C 0215/13
  • AG Münster, Urteil vom 10.07.2013, – 48 C 980/13 –
  • AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg, Urteil vom 05.09.2012, – 24 C 107/12
  • AG Hamburg, Urteil vom 15.07.2011, – 822 C 182/10
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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