Telefonrechnung: Anschlussinhaber haftet nicht für hohe Kosten durch Benutzung der Kinder

Ein sehr alltägliches Thema beschäftigt seltsamerweise eher selten die Gerichte: Wie geht man damit um, wenn ein minderjähriges Kind über den Anschluss der Eltern hohe Kosten verursacht? Dies kann etwa geschehen durch Mehrwertdienstenummern, die bis heute im Einsatz sind, nicht zuletzt im Rahmen von Computerspielen als Zahlmittel. Und natürlich – darum ging es beim Amtsgericht Bocholt, 4 C 26/14 – wenn es um den Bereich der Erotik oder Sex-Hotlines geht.

Das Amtsgericht hat entschieden, dass Eltern eben nicht pauschal für Kosten verursacht durch die Kinder haften. Dabei soll Eltern weder ein ständiges Überwachen der Kinder zumutbar sein, noch sollte man eine umfassende Anrufsperre für solche Nummern einrichten müssen.

Im Folgenden aus der Entscheidung zur Haftung des Telefonanschlussinhabers für die Nutzung von Mehrwertdiensten durch seine minderjährigen Kinder. Es gilt dabei im Fazit: Erhebliches Verteidigungspotential, zumal das Landgericht die Berufung zurückweisen wollte (LG Münster, 03 S 191/14)

Dazu auch bei uns: Entscheidung des AG Hamburg

Zum Vertragsschluss

Bemwerkenswert ist, dass die Klägerin schon nicht in der Lage war, den notwendigen Vertragsschluss zu beweisen. Hier fehlte es letztlich wohl wirklich an allem, was man erwarten darf in einem Prozess:

Bereits im Termin vom 11.09.2014 hat das Gericht darauf hingewiesen, dass es zu einer Substantiierung der gehört, dass der Kläger darlegt, welche Rufnummern angerufen worden sind, welcher Anbieter dahinter steht und welche Leistungen vom Anbieter erbracht worden sind. Die Darstellung, was konkret Vertragsgegenstand geworden ist, gehört zur Substantiierung der Klage, da durch die Nutzung von Mehrwertdiensten ein Dienst- oder zustande kommt. Bei einer auf Vertrag gestützten Leistungsklage sind Tatsachen zum Vertragsschluss und zu seinem Inhalt vorzutragen, so dass der Vertrag unverwechselbar gekennzeichnet ist (Becker-Eberhard Münchener Kommentar zur ZPO 4. Auflage 2013 § 253 Rn. 84)

Diesen Anforderungen genügt die Klage bislang nicht. Zwar sind die Rufnummern bekannt gegeben worden und auch die Anbieter. Indes mangelt es jedoch daran, welche Leistungen die Anbieter erbracht haben wollen. Allein die allgemeine Bemerkung, dass es sich um Inlandsauskunftsdienste gehandelt haben solle, reicht hierzu nicht aus.

Anschlussinhaber muss über Nutzer aufklären

Hat er, wie vorliegend, anderen Personen die Nutzung seines Anschlusses überlassen, so trifft ihn die sekundäre Darlegungslast dahingehend, welche Personen noch Zugriff auf den Anschluss hatten, da die primär darlegungsbelastete Partei, somit die Klägerin, keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und Möglichkeiten hatte, um den Sachverhalt weiter aufzuklären, während dem Beklagten nähere Angaben ohne weiteres möglich und zumutbar sind (…) Dieser Verpflichtung hat vorliegend der Beklagte genüge getan, indem er dargelegt hat, dass seine beiden minderjährigen Kinder und seine Frau damals Zugriff auf seinen Anschluss hatten. Dies entspricht im Übrigen der allgemeinen Lebenserfahrung. Damit ist offen, ob vorliegend der Kläger selbst, seine Ehefrau oder seine beiden minderjährigen Kinder Vertragspartner des Mehrwertdienstes geworden sind. Ohne dass es darauf ankommt, ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin selbst eine weitere Sachaufklärung verhindert, indem sie nicht darlegt, welche Leistungen der Mehrwertdienst erbracht haben soll, so dass es dem Beklagten auch nicht durch Befragen seiner Familienmitglieder möglich ist, herauszubekommen, ob diese möglicherweise einen Mehrwertdienst, vielleicht auch aus jugendlichem Leichtsinn oder Unkenntnis, benutzt haben.

Keine Anscheinsvollmacht

Vorliegend haftet der Beklagte auch nicht nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht. Grundsätzlich liegt eine Anscheinsvollmacht vor, wenn der Vertretene das Handeln seines Vertreters zwar nicht kennt, jedoch bei pflichtgem. Sorgfalt hätte erkennen können und verhindern können, dass der Andere darauf vertraut hat und vertrauen durfte, der Vertretene dulde und billige das Handeln des Vertreters (vergl. BGH, NJW 2006, 1971, 1972). Dass diese Voraussetzung vorliegend gegeben ist, hat die Klägerin nicht dargetan, denn vorliegend fehlt es an dem für die Anscheinsvollmacht erforderlichen Vertrauenstatbestand. Etwas Anderes würde nur gelten, wenn der Beklagte über einen längeren Zeitraum die von Dritten verursachten Kosten eines Mehrwertdienstes klaglos bezahlt hätte (vergl. AG Berlin-Mitte, MMR 2010, 817, 818). Gleiches gilt, wenn der Telefonanbieter oder aber der Provider einen Nutzer auf überhöhte Telefonkosten aufmerksam gemacht hat und trotzdem der Anschluss nicht ganz oder teilweise gesperrt wird (vergl. OLG Köln, NJW, RR-1994, 177, betr.einen BTX-Anschluss, dem grob gesprochen, Vorläufer des Internetanschlusses). Von einer Anscheinsvollmacht ist deshalb nur dann auszugehen, wenn ein Minderjähriger häufiger Mehrwertdienste in Anspruch genommen hat und diese wiederholt auch auf der Telefonrechnung aufgetaucht sind (vergl. Kitz in Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimediarecht, 39. Ergänzungslieferung 2014, Teil 13.1, Rn. 135).

Keine Duldungsvollmacht

Auch eine Duldungsvollmacht ist vorliegend nicht gegeben. Diese läge nur vor, wenn der Vertreter es wissentlich zuließe, dass der Minderjährige seinen Account nutzt, um Geschäfte zu machen. Dies ist vorliegend nicht dargetan. Allein aus der fehlenden Sperrung der Mehrwertdienste beim Telekommunikationsanbieter kann dies nicht geschlossen werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es in einer Familie nur ein Telefon gibt und einen Telefonanschluss, der von allen Familienmitgliedern genutzt wird. Anders mag es sein, wenn Eltern einem Minderjährigen ein Mobiltelefon schenken, welches dieser selbständig nutzen darf. In diesem Falle kann man darüber nachdenken, ob darin eine Duldungsvollmacht gesehen werden kann, dieses umfassend mit allen Diensten auch zu nutzen. Diese Voraussetzung ist vorliegend allerdings nicht dargetan. Es handelt sich nicht um den Anschluss des Minderjährigen, sondern um den Anschluss eines Elternteils.

Keine Verletzung der Aufsichtspflicht

Der Kläger haftet vorliegend auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Aufsichtspflicht. Denn Eltern genügen ihrer Aufsichtspflicht über einen normal entwickelten Teenager, der normalerweise grundlegende Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig dadurch, dass sie das Kind über die Kosten, die durch Mehrwertdienste verursacht werden können, aufklären und ihm ggf. die Nutzung solcher Dienste verbieten. Zu darüber hinaus gehenden Maßnahmen, insbesondere zur Sperrung bestimmter Anschlüsse, sind sie nicht verpflichtet (vergl. BGH, MMR 2013, 388, 390 betr. Internetanschluss).

Eine Sperrung von Mehrwertdiensten war vorliegend den Beklagten auch gar nicht zumutbar, da eine solche Sperrung für sämtliche Familienmitglieder gilt, d.h. also auch für die erwachsenen Mitglieder, die möglicherweise einige sinnvolle Mehrwertdienste nutzen möchten. Exemplarisch sei in diesem Zusammenhang auf diverse Hotlines verwiesen, die bei Computerproblemen kostenpflichtige Unterstützung anbieten (vergl. exemplarisch Hotline des Technologieunternehmens N. für Problemfälle außerhalb der Garantiezeit). Dieser Verpflichtung ist vorliegend der Kläger nachgekommen. Wer sich darauf beruft, seine Kinder über die Gefahren von Mehrwertdiensten belehrt zu haben, muss dies glaubhaft und nachvollziehbar darlegen (vergl. Hilgert/Greth, Urheberechtsverletzungen im Internet, Rn. 913, betr. die Internetnutzung). Dies hat vorliegend der Beklagte getan. Eine Haftung aus Aufsichtspflichtverletzung kommt daher vorliegend nicht in Betracht.

Keine Anwendung des §45i TKG

Eine Haftung des Beklagten ergibt sich vorliegend auch nicht aus § 45 i TKG. Dies scheitert bereits daran, dass die Klägerin nicht substantiiert dargetan hat, dass die Bereitstellung des Mehrwertdienstes ein ausschließliches Angebot an den Telefonanschlussinhaber darstellt (vergl. AG Lebach, Urteil vom 21.06.2011 – 13 C 653/10 – zitiert nach Juris). Ohne die Angabe, welche Leistungen überhaupt erbracht worden sind, lässt sich gar nicht ermitteln, an wen sich das vorliegende Angebot richtet. Bei Angeboten, die sich ausschließlich an Kinder und Jugendliche richten, ist jedenfalls davon auszugehen, dass diese sich gerade nicht an den Anschlussinhaber richtet, sondern an dessen Kinder.

Im Übrigen entfällt der Anspruch des Anbieters dann, wenn der Teilnehmer nachweist, dass ihm die Inanspruchnahme der Leistung des Anbieters nicht zugerechnet werden kann. Zurechnungsmaßstab sind die §§ 276 und 278 BGB. Ausreichend ist hierfür, dass der Teilnehmer alles Zumutbare und Geeignete gemacht hat, um eine nichtgebilligte Nutzung des Anschlusses zu unterbinden. Zumutbar sind solche Maßnahmen, die einem gewissenhaften und durchschnittlichen Telefonkunden bekannt sind und zu deren Durchführung er mit vertretbarem Aufwand in der Lage ist. Insbesondere muss er die Anlage gegen die unbefugte Nutzung Dritter sichern. Dies bedeutet indes nicht, dass er auch generell Mehrwertdienste ausschließen muss, da wie oben dargetan, es nachvollziehbare Gründe gibt, warum der Anschlussinhaber selbst möglicherweise auf diese Dienste zugreifen muss und möchte. Alleine die Aufsichtspflicht gebietet eine solche Maßnahme nicht.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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