Vor kurzem wurde bei uns über einen Beschluss des VG Wiesbaden berichtet, demzufolge eine (anlaßlose) Videoüberwachung und umfassende Eingangskontrollen zu einer Gefährdung der Gerichtsöffentlichkeit führen. Die nicht von der Hand zu weisende Logik dabei: Schon die umfassenden Kontrollen an sich sind schon geeignet, interessierte Menschen vom Besuch des Gerichts abzuhalten.
Während das Verfahren in Wiesbaden immer noch ausgesetzt ist – der Richter wartet darauf, einen Raum zur Verfügung zu haben, der nicht der Problematik umfassender Kontrolle ausgesetzt ist – gibt es nun ein Urteil des OVG Berlin-Brandenburg (3 N 33/10), das jedenfalls hinsichtlich der Einlaßkontrollen zu einem anderen Ergebnis kommt:
Die Pflicht, sich bei Zutritt zum Gerichtsgebäude auszuweisen, führt ihrerseits nicht zu einem Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz, da der Zugang zum Gerichtsgebäude hierdurch nicht unverhältnismäßig beschwert wird. Das Gleiche gilt für die vom Zulassungsvorbringen beschriebene Durchsuchung zutrittswilliger Personen. Beide Maßnahmen werden auch in anderen Gerichtsgebäuden vorgenommen und dienen ersichtlich der Gewährleistung der Sicherheit im Gerichtsgebäude und der ungestörten Durchführung der mündlichen Verhandlung. Zu diesem Zweck durchgeführte Maßnahmen verstoßen nicht gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung. Worin die Kontrollmaßnahmen im Einzelnen bestehen, ist dem pflichtgemäßen Ermessen des das Hausrecht ausübenden Gerichtspräsidenten überlassen. Dass dieses Ermessen im Falle der vom Zulassungsvorbringen geschilderten Zugangskontrollen überschritten worden wäre, die Kontrollen etwa über Gebühr lange in Anspruch genommen hätten oder schikanös gewesen seien, erschließt sich nicht
Das Ergebnis ist eindeutig zweckorientiert und in seinem Ziel sicherlich vertretbar – die „Argumentation“ dagegen erschließt sich nicht. Der Richter in Wiesbaden hat vollkommen zu Recht gefragt, warum ein Gerichtsgebäude an sich gefährdet sein soll und nicht nur bei einzelnen Verfahren ein Gefährdungspotential anzunehmen ist. Der Hinweis des OVG Berlin-Brandenburg mit anderen Gerichten – Credo: „Alle anderen machen das doch auch“ – ist insofern auch kein juristisches Argument.
In Berlin/Brandenburg hat man sich nicht ausdrücklich mit dem bisherigen Beschluss aus Wiesbaden auseinander gesetzt – was Schade ist, denn aus Wiesbaden liegt ein im Ergebnis sicherlich befremdlicher Beschluss vor, der in seiner Argumentation aber durchaus schlüssig ist. Insbesondere die Qualifikation der Besucher als betroffene Nichtstörer muss in jedem Urteil zum Thema Beachtung finden – auch dies fehlt im Urteil des OVG Berlin-Brandenburg gänzlich.
Da in der Gefährdung der Gerichtsöffentlichkeit ein absoluter Revisionsgrund zu sehen ist, dürfte damit zu rechnen sein, in naher Zukunft zunehmend diese nun aufgeworfene Frage in deutschen Gerichtssälen zu finden. Wichtig ist dabei eine Ansage des OVG Berlin-Brandenburg: Wer sich auf diesen Revisionsgrund berufen will, hat bereits in der laufenden Verhandlung auf die vermutete Gefährdung der Gerichtsöffentlichkeit zu berufen. Wer es erst hinterher macht, wird – zumindest beim OVG Berlin-Brandenburg – wohl nicht gehört werden.
Hier sieht man
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