Gestohlene EC-Karte: Nichts neues von der Rechtsprechung

Wenn die EC-Karte gestohlen wurde, wird darum gestritten, wer für abgehobene Beträge (also den Missbrauch) haften soll: Die Rechtsprechung hält am Anscheinsbeweis bei zeitnaher Nutzung fest, der dahin geht, dass die PIN-Nummer mit der Karte zusammen aufgbewahrt wurde. Zwar macht der Bundesgerichtshof inzwischen Zugeständnisse, die sind aber eher schwer zu erfüllen. Ein Überblick.

Das Amtsgericht München (233 C 3757/11) hatte sich letztes Jahr mit einer gestohlenen EC-Karte zu beschäftigen und hat klar gestellt, dass sich an den bisherigen Regeln auch dort nichts ändert. Kurz vorher hatte auch das LG Berlin (10 O 10/09, hier besprochen) klar gestellt, dass die alten Regeln sich nicht geändert haben. Die Aussicht ist damit weiterhin für Verbraucher düster.

Grundregel: Anscheinsbeweis bei EC-Karten
Es gilt der Grundsatz, dass ein Anscheinsbeweis dafür spricht, dass der Karteninhaber die PIN auf der Karte notiert oder aber die PIN gemeinsam mit der Karte verwahrt hat, wenn zeitnah nach einem Diebstahl einer EC-Karte unter Verwendung der Karte und der Eingabe der richtigen PIN an einem Geldautomaten einer Bank Bargeld abgehoben wird.

Exkurs: Anscheinsbeweis bei EC-Karten

Die Anscheinshaftung bei EC-Karten ist ein Thema, das EC-Karten-Nutzer hellhörig werden lassen muss. Lange hat der BGH offen gelassen, ob er einen Anscheinsbeweis für ein gemeinsames Aufbewahren von EC-Karte und PIN darin sehen möchte, dass eine gestohlene EC-Karte “zeitnah” nach dem Diebstahl mit der PIN genutzt wird (so zuletzt in BGHZ 145, 342). Das ist nunmehr vorbei, im Jahr 2004 hat der BGH (XI ZR 210/03) im Grundsatz festgestellt:

Wird zeitnah nach dem Diebstahl einer ec-Karte unter Verwendung dieser Karte und Eingabe der richtigen persönlichen Geheimzahl (PIN) an Geldausgabeautomaten Bargeld abgehoben, spricht grundsätzlich der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Karteninhaber die PIN auf der ec-Karte notiert oder gemeinsam mit dieser verwahrt hat, wenn andere Ursachen für den Missbrauch nach der Lebenserfahrung außer Betracht bleiben.

Die Entscheidung muss aber heute (im Jahr 2011) mit lebensnaher Kritik gelesen werden. So muss zuerst einmal gesehen werden, dass die Würdigung der damaligen Vorinstanz auf einer Beurteilung beruhte, die das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik in einer schriftlichen Auskunft vom 27. 11. 2001 abgegeben hat. Alleine der Kenntnisstand ist somit heute 10 Jahre veraltet. Weiterhin ist ein Aspekt des BGH m.E. bis heute nicht ausreichend gewürdigt: Es geht um die Frage, wie man damit umgeht, dass z.B. die PIN ausgespäht werden kann.

Typisches Beispiel aus der Praxis: Betrüger arbeiten in 2 Gruppen in der Nähe eines gut besuchten Strands – die einen spähen an einer nahe gelegenen Tankstelle die PIN aus und geben via Funk an die zweite Gruppe (die am Strand ist) die PIN samt Kennzeichen des zugehörigen Fahrers durch. Die zweite Gruppe bricht nun die entsprechenden Fahrzeuge auf und entwendet evt. vorhandene EC-Karten. Je nach Besucherfrequenz und Varianz der Diebe, kann es sein, dass so nur an einem Tag der Woche 1-2 Autos an einem Strand aufgebrochen wurden und der Karteninhaber letztlich durch den Anscheinsbeweis hinten über zu fallen droht.

Der BGH sah eben dieses Risiko und stellte fest, dass die Möglichkeit des Ausspähens in Betracht gezogen werden muss und den Anscheinsbeweis durchbrechen kann, wenn zeitnah vor dem Entwenden der EC-Karte diese vom Karteninhaber genutzt wurde. Wer das vorbringen kann, darf sich zumindest mit dem BGH Hoffnung machen. Inzwischen hat der (XI ZR 370/10) in Rahmen eines -Vorfalls diese Rechtsprechung konkretisiert: Zwar hält er an dem ersten Anschein fest. Stellt jedoch klar, dass dieser “Anscheinsbeweis” nicht funktionieren kann, wenn keine Originalkarte eingesetzt wurde. Der Einsatz der Originalkarte ist dabei durch die, den Schadensersatz begehrende, Bank zu beweisen!

Blick nach München
Vor dem Amtsgericht München gab es hier für die Nutzerin aber keine Hoffnung: Die Karte wurde laut Gerichtsmitteilung 1 Jahr vor dem Diebstahl und der umgehenden Verwendung gar nicht genutzt. Es gab damit gar keinen Anhaltspunkt für eine Durchbrechung des Anscheinsbeweises…

Fazit
Die bisherige Rechtsprechung wird sich so schnell nicht ändern. Eine EC-Karte, die unmittelbar nach dem Entwenden missbraucht wird, begründet den Anscheinsbeweis dafür, dass die PIN-Nummer mit der Karte aufgehoben oder sogar auf ihr notiert war. Diejenigen aber, die nachweisen (!) können, dass die Karte vorher noch benutzt wurde, haben ggfs. etwas in der Hand, um sich zu wehren. Selbiges gilt, wenn man erfolgreich vortragen kann, dass die originale Karte gar nicht zum Einsatz kam, etwa wenn man noch in Besitz selbiger ist. Die Arbeit am Sachverhalt ist hier äusserst bedeutsam bei der Überlegung, was vor Gericht vorgetragen wird.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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