Fahrzeugschein im Auto und vorheriger Diebstahlsversuch: Keine grobe Fahrlässigkeit

Eine (leider) alltägliche Geschichte lag dem OLG Oldenburg (5 U 153/09) im Juni 2010 zur Entscheidung vor: Ein Auto wurde gestohlen. Und – leider wohl auch alltäglich – die Versicherung mochte nicht zahlen. Sie warf dem Versicherungsnehmer grobe Fahrlässigkeit vor, denn dieser habe

  1. den Fahrzeugschein im Handschuhfach des Fahrzeugs belassen und
  2. nachdem er bemerkt hat, dass bereits ein erster Diebstahlsversuch stattgefunden hat, keine weiteren Sicherungsmaßnahmen (z.B. Abstellen in Garage, Nutzen von „Lenkradschloss“) unternommen.

Das OLG hat beides zurück gewiesen. Hinsichtlich des – von außen nicht sichtbaren – Fahrzeugscheins wird vollkommen zu Recht kurz gesagt:

Der Kläger hat den auch nicht grob fahrlässig dadurch herbeigeführt, dass er seinen Fahrzeugschein – von außen nicht sichtbar – im Handschuhfach des Wagens gelassen hat. Es entspricht einhelliger Auffassung, dass dieses Verhalten für den in Regel vorher gefassten Diebstahlsentschluss nicht ursächlich ist (BGH VersR 1996, 621. 1995, 909 Rn. 13. Knappmann in Prölss/Martin, § 12 AKB Rn. 116 m.w.N.). Tatsachen die hier ausnahmsweise eine abweichende Würdigung erlauben würden sind nicht ersichtlich.

Hinsichtlich des erstmaligen Diebstahlversuchs ist die Sache aber etwas kniffliger. Für das Gericht stand nur fest, dass der Kläger einen Manipulationsversuch am Fahrzeug bemerkt hat und davon ausgegangen ist, dass die Täter bereits in das Fahrzeug eingedrungen waren und – vergeblich – versucht hatten, dieses zu entwenden. Damit hieraus ein vorwerfbarer Umstand entsteht, hätte der Versicherungsnehmer mit einem weiteren Diebstahlsversuch gerechnet haben oder damit hätte rechnen müssen. Dass der Versicherungsnehmer das selbst so gesehen hat, dafür fehlten Anhaltspunkte. Und dass er damit hätte rechnen müssen, verneint das Gericht mit den Worten:

Aus einer einmaligen, erfolglosen Manipulation kann nicht geschlossen werden, dass noch weitere Diebstahlsversuche derselben Täter zu erwarten sind.

Im Umkehrschluss heißt das aber: Eine Vorwerfbarkeit ist keinesfalls ausgeschlossen. Wie sieht es etwa nach einem zweiten bemerkten Diebstahlversuch aus? Wer besonders „beliebte“ Autos fährt, sollte insofern Vorsicht walten lassen und als Versicherungsnehmer nicht zu blauäugig sein.

Rechtsanwalt Dieter Ferner (Fachanwalt für Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Dieter Ferner (Fachanwalt für Strafrecht)

Rechtsanwalt Dieter Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht und Anwalt in der Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf. Spezialgebiete von RA DF: Verkehrsstrafrecht, Kapitalstrafsachen, Drogendelikte, Sexualstrafrecht und Arbeitsstrafrecht.

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