„Digitaler Radiergummi“ gestartet?

Die Presse ist derzeit voll von Meldungen, ein „digitaler Radiergummi“ sei gestartet (Beispielhaft dazu der Welt.de-Artikel). Und während laut heise.de unsere Verbraucherschutzministerin überschwänglich scheint:

Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner hatte das Konzept gelobt. Es ließe sich als „Höchster made in Germany“ weltweit verkaufen, sagte sie.

Fällt mir beim Lesen der verschiedenen Artikel und hören von Radiobeiträgen eine ungewohnte Skepsis in den Presseberichten auf. Ein schlechtes Zeichen.

Wenn ich erstens auf die Technik blicke, werde ich da schon skeptisch: Man benötigt ein Plugin – zur Zeit nur für einen Browser, FireFox, verfügbar – um Bilder (nur Bilder werden unterstützt) mit einem „Verfallsdatum“ zu versehen. Entsprechend markierte Bilder können dann auch nur noch mit diesen Plugin betrachtet werden. Ob sich dieser technische Ansatz durchsetzen wird? Ich habe da durchaus gewisse Zweifel, dies nicht zuletzt, weil schon der Ansatz „Datenschutz made in Germany“ im Internet schlicht falsch ist.

Die Menschen haben zwar durchaus gewisse Bauchschmerzen, wenn sie auf Dienste wie Facebook blicken – letztlich aber nutzen sie diese doch. Und warum? Weil es (a) Spass macht und man (b) bequemlich ist in der Nutzung. Je mehr Hürden eingebaut werden, umso mehr leidet Faktor (b) und im gleichen Maße nimmt dann auch Faktor (a) ab. Damit lässt sich insgesamt ganz gut erklären, warum so viele Nutzer zwar einerseits „datenschutzrechtliche Bedenken“ bei Facebook haben, es zugleich aber weiter einsetzen.

Wenn man nun mit einer Software kommt, die ohne jeglichen Standard, ausgelegt (zur Zeit) auf den deutschen Markt, Bilder so bearbeitet, dass diese irgendwann unbrauchbar werden (und es für jeden ohne dieses Plugin schon sind), steht und fällt das ganze Produkt mit der Marktakzeptanz.

Wesentlich klüger wäre es bei diesem „Lösungsansatz“, wenn man einen Standard entwickelt und diesen über die entsprechenden Organisationen (allem voran das W3C) als Internettechnologie etabliert. Das aber scheitert wohl an verschiedenen Punkten. Zum einen dürften regierende Politiker ein schlichtes Verständnis- bzw Akzeptanzproblem damit haben, dass man nicht per Gesetz arbeitet, sondern nur über technologische Standards (die sich nur über Kommunikation und nicht per Druck erreichen lassen). Zum anderen lässt sich mit diesem Schritt schlicht kein Geld verdienen.

Womit ich zum zweiten Kritikpunkt komme: Unsere Verbraucherschutzministerin lobt das als „höchsten Datenschutz“. Der aber kostet Geld, immerhin ca. 7 Euro auf 3 Monate. Also im Jahr etwa 28 Euro. Losgelöst von der Frage, ob man sich das leisten will, dürfte es durchaus genug Menschen in unserem Land geben, die es sich schlicht nicht leisten können. In einer Zeit, in der (zu Recht) über den Datenschutz als Grundrecht diskutiert wird, kann ich das nur als blanken Hohn einstufen, wenn mit unserer Ministerin „höchster Datenschutz“ nur bei passenden Portmonee möglich ist.

Abschliessend der dritte Kritikpunkt: Es ist kein „digitaler Radiergummi“, der Begriff ist schon irreführend. Stellen Sie sich vor, sie könnten nur dort Bleistift wegradieren, wo sie vor dem Schreiben das Papier entsprechend behandelt hätten – Radiergummis würde kein Mensch einsetzen. Zu umständlich, zu zeitaufwändig. Der Witz am Radiergummi ist, dass man jederzeit seine Bleistift-Skizzen bearbeiten kann. Das geht hier aber gerade nicht. Es ist kein Radiergummi, sondern vielmehr eine Art Selbstzerstörungsmechanismus, den man vorher einbauen muss. Sie können also letztlich nicht „radieren“, Sie können nur „ablaufen lassen“.

Es gilt daher das grundsätzliche Motto: Vorher nachdenken, bevor man etwas tut – und damit leben müssen, was man getan hat. Das ist hart. Und in den Griff zu bekommen nur mit einer von Kindheit an vermittelten Medienkompetenz, die mehr Wert ist, als kommerziell orientierte nationalstaatliche Insellösungen.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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