Veröffentlichen von Abmahnungen, Mails oder Nachrichten erlaubt?

Darf man Abmahnungen oder fremde Briefe und Emails veröffentlichen?

Darf man fremde Mails oder Briefe veröffentlichen: In Deutschland wird wohl täglich abgemahnt, immer noch beliebt ist dabei die eines Konkurrenten wegen eines (vermeintlichen) Wettbewerbsverstosses. Abgesehen davon, dass man die unliebsame Konkurrenz empfindlich ärgern kann – kostet die Abmahnung in jedem Fall doch nicht unerheblich Zeit und auch Geld – steht auch schnell die Frage im Raum, ob die Abmahnung überhaupt sein musste. Bei Bagetellen reicht meistens die kurze Rücksprache, zu oft hat man aber den Eindruck, es geht nur um das „schnelle Geld“.

Schnell kommt dann die Überlegung für die Revanche: Die wird ersonnen (Fehler macht heute fast jeder unbemerkt auf seiner Webseite), eine negative Feststellungsklage bietet sich an wenn man sich ganz sicher ist, im Recht zu sein und natürlich der „schnelle Rückschlag“: Die Veröffentlichung der Abmahnung. Man scannt das Schreiben ein und stellt auf die Webseite. Der Imageverlust kann, je nach Vorgang, sowohl für den jeweiligen Rechtsanwalt als auch für das Unternehmen dahinter beträchtlich sein. Doch es bleibt die Frage: Darf man das überhaupt?

Veröffentlichung fremder Briefe und Nachrichten

Zuerst einmal: Ich werde hier natürlich keine abstrakte Antwort geben die mit „Ja“ oder „Nein“ endet. Es wird, wie sich gleich zeigt, auf den Einzelfall ankommen und ich denke, man sollte in jedem Fall sehr vorsichtig mit dem Thema sein und weder blauäugig noch naiv alles einscannen, was einem „vor die Flinte“ läuft. Das Risiko einer Veröffentlichung ist enorm, da hier persönlichkeitsrechtliche, datenschutzrechtliche, urheberrechtliche und wettbewerbsrechtliche Fragen ineinandergreifen.

Die öffentliche „Wiedergabe“ eines Zitats aus seiner E-Mail stellt dabei grundsätzlich einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dar:

Dies folgt aus dem dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrecht zugrundeliegenden Gedanken der Selbstbestimmung: Der Einzelne soll – ohne Beschränkung auf seine Privatsphäre – grundsätzlich selbst entscheiden können, wie er sich Dritten oder der Öffentlichkeit gegenüber darstellen will, ob und inwieweit von Dritten über seine Persönlichkeit verfügt werden kann; dazu gehört im besonderen auch die Entscheidung, ob und wie er mit einer eigenen Äußerung hervortreten will.

Insofern gilt das gleiche wie für das Recht am gesprochenen Wort, das die Befugnis des Menschen schützt, selbst zu bestimmen, ob seine Worte einzig dem Gesprächspartner, einem bestimmten Kreis oder der Öffentlichkeit zugänglich sein sollen (BGHZ 27, 284 (286)) oder ob und von wem seine auf einem Tonträger aufgenommenen Worte wieder abgespielt werden dürfen (BVerfGE 34, 238 (246f)). – BVerfG, 1 BvR 185/77

Diese Rechtsprechung gilt entsprechend für Zitate aus einer E-Mail (LG Hamburg, 324 O 687/16).

Widerrechtlichkeit muss festgestellt werden

Es handelt sich bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts um einen sog. „offenen Tatbestand“ handelt, bei dem die Widerrechtlichkeit nicht indiziert, sondern positiv festzustellen ist. Vor diesem Hintergrund ist eine umfassende Güter- und Interessenabwägung erforderlich (Landgericht Köln, 28 O 157/08). Weiterhin ist das Geheimhaltungsinteresse festzustellen was aber durchaus indiziert sein kann:

Zu berücksichtigen ist ferner das Geheimhaltungsinteresse des Klägers an Angelegenheiten aus seiner geschäftlichen Sphäre. Dieses Geheimhaltungsinteresse war für den Beklagten hinsichtlich der zweiten E-Mail aus der Betreffzeile, im übrigen aber auch aus dem Inhalt der Mitteilung auch deutlich ersichtlich. Zu berücksichtigen ist ferner der Umstand, dass die veröffentlichten E-Mails des Klägers offensichtlich auf unlautere Weise beschafft waren (vgl. hierzu Wenzel, a.a.O., Kap. 5.41; BGH NJW 1962, 32). Bei Würdigung dieser Umstände kann auch bei Zugrundelegung des von dem Beklagten vorgetragenen Zwecks der Veröffentlichung nicht mehr von einem vertretbaren Verhältnis zwischen dem von ihm angestrebten Zweck sowie der Form, Art und des Ausmaßes des Eingriffs gesprochen werden – Landgericht Köln, 28 O 178/06

Wie der ausgeführt hat, ist jede sprachliche Festlegung eines bestimmten Gedankeninhalts Ausfluss der Persönlichkeit des Verfassers, woraus folgt, dass ihm grundsätzlich allein die Befugnis zusteht, darüber zu entscheiden, ob und in welcher Form seine Aufzeichnungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Ausnahmen hat die Rechtsprechung nur dann zugelassen, wenn das öffentliche Informationsinteresse das berechtigte Interesse des Verfassers, mit dem Inhalt seines Schreibens nicht in der Öffentlichkeit präsentiert zu werden, überwiegt. Dieses ist z.B. in einem Fall angenommen worden, in dem ein Brief in amtlicher Funktion geschrieben und an einem Amtsinhaber mit dem Ziel gerichtet worden war, rechtliche Schritte einzuleiten, und der Inhalt des Briefes von öffentlichem Interesse war (vgl. BVerfG NJW 1991, 2339 – Chefarztbriefe, dazu auch OLG Hamburg, 7 W 5/13).

Sonderfall: Rechtswidrig erlangte Daten durch die Presse


Im Rahmen der bisher skizzierten Abwägung ist dann auch zu berücksichtigen, ob rechtswidrig erlangte oder beschaffte Informationen von der Presse veröffentlicht werden dürfen. Wesentlicher Abwägungsfaktor mit BVerfG und BGH ist das Gewicht des öffentlichen Informationsinteresses. Zu den Aufgaben der Medien gehört die öffentliche Berichterstattung über Straftaten und in den Grenzen zulässiger auch die Berichterstattung über ein nur mögliches Fehlverhalten. Ein gesteigertes Informationsinteresse besteht unter dem Gesichtspunkt demokratischer Transparenz und Kontrolle bei Personen des politischen Lebens. Denn sie stehen in besonderem Maße für bestimmte Wertvorstellungen und Lebenseinstellungen, bieten Orientierung für eigene Lebensentwürfe, werden zu „Kristallisationspunkten für Zustimmung oder Ablehnung“ und erfüllen Vorbild- oder Kontrastfunktionen.

Die Rechtsprechung ist insoweit am Einzelfall orientiert, etwa wenn das LG Braunschweig mit den allgemeinen Grundsätzen dahin kommt, dass eine Verlinkung der Daten erlaubt ist.

Weitere Rechtsprechung möchte grundsätzlich das Recht zur Veröffentlichung verneinen, wenn überhaupt eine Straftat bei der Erlangung der Daten vorliegt und ein besondere Näheverhältnis zu bejahen ist in der Kommunikation. In dieser Pauschalität dürfte das für Presse aber kaum gelten, da der BGH inzwischen klargestellt hat, dass die Veröffentlichung rechtswidrig beschaffter Daten von der Meinungsfreiheit umfasst ist.

Grundsätzliche Entscheidungen zur Veröffentlichung von anwaltlichen Schreiben

Ob man es nun darf oder nicht, dazu gibt es einige wenige handverlesene Entscheidungen deutscher Gerichte. Meine liebste dabei ist die des LG Berlin (27 O 184/07), die es m.E. auf den Punkt bringt, wenn dort im Fazit (eigene Zusammenfassung) zu lesen ist:

Grundsätzlich ist es keinesfalls verboten, dass aus Schreiben von Rechtsanwälten zitiert wird, es muss immer eine Abwägung im Einzelfall zwischen dem Interesse an der Veröffentlichung und dem Interesse an der Nicht-Veröffentlichung vorgenommen werden. Dabei ist alleine der Umstand, dass der Zitierte „öffentlich vorgeführt wird“ nicht ausreichend, um ein höheres Interesse an der Nicht-Veröffentlichung zu erkennen. Erst bei einem besonders schweren Unwerturteil ist eine Grenze erreicht – bei der Privatsphäre eine absolute Grenze.

Das kann man nur unterstreichen, auch wenn da – richtigerweise – nun nicht zu lesen ist, „man darf es“ oder „man darf es nicht“. Es kommt ganz besonders darauf an, in welchem Gesamtbild sich die Darstellung des Zitates am Ende bietet und welchen Schluss ein „verständiger Leser“ bei diesem Gesamtbild ziehen muss. Ein willkürliches Beispiel: Wenn ich eine Abmahnung z.B. derart manipulativ zitiere, dass ich zwar nichts falsches zitiere, beim Leser aber (durch meine zwischen die Zitate geschobenen Kommentare) der Eindruck erweckt wird, der Rechtsanwalt wäre noch zu unfähig, selbst einfachste juristische Handgriffe zu tätigen, so wäre das schon grenzwertig. Ich denke, eine reine „Prangerwirkung“ sollte man insofern mit den Worten des LG Köln (28 O 721/0) tunlichst vermeiden.

Andererseits ist schon zumindest irgendein Interesse an der Veröffentlichung der Abmahnung nötig (wenn auch kein „besonderes Interesse“): Das OLG Hamburg (7 W 56/07) verweist m.E. zu Recht darauf, dass alleine der Konflikt der Parteien untereinander nicht ausreicht, um das Persönlichkeitsrecht zu überwiegen und ein Informationsinteresse zu bejahen.

Urheberrecht

In diesem Zusammenhang stellt sich automatisch die Frage, wie es mit dem urheberrechtlichen Schutz bei fremden Schriften aussieht. Grundsätzlich gilt hier: Mit § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG gehören zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst insbesondere Sprachwerke, wie Schriften, Reden und Computerprogramme, nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG auch Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen. Voraussetzung ist nach § 2 Abs. 2 UrhG, dass es sich bei den Werken um persönliche geistige Schöpfungen handelt. Soll ein Werk von den schöpferischen Beiträgen seines Urhebers geprägt sein und sich insoweit durch Individualität oder Originalität auszeichnen, muss ein Gestaltungsspielraum bestehen.

Dieser findet sich bei Sprachwerken wissenschaftlichen und technischen Inhalts, zu denen auch Anwaltsschriftsätze gehören, in erster Linie in der Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffes, nicht hingegen ohne Weiteres auch in der Gedankenformung und -führung des dargebotenen Inhalts. Soweit die schöpferische Kraft eines Schriftwerks allein im innovativen Charakter seines Inhalts liegt, kommt ein Urheberrechtsschutz nämlich nicht in Betracht.

Der gedankliche Inhalt eines Schriftwerkes muss einer freien geistigen Auseinandersetzung zugänglich sein. Die Schutzfähigkeit ist auch dann beschränkt, wenn die Darstellung aus der Natur der Sache oder nach den Gesetzen der Zweckmäßigkeit vorgegeben ist.

Urheberrechtsschutz anwaltlicher Schriftsätze

Nun liegt bei Anwaltsschriftsätzen auch noch ein Sprachwerk vor, das Gebrauchszwecken dient. Soweit der Bundesgerichtshof bei Gebrauchszwecken dienenden Sprachwerken – anders als etwa bei literarischen Werken, bei denen ein sehr geringer Grad kreativer Leistung ausreicht und somit die „kleine Münze“ geschützt ist – davon ausgegangen war, dass sie nur dann einen hinreichenden schöpferischen Eigentümlichkeitsgrad besitzen und folglich schutzfähig sind, wenn sie nach dem Gesamteindruck der konkreten Gestaltung bei der Gegenüberstellung mit der durchschnittlichen Gestaltertätigkeit das Alltägliche, das Handwerksmäßige, das bloße mechanisch-technische Aneinanderreihen von Material deutlich überragen, dürfte dies überholt sein.

Heute vertritt der BGH die Auffassung, dass an den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG grundsätzlich keine anderen Anforderungen zu stellen als an den Urheberrechtsschutz von Werken der zweckfreien bildenden Kunst oder des literarischen und musikalischen Schaffens. Es genügt nunmehr, dass sie eine Gestaltungshöhe erreichen, die es nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer „künstlerischen“ Leistung zu sprechen.

Es ist dagegen nicht erforderlich, dass sie die Durchschnittsgestaltung deutlich überragen: Bei der Beurteilung, ob ein Werk der angewandten Kunst die für einen Urheberrechtsschutz erforderliche Gestaltungshöhe erreicht, ist zu berücksichtigen, dass die ästhetische Wirkung der Gestaltung einen Urheberrechtsschutz nur begründen kann, soweit sie nicht dem Gebrauchszweck geschuldet ist, sondern auf einer künstlerischen Leistung beruht. Weiterhin ist zu beachten, dass eine zwar Urheberrechtsschutz begründende, gleichwohl aber geringe Gestaltungshöhe zu einem entsprechend engen Schutzbereich des betreffenden Werkes führt.

Auch der Urheberrechtsschutz eines anwaltlichen Schriftsatzes setzt damit nicht voraus, dass er nach dem Gesamteindruck der konkreten Gestaltung bei einer Gegenüberstellung mit der durchschnittlichen Gestaltertätigkeit das Alltägliche, Handwerksmäßige, bloße mechanisch-technische Aneinanderreihen von Material deutlich überragt. Der Schutz kann sich bereits aus einer besonderen Länge ergeben sowie aus einer individuellen und damit originellen Weise geschaffener Gliederung. Dass der Sprachstil und Ausdruck womöglich in dem Schriftsatz in dem üblichen nüchternen, funktionalen, juristischen Duktus gehalten ist, steht einer Schutzfähigkeit nicht entgegen (OVG Hamburg, 3 Bf 87/18).

Urheberrecht bei fremden Briefen

Kann ein Brief denn im Übrigen urheberrechtlichen Schutz genießen? Das KG (24 U 101/14) hatte sich zu dieser Frage geäußert und festgestellt, dass ein urheberrechtlicher Schutz zwar denkbar ist, aber nicht automatisch im Raum steht:

Urheberrechtlicher Schutz: Sprachwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, der Brief unterliege dem Schutz des Urheberrechts. Es handelt sich um ein Sprachwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG.

Hierfür genügt es zwar nicht, dass der Verfasser ein berühmter Schriftsteller ist. Um hochgeistige Erzeugnisse besonderer literarischer Prägung braucht es sich aber auch nicht zu handeln. Der urheberrechtliche Schutz setzt bei Briefen ein, wenn diese nicht nur Allerweltsmitteilungen enthalten, sondern eine geistige Leistung darstellen, die sich in Form und Inhalt des Briefs offenbart, wenn sich der Brief von gewöhnlichen Briefen (zu diesen BGH, Urteil vom 22. Dezember 1959 – VI ZR 175/58 –, BGHZ 31, 308-321, Rn. 7, zitiert nach juris – Alte Herren) durch die Art der Sprachgestaltung oder der Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen, kulturellen, politischen oder sonstigen Fragen abhebt (KG, Urteil vom 21.4.1995 – 5 U 1007/95 -, NJW 1995, 3392 [3393] – Botho Strauß).

Überlegungen zur Veröffentlichung fremder Briefe

Wer sich nun im Rahmen dieser Abwägung auf das Glatteis der Veröffentlichung der Abmahnung begibt und sich zutraut, einen brauchbaren Artikel zum Thema zu verfassen, der muss damit rechnen, kurz danach wieder Post zu bekommen. Sei es, dass man eine erneute Abmahnung (jetzt wegen der Veröffentlichung der ersten Abmahnung) erhält oder gar direkt eine – denn die Zitierten werden im Regelfall das Zitat nicht sehen wollen und alles daran setzen, dass es verschwindet. Auch wenn das Vorgehen mit juristischen Mitteln an diesem Punkt insgesamt eher Dumm ist (der Streisand-Effekt wird sein übrigens tun, siehe dazu am Ende des Artikels), so hat der konkret Betroffene davon erst einmal nichts, da er nun (wieder) im Zugzwang ist.

Allgemeiner Ablauf der Gegenwehr gegen eine Veröffentlichung

Nach meiner bisherigen Erfahrung „wehren“ sich Betroffene, deren Abmahnung man zitiert, im Regelfall nach einem bestimmten , wobei die Angriffspunkte im Kern immer die gleichen drei sind:

  1. Man pocht auf das Urheberrecht des jeweiligen Schriftsatzes, das ist im Regelfall die Reaktion, wenn der vollständige Schriftsatz eingescannt wurde. Dieser Angriffspunkt ist nicht abwegig, selbstverständlich können anwaltliche Schriftsätze dem Urheberrecht unterliegen. Allerdings hat das OLG München (29 W 2325/07) im Jahr 2007 doch recht hohe Anforderungen an die Schöpfungshöhe gestellt, so dass zumindest bei „normalen“ Abmahnungen wohl nur selten die erforderliche Schwelle erreicht wird.
  2. Weiterhin wird auf das Persönlichkeitsrecht gepocht, das aber gerade nicht schrankenlos gilt, so dass man hier wieder bei der obigen Abwägung landet (lesenswert dazu ebenfalls OLG München, 29 W 2325/07, ebenso KG Berlin, 9 W 152/06 sowie OLG Hamm, 4 U 132/07 – alle drei kommen zu dem Ergebnis, dass die Veröffentlichung im jeweiligen Fall vorgenommen werden durfte)
  3. Und natürlich wird gerne einmal der Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gesehen, was ich mit den Worten des OLG Hamm (4 U 132/07) zurückweisen möchte, da dies einen zielgerichteten Eingriff voraussetzt während hier bestenfalls ein mittelbarer Eingriff vorliegt, bei dem man sich schon fragen muss, ob er überhaupt die Schwelle der „Belästigung“ überschreitet.

Die bisherigen Urteile sind alle im jeweiligen Fall sehr positiv ausgefallen und bejahen eine Veröffentlichung, aber ich muss warnen: In jedem dieser Urteile wurde im Einzelfall eine konkrete Abwägung vorgenommen, wobei die konkrete Form der Darstellung zu berücksichtigen war. Dazu kommt die vielfach vergessene Tatsache, dass es in den bisherigen Urteilen um Presseunternehmen ging (also die ). Freilich ist dies nur ein Aspekt, da sich „Blogger“ im Regelfall auf ihre als abzuwägendes Recht berufen können.

Auskunftsanspruch

Darüber hinaus wird ein hinsichtlich des Umfangs der Verletzungshandlung aus §§ 823, 1004, 242 BGB zustehen. Die zwischen den Betroffenen bestehenden Rechtsbeziehungen bringen es vorliegend mit sich, dass der Verletzte in entschuldbarer Weise über den Umfang der Verletzungshandlung, der den Umfang und die Höhe des Schadensersatz- bzw. Schmerzensgeldanspruches des Klägers bestimmt, im Ungewissen ist. Er weiß nicht, in welchem Umfang die Veröffentlichung erfolgt ist. Der Verletzer ist auf der anderen Seite zur Erteilung der Auskunft unschwer in der Lage (vgl. zum Auskunftsanspruch aus § 242 BGB: Palandt – Heinrichs, BGB, § 261 Rn. 8).

Erstattung von Kosten einer Abmahnung

Der Verletzer schuldet die Kosten der Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe zum einen unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes gemäß §§ 823, 249 BGB, zum anderen unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 677, 683, 670 BGB (so ausdrücklich Landgericht Köln, 28 O 178/06). Die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe ist regelmäßig zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Darüber hinaus stellen sowohl die berechtigte Abmahnung eines Verletzers als auch die Aufforderung zur Abgabe einer ein Geschäft für diesen dar, das seinem Interesse und Willen entspricht und für das er dem Geschäftsführer Aufwendungsersatz schuldet (vgl. Palandt-Sprau, BGB, § 683 Rn. 7 a m.w.N.).

Keine anderen Regeln auf Facebook

Auf Facebook gelten insoweit keine anderen Regeln. Das OLG Hamburg (7 W 5/13) hat insoweit bestätigt – wenig überraschend – dass auch „Direktnachrichten“ auf Facebook entsprechend zu behandeln sind. Insbesondere ist es unzulässig, private Nachrichten auf Facebook zu veröffentlichen, wenn nicht entsprechend obiger Prinzipien das entsprechende überwiegende schützenswerte Interesse zu erkennen ist.

Kann ein Disclaimer helfen?

Beim Saarländischen OLG (5 U 5/12) ging es dann um die Frage, ob ein E-Mail Disclaimer gegen eine Veröffentlichung helfen kann. Hier wurde ein Disclaimer mit folgendem Text in den Mails verwendet:

Diese E-Mail enthält vertrauliche und rechtlich geschützte Informationen. Wenn Sie nicht der richtige Adressat sind und diese E-Mail irrtümlich erhalten haben, informieren Sie bitte sofort den Absender und vernichten Sie diese E-Mail. Das Kopieren von Inhalten dieser E-Mail und die Weitergabe ohne Genehmigung ist nicht erlaubt und stellt eine Urheberrechtsverletzung dar

Dieser verbreitete Disclaimer wurde vom Gericht schon deswegen abgelehnt, weil hier gar nicht klar war, an wen sich dieser richtet: Wegen des einleitenden Satzes hinsichtlich irrtümlicher Empfänger sollen sich bestimmungsgemäße Empfänger nämlich gar nicht angesprochen fühlen:

Aus der Zusammenschau des Textes, insbesondere dem einleitenden Satz“ Wenn Sie nicht der richtige Adressat sind und diese E-Mail irrtümlich erhalten haben … “ drängt sich für den unbefangenen und flüchtigen Leser jedoch der Eindruck auf, der Zusatz richte sich gar nicht an den bestimmungsgemäßen Adressaten (hier: die Verfügungsbeklagte), sondern allein an solche Personen, für deren Augen die betreffende E-Mail nicht bestimmt war. Ein solcher, ausschließlich an Nicht-Adressaten gerichteter Hinweis macht hier auch Sinn, da im modernen und schnellebigen Kommunikationsverkehr Fehlleitungen von E-Mails nicht ausgeschlossen werden können, sondern gerade in Bereichen, in denen – wie hier – in kürzester Zeit eine Vielzahl von Adressaten erreicht werden sollen, sogar recht häufig vorkommen.

Doch losgelöst davon stellt das OLG auch noch klar, dass die geltende Rechtslage (siehe oben) durch eine rein einseitige Erklärung natürlich nicht abgeändert werden kann:

Als lediglich einseitige Erklärung des Verfügungsklägers wäre eine solche Erklärung, sei es in Gestalt eines „Vertrauiichkeitsvermerks“ oder auch als ausdrückliches „Verbot“, unter keinen Umständen geeignet, rechtliche Verpflichtungen des Empfängers – hier: der Verfügungsbeklagten – auf Unterlassen der Weitergabe der betroffenen E-Mail zu begründen.

Sprich: Es ist zwar ein frommer Wunsch des Absenders, aber eben nicht mehr – und vor allem nichts mit Bindungswirkung. Disclaimer bringen also an dieser Stelle nichts. Gleichwohl kann es behilflich sein, wie das LG Köln (28 O 178/06) feststellt – dann nämlich wenn man das geheimhaltungsinteresse feststellen möchte:

Der Kläger hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus der Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus §§ 823, 249 BGB, Art. 2, 1 GG. Insoweit ist der Feststellungsantrag auch gemäß § 256 ZPO zulässig. Das Feststellungsinteresse kann nicht bereits deshalb verneint werden, weil ein möglicher immaterieller Schaden bereits feststeht und deshalb bezifferbar wäre. Jedenfalls hinsichtlich der Höhe des Anspruchs, die sich am Verbreitungsgrad orientieren kann, ist der Kläger auf die zu erteilenden Auskünfte des Beklagten angewiesen (vgl. Wenzel-Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, Rn. 14.144). Der Beklagte handelte bei der Veröffentlichung der E-Mail schuldhaft. Für ihn war aus der Empfängerzeile sowie der Betreffzeile und dem Inhalt der Mitteilungen deutlich ersichtlich, dass der Kläger mit der Veröffentlichung der E-Mail nicht einverstanden war und ein Geheimhaltungswille bestand. Über diesen setzte er sich vorsätzlich hinweg.

Fazit zur Veröffentlichung fremder Nachrichten

Dennoch muss ich warnen und hoffe, es ist an dieser Stelle klar geworden: Auch wenn man obige Urteile hin und wieder als eine Art „Freifahrtschein“ besprochen findet (vor allem das Urteil des OLG München): Sie sind es nicht. Eine Veröffentlichung ist sicherlich nicht grundsätzlich ausgeschlossen, aber man muss in jedem einzelnen Fall genau abwägen und entscheiden, wie viel man publiziert, was man nicht publiziert, was man dazu (nicht) kommentiert und welche Folgen es haben kann und wird.

Im geschäftlichen Verkehr, wo Vertraulichkeit eine grosse Rolle spielt, sollten alle Beteiligten darauf achten, ggfs. Vertraulichkeitsvereinbarungen zu treffen, die auch mit Vertragsstrafen unterstrichen werden können.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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