Darf der Vermieter den Mieter öffentlich an den Pranger stellen?

Leider kein nur fiktiver Fall: Darf ein Vermieter seinen Mieter öffentlich an den Pranger stellen – etwa wenn er andere Mieter belästigt oder seine Miete nicht bezahlt? In der Städteregion Aachen, an einem Haus an einer stark befahrenen Straße, fand sich etwa folgendes Banner, gut sichtbar am Haus angebracht:

Ein Banner stellt den Mieter an den Pranger
Ein Banner stellt den Mieter an den Pranger

Zunehmend sorgt dieses Banner für öffentliche Diskussionen und die Frage wird immer wieder gestellt: Darf man nicht zahlende Mieter an den Pranger stellen?

Hinweis: Im Folgenden wird als fiktiver Sachverhalt angenommen, der betroffene Mieter zahlt tatsächlich (warum auch immer) die gesamte Miete nicht, während ein Banner in obiger Manier am betroffenen Haus hängt.

Argumente für die öffentliche Anprangerung

Es bieten sich hier durchaus Pro-Argumente an:

  1. Der Vermieter teilt zuerst einmal nur die Wahrheit mit.
  2. Der Vermieter greift zu diesem Mittel quasi in der Not der fehlenden Zahlungen, die ihm vertraglich zustehen, um endlich zur Zahlung zu bewegen – handelt also in .

In der Tat wird in dem fiktiven Sachverhalt an dieser Stelle nur die Wahrheit ausgesprochen. Es liegt Nahe, daran zu denken, hier auf die Meinungsäußerungsfreiheit zu pochen.

Auch hinsichtlich der Notwehr als Rechtfertigung, um den Mieter zur Zahlung zu bewegen, ist festzustellen, dass das keinesfalls abwegig ist: Selbst bei Berufsgeheimnisträgern ist anerkannt, dass diese eigentlich geschützte Informationen verwenden können, um eine Forderung beitreiben zu können (dazu nur Fischer, Kommentar zum StGB, §203, Rn.46).

Aber: Ganz so einfach ist das nicht, denn es gibt selbstverständlich Einschränkungen – also

Contra Argumente

So ist hinsichtlich der wahren Mitteilung nach außen auf einen Blick sofort erkennbar, dass hier eine öffentliche „Prangerwirkung“ erzielt wird. Die ist durchaus häufig Gegenstand der Rechtsprechung, dabei ist zuerst einmal festzustellen, dass zu Unterscheiden ist, ob eine Privatperson oder ein Unternehmen „an den Pranger“ gestellt werden (dazu sehr eingängig der BGH, VI ZR 366/02 – ebenso OLG Stuttgart, 4 U 114/03). Bei Privatpersonen, wie hier, liegt schon einmal ein grundsätzlich schwererer Eingriff in das vor. Hinzu kommt als Bewertungskriterium die Art der Aufmachung des „Prangers“, wobei rein einseitige Darstellungen noch einmal erheblich schwerer wirken (dazu sehr lang, aber auch verständlich das BVerfG, 1 BvR 2126/93). Zu beachten ist auch, von welcher Persönlichkeitsrelevanz eine Information ist (OVG Münster, 16 B 485/09), insbesondere ob die Information dem Kernbereich der persönlichen Lebensführung nahe steht. Im Ergebnis geht das dann dahin, dass selbst bei wahren anprangernden Behauptungen zumindest erläuternde, differenzierende Hinweise auf die Umstände gegeben werden müssen (OLG Rostock, 2 U 55/00).

Das wird im Ergebnis bei einem einfachen Banner, auf dem nur öffentlich bekannt gegeben wird, dass jemand schlicht nicht zahlt, nicht der Fall sein, wobei der Kernbereich der persönlichen Lebensführung in diesem Fall durchaus tangiert sein dürfte. Das OLG Rostock bringt es insofern auf den Punkt, wenn es zur Abwägung im Rahmen des Widerstreits zwischen Meinungsäußerungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht schreibt:

Jedoch will Art. GG Artikel 5 GG Artikel 5 Absatz I GG vor allem den geistigen Meinungskampf gewährleisten, so dass die Grenzen des Grundrechts gerade bei namentlicher Herausstellung eines einzelnen Unternehmens in anprangernden Veröffentlichungen, mit denen wirtschaftlicher Druck ausgeübt werden soll, enger zu ziehen sind als im Falle politisch, kulturell oder wissenschaftlich begründeter Aufrufe. Die danach […] erforderliche Abwägung zwischen und Gewerbekritik kann gerade bei Boykottaufrufen und Prangerwirkung einer Veröffentlichung dazu führen, dass sie unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Tatsacheninformation nicht verbreitet werden darf.

Auch hinsichtlich der Notwehr ergeben sich Bedenken: So ist eine Veröffentlichung geschützter Informationen jedenfalls dann nicht mehr hinzunehmen, wenn anderweitig die Forderung bei getrieben werden kann (dazu Fischer, §203, Rn.45). Nun mag man hier einwerfen, dass gerade eine Räumung eines unberechtigt Zahlungsunwilligen Mieters mitunter ein erhebliches finanzielles Missverhältnis bietet – wenn nicht gar ruinös sein kann für den Vermieter. Aber: Das ändert nichts daran, dass der ordentliche Rechtsweg nun einmal zur Verfügung steht – und es kein Argument für eine quasi-Selbstjustiz sein kann, dass die ordentliche Gerichtsbarkeit (nach subjektivem Empfinden) zu langsam oder zu teuer ist.

Urteil des AG München

Beim Amtsgericht München (422 C 17314/13) ging es um einen Vermieter, der Briefe an seinen Mieter, die das Vertragsverhältnis betrafen (und in denen die Gesundheit des Mieters thematisiert wurde), an dessen Wohnungstür gehängt hat – lesbar für alle anderen Mieter. Dies angeblich, weil er keinen Briefkasten bereit gehalten hat. Diese „Zustellung“ sei daher geboten. Das Amtsgericht erkannte zu Recht einen , denn der Mieter wurde hier in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt:

Das Anheften der für andere Personen lesbaren Schreiben stellt eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Kläger dar. Vom Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 1,1 I GG ist das Recht des Einzelnen auf Achtung seiner personalen und sozialen Identität, auch in der Darstellung des Einzelnen nach Außen, umfasst (vgl. Palandt, Sprau, 71. Auflage, § 823, Rn. 86). Dadurch, dass der Beklagte für andere lesbar Schreiben an die Türen geheftet hat, in denen er auf die Kläger Bezug nimmt, hat er die Darstellung der Beklagten nach Außen beeinträchtigt. Die Kläger haben ein schützenswertes Interesse daran, dass Einzelheiten ihrer vertraglichen Beziehung zum Beklagten Dritten nicht zugänglich gemacht werden. […]

Eine Beeinträchtigung läge auch dann vor, wenn die Schreiben nur von wenigen Mitmietern zur Kenntnis genommen werden sollten, da es für eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ausreichend ist, wenn die Äußerungen nur gegenüber einzelnen Personen erfolgen. Geschützt ist nämlich auch das Recht des Einzelnen, selbst zu entscheiden, wem welche Informationen aus seinem Lebensbereich offenbart werden. Des Weiteren kann nicht ausgeschlossen werden, dass die für alle Personen, welche sich den Haustüren nähern, lesbaren Inhalte auch von anderen Personen, z.B. Besuchern, wahrgenommen werden.

Und natürlich genügt für das Vorgehen nicht, dass kein Briefkasten da ist – denn es gibt ja Alternativen:

Soweit der Beklagte vorträgt, die Zustellung von Schriftstücken sei erschwert, da die Kläger ihren Briefkasten abmontiert hätten, so rechtfertigt dies nicht das Anbringen offener Schreiben an Wohnungs- und Hauseingangstüren. Dem Beklagten stehen neben der persönlichen Übergabe auch weitere Möglichkeiten der Übermittlung zur Verfügung. […] Ferner ist nicht ersichtlich, warum durch diese Form der Zustellung das Anbringen der Schreiben in offener Form erforderlich sein soll, da die Schreiben zumindest in einem verschlossenen Umschlag an die Tür geheftet werden könnten.

Fazit

Insgesamt ist daher eher davon auszugehen, dass ein solches Banner gerichtlich keinen Bestand haben dürfte, wenn mit dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen abgewägt wird. Darüber hinaus ist ein anderes Risiko zu bedenken: Es besteht die Gefahr, dass ein Mieter zwar einerseits nichts zahlt und scheinbar (!) kein Grund dazu besteht. Allerdings muss bedacht werden, dass die Miete sich gesetzlich mindern kann. Wenn das erst hinterher geltend gemacht wird, wäre die scheinbare objektive Wahrheit („Mieter zahlt gar nichts, obwohl er alles zahlen muss“) plötzlich auch noch inhaltlich falsch.

Somit kann letztlich von solchen Aktionen nur abgeraten werden – das Risiko ist vollkommen unkalkulierbar, wobei es höflich ausgedrückt insgesamt eher negativ für den „Pranger“ aussieht.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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