Verbrauchsgüterkauf: Wann sind Waren „gebraucht“?

Was akademisch klingt, ist es keineswegs: Wann sind Sachen „Gebraucht“ und wann „Neu“? Diese Frage spielt unter anderem – aber nicht nur – eine Rolle im Rahmen des §475 II BGB, der die Möglichkeit der Begrenzung der Gewährleistungsfrist bei gebrauchten Sachen auf 1 Jahr vorsieht:

Die der in § 437 bezeichneten Ansprüche kann vor Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer nicht durch Rechtsgeschäft erleichtert werden, wenn die Vereinbarung zu einer Verjährungsfrist ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn […] bei gebrauchten Sachen von weniger als einem Jahr führt.

Doch wann ist nun eine Sache gebraucht?

Gebraucht vs. „B-Ware“

Das Oberlandesgericht Hamm (4 U 102/13) war mit der Frage angesichts von „B-Ware“ konfrontiert – es wurde ein Laptop als „B-Ware“ angeboten und zugleich, unter Verweis auf §475 II BGB, die Gewährleistungsdauer auf 1 Jahr begrenzt. Der Verkäufer definierte dabei „B-Ware“ wie folgt:

„Als B-Ware werden Verkaufsartikel bezeichnet, die nicht mehr original verpackt sind, bzw. bei denen die Originalverpackung beschädigt wurde oder fehlte. Ebenfalls gehören hierzu Artikel, die nur einmal ausgepackt und vorgeführt, bzw. vom Kunden angesehen wurden, sowie Retouren aus dem Versandhandel. Die Artikel weisen keine oder eher geringfügige optische Mängel (leichte Gebrauchsspuren) auf, die keinen Einfluss auf die Funktionsfähigkeit des Gerätes haben. Bitte beachten Sie jedoch, dass diese Artikel einer eingeschränkten Gewährleistung von einem Jahr unterliegen (s. Besondere Hinweise in § 10 unserer Allgemeinen Geschäftsbedingungen)“

Auf eine hin wurde nun darum gestritten, ob die Begrenzung der Gewährleistung rechtmäßig war.

Definition von gebrauchter Ware

Tatsächlich gibt es keine gesetzliche Definition dessen, was nun „gebraucht“ ist. Der Palandt-Kommentar verweist kurzerhand darauf, dass etwas jedenfalls dann gebraucht ist, wenn es in Benutzung genommen wurde. Das OLG hatte somit die Aufgabe, durch Auslegung zu ermitteln, was als „gebraucht“ anzusehen ist. Dabei legte das OLG folgenden Rahmen fest:

Maßgeblich muss insoweit ein objektiver Maßstab sein, d.h. die Eigenschaft als „gebraucht“ ist einer Beschaffenheitsvereinbarung der Parteien entzogen. Andernfalls hätte es der Verkäufer in der Hand, durch die Vereinbarung, dass es sich um eine gebrauchte Kaufsache handelt, die Verjährungsfrist auf ein Jahr zu begrenzen (vgl. BGH NJW 2007, 674, 677 Rn.33; MünchKomm-Lorenz, BGB, 6. Aufl., § 474 Rn. 15; Palandt-Weidenkaff, BGB, 72. Aufl., § 475 Rn.11; Staudinger-Matusche-Beckmann, BGB, Neub. 2014, § 475 Rn. 89; a.A. u.a. BeckOK-Faust, BGB, Stand 01.03.2011, § 475 Rn. 17 mwN).

Dementsprechend gilt – und insoweit kann auf die zu § 11 Nr. 10 AGBG a.F. (nunmehr § 309 Nr. 8b BGB) entwickelten Abgrenzungskriterien zurückgegriffen werden -, dass Sachen dann gebraucht sind, wenn sie vom Hersteller, Verkäufer oder einem Dritten bereits ihrer gewöhnlichen Verwendung zugeführt wurden und deshalb mit einem höheren Sachmängelrisiko behaftet sind (MünchOK-Lorenz, BGB, 6. Aufl., § 474 Rn. 14). Die maßgebliche Formulierung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie heißt dementsprechend im englischen Wortlaut „second-hand goods“ und im französischen Wortlaut „bien d'occassion“ (vgl. MünchOK-Lorenz, BGB, 6. Aufl., § 474 Rn. 14 Fn. 45), also sinngemäß „aus zweiter Hand“.

Konkrete Beispiele

Auf Basis dieser Ausführungen stellt das OLG dann fest, welche Maßnahmen jedenfalls nicht dazu führen, dass etwas „gebraucht“ ist:

  • Der Umstand, dass Verkaufsartikel „nicht mehr original verpackt sind, bzw. bei denen die Originalverpackung beschädigt wurde oder fehlte“, macht diese nicht zu gebrauchten Sachen.
  • Auch das […] einmalige Auspacken und Vorführen des Gerätes seitens des Verkäufers selbst ändert daran nichts […]
  • Dies mag bei mehrmaliger Vorführung eines Gerätes oder bei Vorführgeräten im eigentlichen Sinne anders zu beurteilen sein

Hintergrund für die Unterscheidung: „B-Ware“ und „gebrauchte Ware“ werden vom Käuferkreis sehr unterschiedlich wahrgenommen. So genannte „B-Ware“ wird mit einem Abschlag gekauft, weil sie nicht mehr vollständig ist (etwa die Verpackung beschädigt ist). Gebrauchte Ware dagegen, die bestimmungsgemäß genutzt wurde (siehe oben), hat bereits ein erhöhtes Risiko eines Sachmangels, weswegen dann hier weniger gezahlt wird. Dieses erhöhte Risiko ist aber der Grund der Möglichkeit des §475 Abs.2 BGB – wenn ein solches Risiko nicht besteht, soll der Anwendungsbereich dann auch nicht eröffnet sein.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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