Minderung nach unwirksamer Rücktrittserklärung

Das Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt (2 U 127/13) hat entschieden, dass nach einer unwirksamen Rücktrittserklärung der Wechsel zur Minderung weiterhin möglich ist (während man sonst an die Wahl zwischen Minderung & Rücktritt gebunden ist!):

  • Ob ein Käufer nach der Ausübung seines Wahlrechts unter mehreren verschiedenen Gewährleistungsrechten – hier nach (unwirksamer) Erklärung des Rücktritts – an diese Auswahl gebunden ist oder nachträglich noch ein anderen Gewährleistungsrecht geltend machen darf – hier: Rückkehr zum Erfüllungsanspruch in Form der Nachbesserung – ist im Gesetz nicht unmittelbar geregelt.
  • Der (Nach-) Erfüllungsanspruch des Käufers erlischt erst durch eine berechtigte Rücktrittserklärung; scheitert das Rücktrittsverlangen aus formellen Gründen und kommt es deswegen nicht zu einer Umwandlung des Vertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis, so bleibt dem Käufer der Erfüllungsanspruch erhalten.

Dies ist nur Folgerichtig, da das entstehende Rückgewährschuldverhältnis den Schritt zur Minderung hindert – wenn aber die Rücktrittserklärung unwirksam ist, kann auch nicht das Rückgewährschuldverhältnis entstehen, mithin der Wechsel nicht ausgeschlossen sein.

Aus der Entscheidung:

„Grundsätzlich führt nur ein wirksam erklärter zum Erlöschen des Erfüllungsanspruchs.

aa) Ob ein Käufer nach der Ausübung seines Wahlrechts zwischen den verschiedenen Gewährleistungsrechten – hier nach der Erklärung des Rücktritts durch die Beklagten am 21.03.2012 – an diese Auswahl gebunden ist oder nachträglich noch ein anderes Gewährleistungsrecht geltend machen darf – hier: Rückkehr zum Erfüllungsanspruch in Form der Nachbesserung –, ist im Gesetz nicht unmittelbar geregelt. Der gesetzlichen Regelung lässt sich lediglich eine Unterscheidung in sog. vorrangige Gewährleistungsrechte, insbesondere dem Anspruch auf Nacherfüllung, und in nachrangige Rechte, z. Bsp. dem Rücktrittsrecht, entnehmen. Dies ergibt sich für das Verhältnis zwischen Nacherfüllung und Schadenersatz statt der Leistung wegen nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung unmittelbar aus § 281 Abs. 4 BGB, für das Verhältnis zwischen Nacherfüllung und Rücktritt mittelbar aus § 346 Abs. 1 BGB und aus § 440 S. 1 BGB sowie für das Verhältnis zwischen Nacherfüllung und Minderung aus der Gleichsetzung von Rücktritt und Minderung in § 437 Nr. 2 BGB (vgl. Weidenkaff in: Palandt, BGB, 74. Aufl. 2014, § 437 Rn. 4 ff.). Vorrangig bedeutet, dass der Käufer im Gewährleistungsfall (bei Vorliegen eines Sachmangels) zunächst nur bestimmte, auf Erfüllung des Vertrags gerichtete Gewährleistungsrechte geltend machen darf und dass ihm andere, auf Anpassung des Schuldverhältnisses gerichtete Rechte erst bei Vorliegen zusätzlicher Voraussetzungen zur Verfügung stehen. Insoweit ist es einhellige Auffassung, dass die bloße Begründung eines nachrangigen Gewährleistungsrechts, z. Bsp. des Rücktrittsrechts nach erfolglosem Ablauf einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung, noch nicht zum Erlöschen des Erfüllungsanspruchs führt (vgl. BGH, Urteil v. 20.01.2006, V ZR 124/05, NJW 2006, 1198); hierfür bedarf es neben der Begründung des Rechts auch seiner Ausübung.

bb) Die rechtswissenschaftliche Literatur lässt zum Teil nicht eindeutig erkennen, ob die Geltendmachung eines nachrangigen Gestaltungsrechts auch dann zum Erlöschen des Erfüllungsanspruchs führen kann, wenn die zusätzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen und die Rechtsausübung deswegen ins Leere geht, wie hier die Ausübung des (zunächst nicht bestehenden) Rücktrittsrechts durch die Beklagten am 21.03.2012 (vgl. etwa: Matusche-Beckmann in: Staudinger, Neubearb. 2014, § 437 Rn. 6; Faust in: Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl. 2012, § 437 Rn. 169; Berger in: Jauernig, BGB, 15. Aufl. 2014, § 437 Rn. 4; wohl auch Westermann in: MüKo-BGB, 6. Aufl. 2012, § 437 Rn. 50 bis 52; ders. in: Erman, BGB, 13. Aufl. 2011, § 437 Rn. 45 f.; für den Fall von hierdurch veranlassten Dispositionen des Verkäufers Derleder NJW 2003, 998, 1002 f.; eindeutig ablehnend: Weidenkaff a.a.O., § 437 Rn. 27; Ernst in: MüKo-BGB, a.a.O., § 281 Rn. 105; Unberath in: Bamberger/Roth, a.a.O., § 291 Rn. 50). Der Senat verneint diese Frage: Der (Nach-) Erfüllungsanspruch des Käufers bzw. das (Nach-) Erfüllungsrecht des Käufers erlischt erst durch eine berechtigte Rücktrittserklärung; scheitert das Rücktrittsverlangen, wie hier, wegen des Fehlens der formellen Rücktrittsvoraussetzungen und kommt es deswegen nicht zu einer Umwandlung des Vertrages in ein Rückgewährschuldverhältnis, so bleibt dem Käufer der Erfüllungsanspruch erhalten (so auch OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.08.2012, I-23 U 143/11, BauR 2013, 107, in juris Tz. 70; die von den Beklagten zitierte Entscheidung BGH, Urteil v. 23.02.2006, VII ZR 84/05, NJW 2006, 2254 ist nicht einschlägig, weil sie sich noch auf die Rechtslage nach dem bis zum 31.12.2001 geltenden BGB bezieht).

cc) Der Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs durch die Beklagten mit Schriftsatz vom 27.02.2013 standen auch nicht die Grundsätze von Treu und Glauben i.S.v. § 242 BGB entgegen. Zwar lehnten die Beklagten ursprünglich mit ihrer eMail vom 21.03.2012 jeglichen Nachbesserungsversuch ab, bereits einen Monat später ließen sie sich jedoch nach unwidersprochen gebliebenen Angaben der Klägerin auf deren Angebot vom 10.04.2012 ein, welches eine Nachbesserungsleistung – Austausch der beiden Matratzenauflagen der Sofas – umfasste. In der Folgezeit, wohl im Januar 2013, fand ein gemeinsamer Ortstermin in der Wohnung der Beklagten zur Besichtigung der Couchgarnitur und zur Erzielung einer außergerichtlichen Lösung statt. Auch wenn die Beklagten an ihrer Rechtsauffassung von der Wirksamkeit des Rücktritts festhielten, forderten sie die Klägerin nachfolgend mehrfach, wie vorausgeführt, jeweils mit angemessener Fristsetzung zur Nachbesserung auf.“

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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