Haftungsfrage: Das BVerfG stärkt getrennt lebende Eltern

Ein tragischer Fall veranlasste das BVerfG (1 BvL 14/09), getrennt lebende Eltern in Haftungsfragen zu stärken: Vater und Mutter leben getrennt, das Kind zeitweise beim Vater (typischerweise am Wochenende). Bei einem solchen Aufenthalt stürzte das Kind in eine ungesicherte Regentonne und befand sich ca. 10 Minuten unter Wasser. Die Reanimation war erfolgreich, es bleibt aber lebenslang ein Pflegefall. Der zuständige Sozialhilfeträger erbringt nun Leistungen.

Nun muss man wissen, dass im §116 SGB X folgendes geregelt ist:

  1. Es gibt bei einer solchen Leistung durch den Sozialhilfeträger einen Übergang des Anspruchs gegen den Schädiger auf den Sozialhilfeträger
  2. Im §116 SGB X ist aber eine Ausnahmeklausel vorgesehen hinsichtlich dieses Übergangs bzgl. nicht-vorsätzlicher Verletzungshandlungen durch Familienangehörige, die zum Zeitpunkt des Schadensereignisses in einem Haushalt mit dem Kind gelebt haben.

Nun war streitig, ob der Vater des Kindes von der Privilegierung erfasst sein sollte – immerhin befand sich das Kind ja nur zeitweilig bei ihm, wobei er einen von der Mutter getrennt lebenden Haushalt führte. Andererseits verwies der Vater darauf, dass es dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen würde, dass die Mutter bei letztlich gleichen Lebensumständen nicht zahlen müsse, wenn so ein Unfall bei ihr auftreten würde.

Das BVerfG hat die Frage nun so gelöst, dass man mit dem §116 SGB X vor dem Hintergrund der Ungleichbehandlung kein Problem hat und es so ummünzt, dass der Vater entgegen dem vermeintlichen Wortlaut doch erfasst wird:

Allerdings ist § 116 Abs. 6
Satz 1 SGB X unter Berücksichtigung des grundrechtlichen Schutzes der Familie und des Elternrechts dahingehend auszulegen, dass eine haftungsprivilegierende häusliche Gemeinschaft auch zwischen dem Kind und demjenigen Elternteil entsteht, der zwar von ihm getrennt lebt, jedoch seiner Verantwortung für das Kind in dem ihm rechtlich möglichen Maße nachkommt und regelmäßigen sowie längeren Umgang mit dem Kind pflegt, so dass dieses zeitweise auch in seinen Haushalt integriert ist.

Über die konkrete Frage im Rahmen des §116 SGB X hinaus sehe ich hier eine deutliche Signalwirkung des BVerfG in Richtung Familie und dem Schutz auch moderner Familienmodelle. Es ist zunehmend deutlich, dass das BVerfG sich von den nackten Begriffen wie „Haushalt“ trennt und auf den Alltag blickt, um „notfalls“ ohne Eingriff in das Normengerüst auch moderne Formen der Familie zu schützen.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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