AG Bonn: Markennepp lohnt sich nicht

Das deutsche Patent- und Markenamt warnt seit einiger Zeit vor Nepp mancher Unternehmen (Warnung hier, früherer Bericht dazu von mir hier). Ende letzten Jahres nun stritt sich ein Anbieter vor dem Amtsgericht Bonn (116 C 84/09) – und unterlag. Das Amtsgericht Bonn hat den auf Grund einer „Eintragungsofferte Markenverzeichnis“ vermeintlich geschlossenen Vertrag kurzerhand als Sittenwidrig nach §138 BGB eingestuft, denn es lag ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor, wobei das irreführende Formular „eine nach dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden nicht hinnehmbare „Bauernfängerei““ gewesen sei.

Die Taktik dabei ist denkbar simpel: Es wird (unaufgefordert) ein Formular zugestellt. Dieses sieht oberflächlich betrachtet aus wie eine laufende Rechnung, beim zweiten (etwas genaueren Blick) sieht man aber, dass es nur ein Angebot ist. Dabei sind viele Schreiben dieser Art heute sehr geschickt abgefasst, die Frage der Täuschung ist mitunter keineswegs leicht zu bejahen – und dazu kommt, dass gezielt Unternehmen angeschrieben werden. Dies zum einen, weil dort solche Rechnungen vielleicht einfach „im Durchlauf“ erledigt werden, zum anderen ist hier das spätere Anfechten des Vertrages (wenn die Täuschung nicht zweifelsfrei feststeht) sehr schwierig, da die Verbraucherschutzregelungen nicht greifen.

Im vorliegenden Fall war es nun so, dass Markeninhaber angeschrieben wurden und für sehr viel Geld (es war ein Laufzeitvertrag) ihre in dem „Markenverzeichnis“ des Anbieters eintragen lassen sollten. Hier stellte das Gericht fest, dass nicht erkennbar war, wo der messbare Gegenwert für die zudem enorme Summe liegen sollte. Hinzu kam, dass das AG Bonn mit sehr deutlichen Worten (Ziffer 2 im Urteil) feststellte, dass man geziehlt mit missverständlichen Formularen Unternehmen angeschrieben hat, um von dem zu erwartenden zu profitieren.

Ergebnis: Es zeigt sich, dass auch für Unternehmer die Gegenwehr sich auszahlen kann.


Aus den Gründen des Urteils:

Die zulässige ist unbegründet.

Es kann offen bleiben, ob die in der „Eintragungsofferte“ enthaltene Gerichtsstandvereinbarung wirksam oder nichtig ist.
Jedenfalls ist das Amtsgericht Bonn örtlich zuständig aufgrund der wirksamen rügelosen Einlassung der Beklagten zur Sache im Schriftsatz vom 14.10.2010 nach zuvor erfolgtem ordnungsgemäßen gerichtlichen Hinweis gemäß §§ 504, 39 ZPO.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keine vertraglichen Zahlungsansprüche im Zusammenhang mit der Eintragungsofferte vom 05.04.2007. Zwar haben die Parteien entgegen der Ansicht der Beklagten einen Vertrag entsprechend des objektiven Inhalts der Eintragungsofferte (Eintragung der Marke „f“ im Waren- und Markenverzeichnis der Klägerin, Möglichkeit schriftlicher Anfragen für die Beklagte, Entgelt für diese Leistungen 291,55 € brutto jährlich, Eintragungszeitraum zunächst bis zum 30.06.2008, automatische Verlängerung bei Nichtkündigung bis 3 Monate vor Ablauf des jeweiligen Eintragungszeitraums) geschlossen.

Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist jedoch jedenfalls aufgrund von Sittenwidrigkeit nichtig gemäß § 138 Abs. 1 BGB.

Ein Rechtsgeschäft ist nach § 138 BGB nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist, also gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Hierbei ist weder das Bewußtsein der Sittenwidrigkeit noch eine Schädigungsabsicht erforderlich, es genügt vielmehr, wenn der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen die Sittenwidrigkeit folgt; dem steht es gleich, wenn sich jemand bewußt oder grob fahrlässig der Kenntnis erheblicher Tatsachen verschließt. Danach können gegenseitige Verträge, auch wenn der Wuchertatbestand des § 138 II BGB nicht in allen Voraussetzungen erfüllt ist, als wucherähnliche Rechtsgeschäfte nach § 138 I BGB sittenwidrig sein, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung objektiv ein auffälliges Mißverhältnis besteht und außerdem mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen läßt (BGHZ 146, 298; BGH WM 1998, 513), wobei nach der Rechtsprechung zugunsten von Kaufleuten aus dem objektiv vorliegenden auffälligen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung keine Vermutung einer verwerflichen Gesinnung des Vertragspartners folgt (vgl. zu letzterem Palandt-Ellenberger, 68. Auflage, § 138, Rn. 34a, 34 c, m.w.N.). Die zuerst genannten Voraussetzungen sind erfüllt – wobei die genannte Vermutung zugunsten der Beklagten nicht gilt, da die Beklagte Formkaufmann gemäß § 6 HGB i.V.m. § 13 GmbHG ist.

1.
Auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung:
Ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ist zu bejahen.
Die (jährliche) Leistung der Klägerin ist – jedenfalls nahezu – wertlos; der Wert der Gegenleistung beträgt hingegen jährlich 291,55 € brutto.
Der wirtschaftliche Wert der Vertragsleistung der Klägerin liegt jedenfalls nahe bei „Null“, wenn nicht gar bei „Null“. Der wirtschaftliche Wert bemisst sich danach, welchen wirtschaftlichen Wert die von der Klägerin geschuldeten Vertragsleistungen für die Beklagte haben. Die Vertragsleistungen der Klägerin sind zum einen die Eintragung der Marke „f“ als solche im Waren- und Markenverzeichnis der Klägerin und zum anderen die Möglichkeit der Beklagten schriftliche Anfragen zum Inhalt des Waren- und Markenverzeichnisses der Klägerin bei der Klägerin zu stellen (und entsprechend die Antwort durch die Klägerin zu erhalten).
Der wirtschaftliche Wert der Eintragung der Marke „f“ als solche im Waren- und Markenverzeichnis der Klägerin und die Möglichkeit der Beklagten schriftliche Anfragen zum Inhalt des Waren- und Markenverzeichnisses der Klägerin bei der Klägerin zu stellen (und entsprechend die Beantwortung durch die Klägerin) ist mit „Null“ bzw. jedenfalls mit nahezu „Null“ zu bewerten. Es ist nicht ansatzweise ersichtlich, welches wirtschaftliche Interesse ein Markeninhaber wie die Beklagte an einer Eintragung ihrer Marke im Waren- und Markenverzeichnis der Klägerin haben sollte. Es ist als sicher anzunehmen, dass beim EQNB, welches die Behörde ist, bei der neue Marken anzumelden sind, deutlich mehr Marken eingetragen sind, als im privaten Verzeichnis der Klägerin.

Die Klägerin hat auch auf den entsprechenden Vortrag der Beklagten und die Fragen des Gerichts aus dem Auflagen- und Hinweisbeschluss vom 12.07.2010 nicht konkret dazu vorgetragen, wie sich das Verhältnis der Eintragungen zwischen ihrem Verzeichnis und dem – öffentlich im Internet verfügbaren und damit gerichtsbekannten – Verzeichnis der EQNB darstellt. Dabei hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, dass es der Geschäftspraxis der Klägerin entspricht, die Daten jeder neuen Anmeldung und Eintragung einer Marke im Verzeichnis des EQNB (entsprechend der Veröffentlichung beim EQNB) in ihr Formular der Eintragungsofferte zu übernehmen und ein entsprechendes Exemplar als Vertragsangebot an den entsprechenden Markeninhaber zu versenden. Insoweit ist nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin zu dem Verhältnis der Eintragungen zwischen den beiden Verzeichnissen keine Angaben machen können sollte – diese Information ergibt sich zwanglos aus der „Erfolgsquote“ ihrer eigenen Angebote, welche sich aus den eigenen Geschäftsunterlagen ergibt. Demnach ist der Vortrag der Beklagten als zugestanden anzusehen, dass das Verzeichnis der Klägerin vergleichsweise unbekannt ist und vergleichsweise deutlich mehr Marken im Verzeichnis des EQNB als im Verzeichnis der Klägerin eingetragen sind. Diese vergleichsweise Unbekanntheit und Unvollständigkeit bzw. untergeordnete Größe des Markenverzeichnisses der Klägerin begründet die Annahme, dass Marktteilnehmer, die sich über eine eingetragene Marke informieren wollen, dies in der Regel ausschließlich über das öffentlich im Internet zugängliche Verzeichnis des EQNB vornehmen werden.

Der Beklagten ist darin zuzustimmen, dass nicht anzunehmen ist, dass – aufgrund der Lückenhaftigkeit – im Verzeichnis der Klägerin eine sinnvolle Markenrecherche vorgenommen werden kann. Ebenso wie kein vernünftiger Mensch eine Suchmaschine im Internet benutzen würde, die nur einen Bruchteil der Webseiten im Internet filtert bzw. entsprechende Suchbegriffe erkennt (und der deshalb vielmehr auf die „großen“ Suchmaschinen wie „Google“, „Yahoo“ oder „Bing“ zugreift), ist anzunehmen, dass auch Marktteilnehmer, also Dritte, die sich über eingetragene Marken bzw. die entsprechenden Inhaber informieren will, auf ein großes, vollständiges Verzeichnis zugreifen werden. Es ist dementsprechend nicht ansatzweise ersichtlich und als äußerst unwahrscheinlich anzusehen, dass sich Dritte zur Information über eingetragene Marken bzw. über die entsprechenden Markeninhaber in der Regel des Verzeichnisses der Klägerin bedienen (werden). Dementsprechend ergibt sich aus der Eintragung einer Marke im Markenverzeichnis der Klägerin auch kein wirtschaftlicher Wert durch die Bereitstellung von Informationen über die Marke der Beklagten zugunsten Dritter, die hierauf zugreifen (sollen). Denn ein wirtschaftlicher Wert ergäbe sich nur, falls diese Informationen auch von interessierten Dritten üblicherweise abgerufen werden würden, was nicht der Fall ist. Soweit die Klägerin vortrug, dass sich aus dem Inhalt der Eintragung im Verzeichnis der Klägerin ein größerer Leistungs- bzw. Informationsumfang ergebe, wonach beim EQNB im Gegensatz zum Verzeichnis der Klägerin alle Angaben fehlten, die zur Kontaktaufnahme zum Markeninhaber erforderlich seien (Straße, Telefon, Faxnummer, e-mail-Adresse) und deshalb doch ein „Leistungsmehrwert“ bestünde, ist dies gerichtsbekannt unzutreffend, da sich aus der vom Gericht bereits im Auflagen- und Hinweisbeschluss vom 12.07.2010 den Parteien mitgeteilten einminütigen Abfrage der Marke „f“ unter http://….de/EQNBs/n/f (Bl. 44a GA) ergibt, dass dort dieselben Kontaktinformationen (frei und öffentlich) abrufbar waren, wie sich diese auch aus dem von der Klägerin dargelegten Verzeichnisinhaltsauszug bezüglich ihres eigenen Registers (Bl. 51 GA) ergeben. In beiden Verzeichniseinträgen ist die Adresse der Beklagten mit Postleitzahl und Ort angegeben. In beiden Verzeichniseinträgen ist als Vertreter und Zustellanschrift dieselbe Rechtsanwaltskanzlei mit Adresse genannt. Insgesamt ist der Inhalt des Verzeichniseintrags der Klägerin praktisch eine schlichte Kopie der Daten aus dem Verzeichniseintrag beim EQNB (sogenanntes „Copy/Paste“-Verfahren). Der einzige nennenswerte Unterschied besteht darin, dass beim EQNB noch die ehemalige Adresse der Beklagten in T genannt wird und die Klägerin die aktuelle Adresse in N führt, was jedoch keinen nennenswerten Mehrwert darstellt, da als Brief-Kontaktadresse, nämlich als Zustellungsanschrift auch bei der Klägerin die Rechtsanwaltskanzlei genannt wird. Entgegen der Behauptung der Klägerin enthält das Verzeichnis der Klägerin insbesondere keine weitergehenden Kontaktdaten wie Telefonnummer, Faxnummer oder e-mail-Adresse, welche möglicherweise einen (Mehr-)Wert hätten begründen können. Die von der Klägerin vorgetragene Möglichkeit, einer Produkt- und Unternehmensbeschreibung mit bis zu 550 Zeichen sowie die Einfügung von 3 Suchbegriffen begründen angesichts der Lückenhaftigkeit des Verzeichnisses der Klägerin bezüglich der erfassten Marken auch keinen (Mehr-)Wert.

Des Weiteren wird die Annahme einer jedenfalls nahezu vorliegenden Wertlosigkeit der Vertragsleistung der Klägerin durch die Limitierung der Vertragsleistung, wonach Anfragen, d.h. Auskünfte zum Inhalt des von der Klägerin geführten Verzeichnisses, schriftlich zu stellen sind, gestützt. Im Zeitalter des Internets begründet dies eine erhebliche objektive Abwertung der Leistung, zumal dieselben Informationen beim EQNB einfach, schnell und kostenfrei im Internet zum Abruf bereit stehen, s.o. Mit anderen Worten: Die Klägerin bietet kostenpflichtig eine Leistung an, die anderswo kostenfrei, einfacher und schneller verfügbar, also besser angeboten wird. Hierbei kann sich die Klägerin entgegen ihrer Ansicht nicht darauf berufen, dass die Anmeldung der Marke auch beim EQNB kostenpflichtig ist und deshalb auch die Leistung der EQNB kostenpflichtig sei. Dies betrifft nämlich die (den markenrechtlichen Schutz absichernde) Eintragung der Marke als solche. Bei dem vorzunehmenden Vergleich der beiden Leistungen und Gegenleistungen kommt es nur darauf an, was der wirtschaftliche Sinn sein sollte, nach bereits erfolgter Eintragung der Marke beim EQNB die Marke noch zusätzlich im Markenverzeichnis der Klägerin einzutragen und dann die Möglichkeit der – schriftlichen – Anfragen zu haben (und dass Dritte die entsprechenden Informationen dann auch abrufen könnten). Angesichts der Sinnlosigkeit einer Markenrecherche im Verzeichnis der Klägerin im Vergleich zur Recherche im Verzeichnis des EQNB ist der wirtschaftliche Sinn einer solchen zusätzlichen Eintragung nicht erkennbar. Im Übrigen kommt es für die Bewertung des wirtschaftlichen Werts auf den Inhalt der Vertragsleistung und den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an (Palandt-Ellenberger, 68. Auflage, § 138, Rn. 9, m.w.N.). Demnach kommt es nicht darauf an, dass die Klägerin inzwischen ihr Verzeichnis auch im Internet online abrufbar zur Stellung von Anfragen bereit hält. Vertragsinhalt ist allein die Eintragung der Marke in das (wie auch immer geartete) Waren- und Markenverzeichnis der Klägerin und die Möglichkeit schriftlicher Anfragen, nicht aber die Führung eines online-Verzeichnisses und die online-Abrufbarkeit. Unabhängig davon begründet aber auch die inzwischen erfolgte Bereitstellung des Verzeichnisses der Klägerin im Internet keinen nennenswerten wirtschaftlichen Mehrwert, da nicht zu erwarten ist, dass interessierte Dritte hierüber eine Markenrecherche vornehmen werden, s.o.

Insgesamt steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der wirtschaftliche Wert der von der Klägerin mit der „Eintragungsofferte“ angebotenen und nachfolgend vereinbarten Vertragsleistung jedenfalls nahezu bei „Null“ liegt, also dass die Vertragsleistung – jedenfalls nahezu – wertlos war und dass damit ein auffälliges Mißverhältnis zur Gegenleistung der Beklagten im Wert von 291,55 € brutto jährlich besteht.

2.
Weitere die Sittenwidrigkeit begründende Umstände:

Insoweit ist zum einen maßgeblich, dass die Klägerin in Kenntnis dessen, dass das von ihr entworfene und jährlich dutzendfach, wenn nicht gar hundert- bis tausendfach an potentielle „Kunden“ verschickte Formular der „Eintragungsofferte“ ein nicht unerhebliches Mißverständnispotential, wenn nicht gar Irreführungspotential beinhaltet. Der Klägerin war bekannt, dass es im Verlauf der Jahre mehrere Kunden gab, die ihr gegenüber die Ansicht äußerten, durch dieses Formular getäuscht worden zu sein, wie der Klägerin aus der – gerichtsbekannt – nicht unerheblichen Anzahl von Gerichtsprozessen bekannt war (über 100 Rechtsstreitigkeiten seitens der Klägerin gegen verschiedene Unternehmen seit dem Jahre 2000 allein beim AG Bonn).

Dabei ist nicht entscheidend, dass die Klägerin letztlich in der weit überwiegenden Anzahl der Gerichtsprozesse mit der Begründung obsiegte, dass der Wert der Leistung angesichts der geltenden Vertragsfreiheit unerheblich sei und dass die „Eintragungsofferte“ (für einen durchschnittlichen Kaufmann) hinreichend verständlich sei und dass deshalb eine Täuschung ausscheide. Abgesehen davon, dass diese Rechtsauffassung (vgl. LG Bonn, Urteil v. 29.07.2009, 5 S 73/09) nach Ansicht des Abteilungsrichters zweifelhaft ist, weil es im Rahmen der Frage der Sittenwidrigkeit durchaus auf das Verhältnis des Werts von Leistung und Gegenleistung ankommt und es für die Frage der arglistigen Täuschung nicht darauf ankommen dürfte, ob der Vertragspartner die Täuschung hätte erkennen können, sondern darauf, ob dieser es tatsächlich getan hat, so dass ein fahrlässiges Verhalten des Vertragspartners (im Umgang mit der Werbepost) irrelevant sein dürfte (vgl. LG Köln NJW-RR 2008, 296; BGHZ 33, 302 (310), BGH NJW 1971, 1795 (1798); BGH NJW 1989, 287 (288)) und weil im übrigen gerichtsbekannt solche Briefe wie die „Eintragungsofferte“ nicht vom , sondern von (einfach geschultem) Büropersonal geöffnet und bearbeitet werden (wie auch hier unstreitig der Fall war), bei denen ein Irrtum viel wahrscheinlicher ist, begründet die Tatsache, dass gerichtsbekannt im Verlaufe der Jahre eine Vielzahl von „Kunden“ der Klägerin im Rahmen der Eintragungsofferten sich gegen weitere Zahlungen auch gerichtlich wehrten, die Annahme, dass der Klägerin bewusst war, dass die Eintragungsofferte in der von ihr seit Jahren praktisch unverändert genutzten (Formular-)Form ein erhebliches Missverständnis- bzw. Irreführungspotential aufweist, auch wenn ein aufmerkamer, hinreichend qualifizierter Leser durchaus verstehen könnte (und sollte), dass es sich um ein kostenpflichtiges Angebot zur Eintragung in das private Waren- und Markenverzeichnis der Klägerin handelt.

Der Klägerin war jedoch gleichsam bewusst, dass die Aufmachung und Gestaltung der Eintragungsofferte dazu führen kann, dass der unaufmerksame bzw. nicht hinreichend qualifizierte Leser den Inhalt missversteht. Der erkennende Abteilungsrichter hat hierzu bereits detaillierte Ausführungen im Urteil vom 21.01.2009 in der Sache AG Bonn 7 C 211/08, gemacht, auf welche Bezug genommen wird. Zusammenfassend ist noch einmal zu betonen, dass die Eintragungsofferte recht „geschickt“ so aufgebaut ist, dass besonders relevante Informationen erst spät bzw. an unerwarteten Stellen im Text auftauchen und dass ungenaue bzw. vergleichsweise eher schwer verständliche Formulierungen (z.B. „Offerte“ anstatt der üblichen, bei genügender Transparenz zu erwartenden Formulierung „Angebot“) verwendet werden, so dass der unaufmerksame bzw. nicht besonders qualifizierte Leser den Inhalt dahingehend missverstehen kann, dass auf einen bereits erfolgten Vertragsschluss im Zusammenhang mit der Eintragung der Marke beim EQNB gezahlt werden soll.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass es hier um Post an Unternehmen geht, bei denen gerichtsbekannt kleinere Rechnungen zum Massengeschäft gehören, für deren Prüfung eher wenig Zeit bleibt und welche in der Regel von einfachem Büropersonal bzw. Mitarbeitern der Buchhaltung vorgenommen wird. Es ist anzunehmen, dass die Klägerin es gerade darauf anlegt, dass angesichts des Zusammenspiels der ungenauen, vergleichsweise schwer bis mißverständlichen bzw. irreführenden Formulierung der Eintragungsofferte und der zu erwartenden niedrigen Prüfungsqualität beim Empfänger (und angesichts der massenhaften Versendung der Eintragungsofferten) einige Empfänger auf die Eintragungsofferte hereinfallen werden und aufgrund eines Irrtums zahlen werden, die ansonsten von einer Annahme des Angebots der Klägerin Abstand genommen hätten – insbesondere angesichts des mangelnden wirtschaftlichen Werts der angebotenen Leistung, s.o. Zudem war der Klägerin bekannt, dass sogar das EQNB selber auf ihrer Webseite vor den Eintragungsofferten der Klägerin wegen warnte, wie die Beklagte unwidersprochen vortrug. Dass die Klägerin in Kenntnis dieser Umstände ihr Formular der Eintragungsofferte nicht entsprechend abändert(e) und transparenter und verständlicher gestaltet(e) – was ohne Weiteres möglich wäre, begründet die Annahme, dass es ihr gerade darum geht, dass möglichst viele Empfänger ihrer massenweise verschickten Eintragungsofferten dem dargestellten Versehen bzw. Irrtum erliegen und auf die Eintragungsofferte zahlen. Es ist noch einmal zu betonen, dass die Anforderungen an die Transparenz steigen, desto geringwertiger die angebotene Leistung ist (vgl. AG Bonn, Urteil v. 21.01.2009, 7 C 211/08, so auch LG Bonn, Urteil v. 29.07.2009, 5 S 73/09). Da der Wert der angebotenen Leistung nahe Null liegt, sind die Anforderungen an die Transparenz sehr hoch; diese werden durch die Gestaltung der Eintragungsofferte nicht gewahrt, und diese mangelnde Transparenz ist der Klägerin bewusst.

Dieses Geschäftsgebahren der Klägerin stellt in der Gesamtschau eine nach dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden nicht hinnehmbare „Bauernfängerei“ dar, die im Zusammenspiel mit dem auffälligen Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung die Annahme der Sittenwidrigkeit gemäß § 138 I BGB begründet.

Im übrigen dürfte der Vertrag aus den genannten Gründen von der Beklagten auch wirksam angefochten worden sein wegen arglistiger Täuschung auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des LG Bonn vom 29.07.2009, 5 S 73/09, wobei anzumerken ist, dass die effektivste und schlauste Art der Täuschung vielfach die Täuschung mit der Wahrheit (mit anderen Worten: dem Anderen die Wahrheit so sagen bzw. darstellen, dass er sich dennoch irrt) ist, wie die vielen Fallgestaltungen des Trickbetrugs zeigen. Ein plastisches Beispiel hierfür ist die Art und Weise, wie die „Abzocke“ im Kinofilm „Der Clou“ durchgeführt wird („Platzieren Sie…..auf….“ = „Setzen Sie auf den 2. Platz“ (beim Pferderennen) in der Erwartung des Mißverständnisses und dass somit auf den 1. Platz gesetzt wird). Es kommt nach Ansicht des erkennenden Abteilungsrichters nicht entscheidend darauf an, dass objektiv betrachtet die Eintragungsofferte nur schwerlich geeignet ist, beim Leser Fehlvorstellungen zu begründen – dies gilt eben nur aus der Sicht des aufmerksamen, hinreichend qualifizierten Lesers. Für die Frage der vom Gericht zu ergründenden Absichten des Absenders ist dies jedoch nur ein Kriterium unter vielen im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau, s.o.

Die Nebenforderungen sind entsprechend auch unbegründet, §§ 280, 286, 249 ff. BGB.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, 2 ZPO.

Die Berufung gegen das Urteil wird zugelassen, da die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert, § 511 IV S. 1 ZPO.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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