Zahlen und Fakten zum Thema Kindesmissbrauch

Zum Thema Cybercrime gehört fest verbunden auch die Thematik Sexualstrafrecht, insbesondere der Kindesmissbrauch. Ich habe in den vergangenen Jahren sowohl Opfer wie Täter vertreten und dabei gelernt, dass es viele Irrtümer in diesem Bereich gibt. Einer der gefährlichsten Irrtümer ist aus meiner Sicht, dass viele Menschen bis heute bei „Kindesmissbrauch“ an irgendeinen Fremden denken, der sich eines Kindes bemächtigt. Statistisch aber ist es so, dass die meisten Übergriffe vorwiegend im eigenen sozialen Umfeld des Kindes stattfinden, insbesondere im eigenen familiären Umfeld.

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat zusammen mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung eine sehr umfangreiche Pressemitteilung herausgegeben, in der einige Fakten zum Thema Kindesmissbrauch mitgeteilt werden. Diese gebe ich im Folgenden wider.

Zahlen, Daten, Fakten – Pressemitteilung

Häufigkeiten sexuellen Missbrauchs von Kindern

  • Präzise Angaben zu den Häufigkeiten sexuellen Kindesmissbrauchs sind schwer möglich (die den Zahlen zugrunde liegenden Studien sind nur eingeschränkt vergleichbar, da es Unterschiede gibt in Bezug auf methodische Aspekte im Studiendesign, Rücklauf, Stichproben- umfang und -gewinnung, Definition sexuellen Missbrauchs, Altersgrenzen etc.). Die Dunkelziffer ist um ein Vielfaches höher.
  • National und international sind die Häufigkeitsangaben – soweit die einzelnen Studien vergleichbar sind – allerdings ähnlich. Es lassen sich folgende Durchschnittswerte erkennen:o Insgesamtsindca.zwölfProzentallerKinderbetroffen (Häuser et al. 2011; Stoltenborgh 2011). Mädchen zu etwa zehn bis 15 Prozent und Jungen zu ca. fünf Prozent.
  • Unstrittig ist die Tatsache, dass Mädchen häufiger als Jungen von sexuellem Missbrauch betroffen sind.
  • Die (PKS) in Deutschland hat für 2017 einen leichten Rückgang auf 11.547 angezeigte Fälle sexuellen Missbrauchs von Kindern (§§ 176, 176a, 176b StGB) verzeichnet – gegenüber 12.019 Fällen in 2016. Dieses Minus muss nicht bedeuten, dass es tatsächlich weniger Fälle sexuellen Missbrauchs gab, sondern könnte in einem anderen Anzeigeverhalten begründet sein. Die Daten der PKS weisen lediglich die sogenannten Hellfelddaten aus. Es muss von einer deutlich höheren Dunkelziffer ausgegangen werden.

Gründe für die hohe Dunkelziffer

  • Für Betroffene von sexuellem Missbrauch ist es sehr schwierig, über das Geschehene zu berichten. Die Annäherungsstrategien des Täters – der als „Grooming“ beschriebene manipulative Prozess der Vertrauensgewinnung beim Kind und dessen Umfeld – können verhindern, dass die Tat mitgeteilt wird (Deutsches Jugendinstitut (DJI) 2011, Paine und Hansen 2002).
  • Kinder müssen sich oftmals mehreren Erwachsenen offenbaren, bevor ihnen Glauben geschenkt wird.

Täter/innen und Betroffene

  • Die häufigste Tätergruppe beim sexuellen Missbrauch mit Körperkontakt sind bekannte männliche Personen (Familien- angehörige und Bekannte) (76,4 Prozent). 19,8 Prozent der Befragten berichten von unbekannten männlichen Personen und 3,8 Prozent von Täterinnen.
  • Als Tatorte des sexuellen Missbrauchs mit Körperkontakt dominieren der Wohnbereich der Betroffenen (31 Prozent) beziehungsweise des Täters (21,7 Prozent). Eher selten wurden öffentliche Bildungs- und Freizeiteinrichtungen und kirchliche Einrichtungen als Tatorte genannt (Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen (KfN) 2012).
  • Das Alter zum Zeitpunkt der ersten Missbrauchserfahrung liegt im Durchschnitt bei 9,5 Jahren (MiKADO 2015) und zeichnet somit Kinder im Grundschulalter als die gefährdetste Altersgruppe aus.Risikofaktoren für sexuellen MissbrauchRisikofaktoren1 lassen sich nicht spezifisch der Gewaltform zuordnen, sondern treffen auch für andere Formen von Kindesmisshandlung zu. Empirische Studien konnten Zusammenhänge zwischen kind-, familien- und umweltbezogenen Faktoren und sexuellem Missbrauch an Kindern nachweisen. Aus der Vielzahl identifizierter Risikofaktoren werden hier einige beispielhaft aufgeführt (DJI 2011):
    • Risikofaktoren für Kinder: weibliches Geschlecht, Alter (mit steigendem Risiko für höheres Alter), Behinderung, unsicheres Bindungsverhalten und geringe soziale Kompetenz
    • Risikofaktoren durch die Familie: geringe Fürsorge für das Kind, eigene Erfahrungen sexueller Gewalt, Alkoholabhängigkeit und/oder Drogenmissbrauch eines Elternteils
    • Umweltbezogene Risikofaktoren: beeinträchtigte Beziehungen zwischen der Familie und der sozialen Umwelt, geringe soziale Unterstützung der Mütter, Aufwachsen mit alleinerziehenden Eltern beziehungsweise in Stieffamilien

Sexueller Kindesmissbrauch als Thema in verschiedenen Kontexten:

In der Forschungslandschaft

Der Forschungsstand in Deutschland und auch international zu Risiko- faktoren, Tatverläufen und -dynamiken, den Folgen für die Entwicklung der Betroffenen und Formen der Verarbeitung der Gewalterlebnisse ist nicht ausreichend. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt deshalb seit 2011 mit rund 63 Millionen Euro den gezielten nachhaltigen Aufbau einer Wissenschaftslandschaft zum Thema sexualisierte Gewalt und sexueller Kindesmissbrauch. (www.bmbf.de/de/schutz-von- kindern-und-jugendlichen-vor-sexueller-gewalt-1241.html undwww.empirische-bildungsforschung-bmbf.de/de/2185.php)

In Institutionen

Die nicht-repräsentative Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI 2011) befragte 1.128 Schulleitungen, 702 Vertrauenslehrkräfte, 342 Heimleitungen, 97 Internatsleitungen und 77 Schülervertretungen nach bekannt gewordenen Fällen von sexuellem Missbrauch. Hierbei wurde differenziert zwischen Fällen von Missbrauch durch Beschäftigte der Institution, durch andere Schülerinnen und Schüler und durch Personen außerhalb der Institution. In den letzten drei Jahren berichteten 43 Prozent der Schulleitungen, 40 Prozent der Vertrauenslehrerinnen und -lehrer sowie 49 Prozent der Internatsleitungen von Verdachtsfällen. In Heimen gaben 70 Prozent der Leitungen an, dass ihnen Verdachtsfälle bekannt geworden waren.
Für die Studie „Wissen von Schülerinnen und Schülern über sexuelle
Gewalt in pädagogischen Kontexten“ (2017) befragte das Deutsche Jugendinstitut über 4.300 Schülerinnen und Schüler sowie Schulleitungen:

  • Die Schülerinnen und Schüler fühlen sich ausreichend über Sexualität aufgeklärt, aber nicht über sexuelle Gewalt. Über ein Drittel möchte mehr darüber erfahren.
  • Wenn die Schule zuvor in die Fortbildung des pädagogischen Personals zum Thema sexuelle Gewalt investiert hatte, vertrauten sich mehr betroffene Schüler und Schülerinnen den Lehrkräften an.
  • Die Ergebnisse der DJI-Studie bestätigen andere Befunde, nach denen eine präventive Aufklärungsarbeit an den Schulen die Bereitschaft der Schülerinnen und Schüler erhöht, sich im Falle von sexuellen Übergriffen an Dritte zu wenden (DJI 2017).


Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht, Arbeitsrecht und IT-Recht / Technologierecht.