In seinem Beschluss vom 7. Mai 2024 (Az. 4 StR 82/24) hat der Bundesgerichtshof (BGH) die rechtlichen Anforderungen an die Anwendung des § 315b Strafgesetzbuch (StGB) bei einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr präzisiert.
Der Fall betraf einen Mann, der in einem Zustand paranoider Schizophrenie eine Gehwegplatte auf die Fahrbahn warf. Die Entscheidung des BGH klärt die Anforderungen an den Tatbestand des gefährlichen Eingriffs sowie die Voraussetzungen für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB.
Sachverhalt
Der Angeklagte, der an paranoider Schizophrenie leidet, warf eine Gehwegplatte gegen ein herannahendes Fahrzeug, wodurch ein Sachschaden von etwa 10.000 Euro entstand. Die Fahrerin blieb unverletzt und konnte den Wagen sicher kontrollieren.
Das Landgericht Darmstadt wertete die Tat als gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB), versuchte gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB), Sachbeschädigung (§ 303 StGB) und Bedrohung (§ 241 StGB). Es ordnete zudem die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus an.
Rechtliche Würdigung
- Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b StGB):
Der BGH hob hervor, dass ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr dann vorliegt, wenn eine Handlung – wie das Werfen einer Gehwegplatte – zu einer konkreten verkehrsspezifischen Gefahr führt. Dies setzt voraus, dass die Gefahr zumindest teilweise auf die für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte zurückzuführen ist. Im vorliegenden Fall wurde festgestellt, dass die Fahrerin das Fahrzeug trotz des Schadens weiterhin sicher kontrollieren konnte und die Beschädigung nicht auf eine solche verkehrsspezifische Gefahr zurückzuführen war. - Vorsatz und Gefährlichkeit des Täters:
Die Annahme einer strafbaren Handlung gemäß § 315b StGB erfordert, dass der Täter den Vorsatz hat, eine konkrete Gefahr für den Straßenverkehr zu verursachen. Bei psychischen Erkrankungen ist besonders zu prüfen, ob der Täter aufgrund seines Zustands die notwendige Willensrichtung hatte. Der BGH wies darauf hin, dass es der Annahme eines natürlichen Tatvorsatzes nicht entgegensteht, wenn der Täter aufgrund seines Zustands Tatsachen verkennt, die jeder geistig Gesunde richtig erkannt hätte. Dennoch müssen die genauen Umstände und die innere Einstellung des Täters sorgfältig geprüft werden. - Rücktritt vom Versuch und dessen Bedeutung für die Unterbringung:
Der BGH stellte fest, dass das Landgericht keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen hatte, ob der Beschuldigte vom Versuch der gefährlichen Körperverletzung zurückgetreten ist. Ein Rücktritt würde die Gefährlichkeit des Verhaltens mindern und die Grundlage für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus infrage stellen. Der Wille, die Tat nicht zu vollenden oder den Erfolg abzuwenden, nimmt dem Verhalten des Täters seine besondere Gefährlichkeit. Ohne eine klare Feststellung, ob der Beschuldigte vom Versuch zurückgetreten ist, kann die Maßregel der Unterbringung nicht aufrechterhalten werden.
Fazit
Der BGH hat klargestellt, dass für die Anwendung des § 315b StGB nicht nur eine Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs bestehen muss, sondern diese auch spezifisch verkehrsbedingt sein muss. Außerdem ist es entscheidend, ob der Täter bei einem Versuch strafbefreiend zurückgetreten ist, insbesondere wenn dieser aufgrund einer psychischen Erkrankung handelt. Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Prüfung der subjektiven und objektiven Tatbestandsmerkmale sowie der inneren Tatseite bei der Bewertung der Gefährlichkeit des Täters.
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