Wiederholungsgefahr und behördliche Untersagungsverfügung durch Bundesnetzagentur

Wenn Regulierung die UWG-Klage überholt: Die Frage, wann eine Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr entfällt, ist im Wettbewerbs- und Verbraucherschutzrecht von zentraler Bedeutung. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Urteil vom 21. Oktober 2025 (EnZR 97/23) klargestellt, dass eine bestandskräftige Untersagungsverfügung der Bundesnetzagentur die Begehungsgefahr für wettbewerbswidriges Verhalten beseitigen kann – vorausgesetzt, der Verpflichtete beruft sich ausdrücklich auf die behördliche Entscheidung. Es wird hier in einem seltenen Fall deutlich, wie behördliche Regulierung und zivilrechtliche Ansprüche ineinandergreifen.

Preiserhöhungen und behördliche Untersagung

Ein Energieversorger hatte im Jahr 2021 seinen Kunden Preiserhöhungen und erhöhte Abschlagszahlungen angekündigt, ohne die gesetzlichen Transparenzanforderungen des § 41 Abs. 5 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) zu erfüllen. Die Bundesnetzagentur untersagte dem Unternehmen mit bestandskräftigen Beschlüssen vom 7. Februar 2022, unberechtigte Abschlagserhöhungen einzuziehen, und drohte ein Zwangsgeld von 100.000 Euro an. Ein Verbraucherschutzverband klagte dennoch auf Unterlassung und Beseitigung der Folgen der Preiserhöhungen.

Das Landgericht gab der Klage teilweise statt, das Oberlandesgericht bestätigte dies im Berufungsverfahren. Der BGH hob die Verurteilung zur Unterlassung der Abschlagserhöhungen auf, da die Untersagungsverfügung der Bundesnetzagentur die Begehungsgefahr entfallen ließ. In anderen Punkten – etwa bei der unzureichenden Transparenz der Preiserhöhungen – blieb die Klage jedoch erfolgreich.

Begehungsgefahr und behördliche Untersagung: Wann entfällt die Klagebefugnis?

Der BGH betonte, dass eine Erstbegehungsgefahr bereits dann entfällt, wenn der Verpflichtete durch einen „actus contrarius“ – also ein entgegengesetztes Verhalten – klar und unmissverständlich von seinem bisherigen Standpunkt abrückt. Dies kann auch durch den Verweis auf eine behördliche Untersagungsverfügung geschehen, sofern diese mit hinreichend abschreckenden Zwangsmitteln verbunden ist.

Im vorliegenden Fall hatte der Energieversorger sich in der Klageerwiderung ausdrücklich auf die Beschlüsse der Bundesnetzagentur berufen und damit zu erkennen gegeben, dass er die behördliche Entscheidung akzeptiert. Da die Bundesnetzagentur ihre Anordnung mit einem hohen Zwangsgeld bewehrt hatte, war davon auszugehen, dass der Versorger die Untersagung ernst nehmen würde. Damit entfiel die Erstbegehungsgefahr für die Abschlagserhöhungen – und der Unterlassungsanspruch des Verbraucherschutzverbands war insoweit unbegründet.

Klage teilweise erfolgreich

Transparenzpflichten bei Preiserhöhungen: Anders verhält es sich bei den Preiserhöhungen selbst. Hier hatte der Energieversorger zwar ebenfalls behördliche Beschlüsse vorgebracht, diese betrafen jedoch nur die Abschlagserhöhungen, nicht aber die mangelnde Transparenz der Preisanpassungen. Nach § 41 Abs. 5 EnWG müssen Energielieferanten den Anlass, die Voraussetzungen und den Umfang von Preiserhöhungen klar und verständlich darlegen. Die bloße Nennung „außergewöhnlich stark angestiegener Großhandelspreise“ reicht nicht aus, um den Kunden eine informierte Entscheidung zu ermöglichen.

Der BGH bestätigte, dass die unzureichende Information über die Gründe der Preiserhöhung eine Verletzung der Verbraucherschutzvorschriften darstellt. Da die Bundesnetzagentur diese konkreten Verstöße nicht untersagt hatte, blieb die Wiederholungsgefahr bestehen – und der Verbraucherschutzverband konnte seine Unterlassungsansprüche durchsetzen.

Wann sind Berichtigungsschreiben erforderlich?

Ein weiterer Streitpunkt war die Frage, ob der Energieversorger verpflichtet war, betroffenen Kunden Berichtigungsschreiben zuzusenden. Der BGH bestätigte, dass ein solcher Beseitigungsanspruch besteht, wenn die fehlerhaften Preiserhöhungen zu einem fortdauernden Störungszustand geführt haben. Allerdings muss der Anspruch verhältnismäßig sein: Die Verpflichtung zur Versendung von Berichtigungsschreiben dient dazu, die Fehlvorstellungen der Verbraucher zu korrigieren – nicht aber, den Versorger unnötig zu belasten.

Im vorliegenden Fall war die Verurteilung zur Versendung von Berichtigungsschreiben nur insoweit gerechtfertigt, als die Preiserhöhungen tatsächlich unwirksam waren. Soweit die Bundesnetzagentur bereits eine Untersagung ausgesprochen hatte, entfiel auch hier die Notwendigkeit einer zusätzlichen gerichtlichen Anordnung.

Behördliche Regulierung als Alternative zur Klage

Die Entscheidung des BGH unterstreicht, dass behördliche Untersagungsverfügungen mit abschreckenden Zwangsmitteln oft ausreichen, um wettbewerbswidriges Verhalten zu unterbinden. Unternehmen, die sich auf solche Verfügungen berufen, können damit die Begehungsgefahr entfallen lassen – und sich so gegen wettbewerbsrechtliche Klagen wehren. Allerdings gilt dies nur für die konkreten Verstöße, die von der Behörde untersagt wurden. Bei anderen Rechtsverletzungen bleibt die Klagebefugnis von Verbraucherschutzverbänden bestehen.

Unternehmen sehen hier, dass bei behördlichen Untersagungen genau prüfen müssen, ob diese alle relevanten Verstöße abdecken. Andernfalls riskieren sie weiterhin zivilrechtliche Ansprüche. Gleichzeitig zeigt die Entscheidung, dass Gerichte behördliche Regulierung als wirksames Mittel zur Verhinderung von Wiederholungen anerkennen – und damit die Zusammenarbeit zwischen Behörden und Zivilgerichten stärken.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist Spezialist für Strafverteidigung (insbesondere bei Wirtschaftskriminalität wie Geldwäsche, Betrug bis zu Cybercrime) sowie für IT-Recht (Softwarerecht und KI, IT-Vertragsrecht und Compliance) mit zahlreichen Publikationen. Als Fachanwalt für Strafrecht und IT-Recht vertrete ich Mandanten in komplexen Zivil- und Strafverfahren, insbesondere bei streitigen Fragen im Softwarerecht, bei der Abwehr von strafrechtlichen Vorwürfen oder Ansprüchen in der Managerhaftung sowie bei der Einziehung von Vermögenswerten. Mein Fokus liegt auf der Schnittstelle zwischen technischem Verständnis und juristischer Strategie, um Sie in digitalen Fällen und wirtschaftlichen Strafsachen effektiv zu verteidigen und zu beraten.

Erreichbarkeit: Per Mail, Rückruf, Threema oder Whatsapp.

Unsere Anwaltskanzlei ist spezialisiert auf Strafverteidigung, Cybercrime, Wirtschaftsstrafrecht samt Steuerstrafrecht sowie IT-Recht und Managerhaftung. Von Verbrauchern werden allein Strafverteidigungen übernommen - wir sind im Raum Aachen zu finden und bundesweit tätig.
Rechtsanwalt Jens Ferner
Rechtsanwalt Jens Ferner

Von Rechtsanwalt Jens Ferner

Rechtsanwalt Jens Ferner ist Spezialist für Strafverteidigung (insbesondere bei Wirtschaftskriminalität wie Geldwäsche, Betrug bis zu Cybercrime) sowie für IT-Recht (Softwarerecht und KI, IT-Vertragsrecht und Compliance) mit zahlreichen Publikationen. Als Fachanwalt für Strafrecht und IT-Recht vertrete ich Mandanten in komplexen Zivil- und Strafverfahren, insbesondere bei streitigen Fragen im Softwarerecht, bei der Abwehr von strafrechtlichen Vorwürfen oder Ansprüchen in der Managerhaftung sowie bei der Einziehung von Vermögenswerten. Mein Fokus liegt auf der Schnittstelle zwischen technischem Verständnis und juristischer Strategie, um Sie in digitalen Fällen und wirtschaftlichen Strafsachen effektiv zu verteidigen und zu beraten.

Erreichbarkeit: Per Mail, Rückruf, Threema oder Whatsapp.

Unsere Anwaltskanzlei ist spezialisiert auf Strafverteidigung, Cybercrime, Wirtschaftsstrafrecht samt Steuerstrafrecht sowie IT-Recht und Managerhaftung. Von Verbrauchern werden allein Strafverteidigungen übernommen - wir sind im Raum Aachen zu finden und bundesweit tätig.