Immer wieder glauben verbraucher, dass Ihnen ein Widerrufsrecht bei der Bestellung von Heizöl zusteht. Abwegig ist dies keinesfalls, wird doch regelmäßig per Telefon oder Internet bestellt, so dass ein Fernabsatzvertrag vorliegt. Aber: Nur weil über Telekommunikationsmittel ein Vertrag geschlossen wird, steht nicht ausnahmslos ein Widerrufsrecht zur Seite. Tatsächlich gab es früher Streit darüber, inzwischen aber gibt es ein Widerrufsrecht wenn man telefonisch oder über das Internet Heizöl bestellt – jedenfalls solange, bis der Tank befüllt wird.
Widerrufsrecht bei Heizöl: Altes Recht
Der §312g BGB (vor der Verbraucherreform 2014 war es der §312d BGB!) sieht eine Vielzahl von Ausnahmen vor, so u.a. bei
Verträge[n] zur Lieferung von Waren (…) deren Preis von Schwankungen auf dem Finanzmarkt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können (…)
Diese Regelung war auch im früheren §312d BGB vorhanden und wurde von diversen Gericht als Ausschluss des Widerrufsrechts heran gezogen. Bestätigt wurde dies vormals bereits vom Landgericht Duisburg (6 O 408/06) und LG Bonn (6 S 54/14). Eine entgegen stehende Meinung des Landgerichts Wuppertal (9 S 205/10) ist wohl nur ein scheinbarer Widerspruch, da es beim LG Wuppertal um einen anderen Sachverhalt ging, nämlich um einen vereinbarten Festpreis.
Diese Rechtsprechung wurde 2015 aber vom Bundesgerichtshof (VIII ZR 249/14) abgelehnt:
Diese Beurteilung ist auf Fernabsatzverträge über die Lieferung von Heizöl nicht übertragbar. Der Erwerb von Heizöl durch den Verbraucher weist keinen spekulativen Kern auf. Das Geschäft dient dem Verbraucher nicht dazu, durch Weiterveräußerung einen finanziellen Gewinn zu erzielen, sondern richtet sich typischerweise auf Eigenversorgung durch Endverbrauch der Ware. Zwar ermöglicht das Widerrufsrecht dem Verbraucher, sich von dem Fernabsatzvertrag – vorbehaltlich des § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB aF – zu lösen, wenn der Heiz- ölpreis innerhalb der Widerrufsfrist fällt. Diese Risikoverteilung ist jedoch im Gesetz angelegt und deshalb hinzunehmen (vgl. Senatsurteil vom 19. März 2003 – VIII ZR 295/01, BGHZ 154, 239, 243).
Das bedeutet nach altem Recht gibt es ein Widerrufsrecht, das auch nach Bestellung noch weiter läuft, da regelmäßig keine Widerrufsbelehrung erteilt wurde. Diese entsprechende Ausnahme im Gesetz, die bis heute existiert, ist allerdings nicht anwendbar.
Widerrufsrecht bei Heizöl: Neues Recht
Nunmehr findet sich im §312g Abs.2 Nr.4 BGB allerdings eine weitere Ausnahmevorschrift:
Das Widerrufsrecht besteht, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei folgenden Verträgen (…) Verträge zur Lieferung von Waren, wenn diese nach der Lieferung auf Grund ihrer Beschaffenheit untrennbar mit anderen Gütern vermischt wurden (…)
Eben dies wird man bei der Lieferung von Heizöl aus meiner Sicht problemlos annehmen können. Allerdings ist zu fragen, ob das Widerrufsrecht erst im Moment der Vermischung erlischt oder schon bei Vertragsschluss gar nicht erst entsteht: Hier ist zu sehen, dass die Formulierung des Gesetzes durchaus dafür spricht, dass es auf die vertraglich vorgehesehene Vermischung ankommt und nicht auf die tatsächlich erfolgte Vermischung. Auch sehe ich praktikable Probleme, da ansonsten eine Widerrufsbelehrung zu erteilen ist, die das Erlöschen des Widerrufsrechts bis zum Befüllen des Tanks vorsieht. Da allerdings §246a Abs.3 Nr.2 EGBGB eine Belehrungspflicht dahin gehend vorsieht, dass
das Widerrufsrecht des Verbrauchers nach § 312g Absatz 2 Satz 1 Nummer 3, 4 und 6 sowie § 356 Absatz 4 und 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorzeitig erlöschen kann, über die Umstände, unter denen der Verbraucher ein zunächst bestehendes Widerrufsrecht verliert.
spricht bereits mit dem Wortlaut des Gesetzes einiges dafür, dass ein Widerrufsrecht besteht, dass dann später erst erlischt wenn der Tank befüllt wird. Das heisst im Hinblick auf aktuelles deutsches Recht würde ein Widerrufsrecht bestehen.
Aber: Widerspruch zu europäischem Recht!
Ich sehe aber einen eindeutigen Widerspruch zu europäischem Recht. So ist in der Verbraucherrechterichtlinie im Erwägungsgrund 49 ausdrücklich zu finden
„Das Widerrufsrecht sollte weder bei Waren, die nach Kundenspezifikationen angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind, wie beispielsweise nach Maß gefertigte Vorhänge, noch beispielsweise bei der Lieferung von Brennstoff, der aufgrund seiner Beschaffenheit nach der Lieferung untrennbar mit anderen Gütern verbunden ist, Anwendung finden.“
Während das deutsche Recht also von einem Widerrufsrecht spricht, das zuerst besteht und bei Vermischung erlischt, will das europäische Recht ein Widerrufsrecht bereits im Entstehen verhindern. Wenn ich mit die Begründung des Gesetzgebers (Seite 56 der Drucksache) zum §312g Nr.4 BGB ansehe, liest sich das auf einmal auch ganz anders:
Auch ausgeschlossen sind nach Nummer 4 gelieferte Waren, die nach der Lieferung aufgrund ihrer Beschaffenheit untrennbar mit anderen Gütern vermischt werden. Dieser Fall, der beispielsweise die Lieferung von Heizöl erfasst, war bisher in § 312d Absatz 4 Nummer 1 enthalten, da sich die Ware zugleich wegen ihrer Beschaffenheit nicht zur Rücksendung eignet.
Dies entspricht der europäischen Sichtweise, dass gerade kein Widerrufsrecht entsteht. Abschliessend stellt Artikel 16 Buchstabe f der Richtlinie klar, dass kein Widerrufsrecht entstehen soll
Die Mitgliedstaaten sehen bei Fernabsatzverträgen und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen kein Widerrufsrecht (…) vor, wenn (…) Waren geliefert werden, die nach der Lieferung aufgrund ihrer Beschaffenheit untrennbar mit anderen Gütern vermischt wurden;
Wenn ich hier auf die Fassung der Richtlinie in der englischen Fassung blicke, wird deutlich, dass es darum geht, dass das Widerrufsrecht bei Verträgen gar nicht erst entstehen soll, wenn Heizöl geliefert wird. So liest sich die deutsche Fassung im Artikel 16 zuerst eindeutig:
(…) Waren geliefert werden, die nach der Lieferung aufgrund ihrer Beschaffenheit untrennbar mit anderen Gütern vermischt wurden;
Im englischen Text heisst dies aber
(…) the supply of goods which are, after delivery, according to their nature, inseparably mixed with other items;
Während im deutschen Text durch die Verwendung „wurden“ eindeutig auf den Vorgang der Vermischung abgestellt ist verstehe ich die englische Fassung so, dass vielmehr auf die vorhandene Bestimmung zur Vermischung abgestellt wird. Dies ist aber eindeutig streitbar, ich sehe meine Auffassung hier vor allem durch den Erwägungsgrund gestützt, der bei der Auslegung immer zwingend heran zu ziehen ist. Dieser stellt in seiner Formulierung dabei individuell hersgestellte Artikel dem Heizöl bedingungslos gleich:
The right of withdrawal should neither apply to goods made to the consumer’s specifications or which are clearly personalised such as tailor-made curtains, nor to the supply of fuel, for example, which is a good, by nature inseparably mixed with other items after delivery.
Ich sehe hier den eindeutigen Willen des Richtliniengebers dahin, dass bei Heizöl ausdrücklich kein Widerrufsrecht bestehen soll, losgelöst von der Frage wann eine Vermischung stattfindet.
Soweit im EGBGB dann bei den Belehrungspflichten etwas anderes formuliert ist, steht dies nicht nur im Widerspruch zu europäischem Recht sondern auch zur Begründung des deutschen Gesetzgebers selbst. Ich gehe daher von einem Redaktionsversehen aus, jedenfalls aber von einer Regelung die europäischem Recht widerspricht. Daher sehe ich weiterhin ein Widerrufsrecht für Heizöl nach dem „neuen“ Verbraucherrecht, während es nach altem Recht kein Widerrufsrecht gab.
Widerruf alter Heizöl-Bestellungen
Nun wäre es spannend, darüber nachzudenken, ob man alte Heizölbestellungen widerrufen und sich Preisdifferenzen auszahlen lassen kann. Dies wird aber regelmäßig nicht funktionieren, denn die Widerrufsfrist nach altem Recht lief nach Art. 229 § 32 EGBGB bei der Lieferung von Waren wie folgt ab: „zwölf Monate und 14 Tage nach Eingang der Waren beim Empfänger, jedoch nicht vor Ablauf des 27. Juni 2015.“ Selbst wer am 12.06.2014 noch eine entsprechende Lieferung erhalten haben sollte, wird damit aus meiner Sicht auf den Fristablauf verwiesen werden können – anders ist es dann, wenn man tatsächlich bis zum 12. Juni 2014 bestellt haben sollte, aber erst danach die Lieferung erhalten haben sollte. Hier muss man dann rechnen, ob die Frist von 1 Jahr und 2 Wochen noch läuft.
Bei neuen Bestellungen spricht nunmehr einiges für ein Widerrufsrecht, das bis zum Befüllen des Tanks besteht.
Probleme für Heizöl-Lieferanten
Heizöl-Lieferanten müssen sich dem Problem sofort stellen und geeignete Ideen zur Lieferung entwickeln, wenn man nicht nunmehr laufend erleben möchte, dass Verbraucher bestellen und kurz danach die Bestellung wieder widerrufen. Ich bin der Auffassung, es bieten sich gute Gründe für ein Widerrufsrecht – man muss aber im Zweifelsfall streitwillig sein. Entsprechende Szenarien lassen sich durchaus entwickeln, andererseits kann man auch kurzerhand seinen Belehrungspflichten genügen und abwarten, wie es sich im Alltag entwickelt.
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