Werberecht: Verlag kann als Quasi-Störer für Werbeanzeigen haften?

Beim OLG Köln (6 U 76/11) ging es um die Haftung eines Verlages für rechtswidrige Werbeanzeigen. Das OLG sieht den Verlag hier für die Verbreitung rechtswidriger Werbeanzeigen durchaus in der Einstandspflicht. Die

Haftung ergibt sich unter dem Gesichtspunkt des gefahrerhöhenden Verhaltens aus der Verletzung einer Verkehrspflicht […] Diese konkretisiert sich bei Presseunternehmen in der Pflicht zur Prüfung, ob eine zur Veröffentlichung entgegengenommene Anzeige gegen gesetzliche Vorschriften verstößt; weil an diese Pflicht keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen, kommt es entscheidend darauf an, ob und inwieweit dem Verleger oder Anzeigenredakteur nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist.

Die von der Rechtsprechung zur sogenannten der Medien entwickelten Kriterien können, obwohl die Rechtsfigur der Störerhaftung für das Lauterkeitsrecht inzwischen aufgegeben worden ist (BGH, GRUR 2011, 157 = WRP 2011, 223 [Rn. 48] – Kinderhochstühle im Internet), für diese Beurteilung weiter herangezogen werden […] Danach beschränkt sich die Prüfpflicht angesichts der (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) und wegen des im Anzeigengeschäft herrschenden Zeitdrucks grundsätzlich auf die Vermeidung grober und eindeutiger, unschwer erkennbarer Verstöße […]

Sprich: Eine echte „Störerhaftung“ gibt es zwar nicht (mehr), aber eben Prüfpflichten, die auch Verlage bei der Aufnahme und Verbreitung von Werbeanzeigen einzuhalten haben. Und die konkretisiert das OLG auch gerne. Zum einen muss man jedenfalls die großen Anzeigen sichten und offenkundig rechtswidrige Anzeigen notfalls ablehnen:

Wie der Senat […] kurz vor Veröffentlichung der streitbefangenen Anzeige in einem zwischen denselben Parteien geführten Berufungsverfahren ausgesprochen hat, ist dem Verleger oder Anzeigenredakteur eines wöchentlich erscheinenden Printmediums in der Regel schon im Voraus eine manuelle Kontrolle der in Auftrag gegebenen Anzeigen möglich und zumutbar. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich um großformatige Anzeigen handelt, die den sensiblen Bereich der Gesundheitsvorsorge berühren; grob irreführende und leicht als eindeutig wettbewerbswidrig zu erkennende Werbeangaben, wie sie im Bereich der Schlankheitswerbung erfahrungsgemäß immer wieder vorkommen, müssen hier auch ohne konkreten Hinweis von dritter Seite unterbunden und diesbezügliche Anzeigenaufträge notfalls abgelehnt werden.

Weiterhin hat der Verlag bei bekannten Rechtsverstößen Prüfpflichten für die Zukunft hinsichtlich ähnlicher Anzeigen:

Wird der Verlag allerdings konkret auf eine bestimmte Anzeige hingewiesen, deren Wettbewerbswidrigkeit sich ihm auf Grund […] sonst bekannt gewordenen Umstände unschwer erschließt […], kann ihn auch die Pressefreiheit nicht von seiner damit ausgelösten erhöhten Kontrollpflicht und seiner Verantwortlichkeit für weitere derartige Verstöße entbinden. […] Die Veröffentlichung einer im Wesentlichen übereinstimmenden Werbeanzeige belegt die unzureichende Ausübung der ihr danach zumutbaren Kontrolle.

Im Fazit gilt damit wenig überraschend, dass Verlage jedenfalls nicht „blind“ jede Werbeanzeige aufnehmen dürfen. Rechtsverstöße, die sich geradezu aufdrängen, sind nicht weiter zu verbreiten, ebenso solche zu unterlassen, die bereits bekannten ähneln. Insofern sollte eine halbwegs brauchbare Prüfung zumindest bei optisch etwas herausragenderen Anzeigen immer stattfinden (so auch schon OLG Köln, 6 U 43/10).

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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