Werberecht: BGH zum Abfangen von Kunden allgemein

Beim (I ZR 274/14) habe ich am Rande einige kurze Ausführungen zur gezielten Behinderung von Mitbewerben durch das Abfangen von Kunden gefunden. Dieses Thema ist generell sensibel, weil auf der einen Seite ein fester Kundenstamm wesentlicher wirtschaftlicher Faktor eines Unternehmens sein kann, auf der anderen Seite das Streiten um Kunden gerade Ausdruck des (freien) Wettbewerbs ist.

Vor dem Hintergrund kann alleine das Abwerben von Kunden an sich kein unlauteres Verhalten im Sinne des Wettbewerbsrechts darstellen, wie auch der BGH nochmals klarstellt:

Das Eindringen in einen fremden Kundenkreis und das Ausspannen von Kunden ist, da solche Verhaltensweisen im Wesen des Wettbewerbs liegen, selbst wenn es zielbewusst und systematisch erfolgt, nur unlauter, wenn besondere Umstände hinzutreten, die die Unlauterkeit des Verhaltens begründen (…) Das Abfangen und das Ausspannen von Kunden stellen sich daher nur als unlauter dar, wenn auf Kunden, die bereits dem Wettbewerber zuzurechnen sind, in unangemessener Weise eingewirkt wird, um sie als eigene Kunden zu gewinnen oder zu erhalten. Eine Einwirkung auf den Kunden ist dabei als unangemessen anzusehen, wenn sich der Abfangende gewissermaßen zwischen den Mitbewerber und dessen Kunden stellt, um diesem eine Änderung seines Entschlusses, das Angebot des Mitbewerbers in Anspruch zu nehmen, aufzudrängen

Ergänzend finden sich bei BGH, I ZR 164/12, noch diese Worte zum Thema:

Das Eindringen in einen fremden Kundenkreis und das Ausspannen sowie Abfangen von Kunden gehören allerdings grundsätzlich zum Wesen des Wettbewerbs. Eine unlautere Behinderung des Mitbewerbers ist deshalb erst gegeben, wenn auf Kunden, die bereits dem Wettbewerber zuzurechnen sind, in unangemessener Weise eingewirkt wird, um sie als eigene Kunden zu gewinnen oder zu erhalten. Eine solche unangemessene Einwirkung auf den Kunden liegt vor, wenn sich der Abfangende gewissermaßen zwischen den Mitbewerber und dessen Kunden stellt, um diesen eine Änderung ihres Entschlusses, das Angebot des Mitbewerbers in Anspruch zu nehmen, aufzudrängen (…)

An diese Grundsätze ist immer wieder zu erinnern: Weder muss man es sich bieten lassen, dass Mitarbeiter mit verschwinden und diese ausnutzen, noch müssen sich Wettbewerber verbieten lassen, um bereits bestehende Kunden zu werben. Insbesondere zwischen Wettbewerbern sind Abmahnungen durchaus kritisch zu würdigen, ich erlebe durchaus nicht selten, dass man es „schlichtweg mal versucht“ mit einer .

Dazu auch von mir: Wem gehören die Kundendaten und Kontakte?

In einer weiteren Entscheidung führte der BGH (I ZR 210/16) aus:

Nach § 4 Nr. 4 UWG (§ 4 Nr. 10 UWG aF) handelt unlauter, wer Mitbewerber gezielt behindert. Das setzt eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber voraus, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitsmerkmale aufweist. Unlauter ist die Beeinträchtigung im Allgemeinen, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und sie dadurch zu verdrängen oder wenn die Behinderung dazu führt, dass die beeinträchtigten Mitbewerber ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der relevanten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit beurteilen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 – I ZR 159/10, GRUR 2011, 1018 Rn. 65 = WRP 2011, 1469 – Automobil-Onlinebörse; Urteil vom 23. Juni 2016 – I ZR 137/15, GRUR 2017, 92 Rn. 14 = WRP 2017, 46 – Fremdcoupon-Einlösung; Urteil vom 12. Januar 2017 – I ZR 253/14, GRUR 2017, 397 Rn. 49 = WRP 2017, 434 – World of Warcraft II).

Dabei gehören das Eindringen in einen fremden Kundenkreis und das Ausspannen sowie Abfangen von Kunden grundsätzlich zum Wesen des Wettbewerbs. Eine unlautere Behinderung des Mitbewerbers liegt deshalb erst vor, wenn auf Kunden, die bereits dem Wettbewerber zuzurechnen sind, in unangemessener Weise eingewirkt wird, um sie als eigene Kunden zu gewinnen oder zu erhalten. Das ist insbesondere der Fall, wenn sich der Abfangende gewissermaßen zwischen den Mitbewerber und dessen Kunden stellt, um diesem eine Änderung seines Entschlusses aufzudrängen, die Waren oder Dienstleistungen des Mitbewerbers in Anspruch zu nehmen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2011 – I ZR 154/10, GRUR 2012, 645 Rn. 17 = WRP 2012, 817 – Mietwagenwerbung; BGH, GRUR 2017, 92 Rn. 16 – Fremdcoupon-Einlösung). Ebenso ist es unlauter, wenn das betreffende Verhalten nicht auf eine Änderung des Kundenentschlusses gerichtet ist, sondern derjenige, der eine zur Ausführung des Entschlusses des Kunden notwendige Mitwirkungshandlung vornehmen muss, diese weisungswidrig so vornimmt, dass der Kunde auf sein Unternehmen umgelenkt wird. Eine unangemessene Einwirkung auf den Kunden ist daher gegeben, wenn dessen Auftrag, eine Telekommunikationsdienstleistung derart zu erbringen, dass auch die Telekommunikationsdienstleistungen eines anderen Anbieters in Anspruch genommen werden können, auftragswidrig bewusst so ausgeführt wird, dass nicht die Dienstleistungen des fremden Anbieters, sondern die eigenen in Anspruch genommen werden (BGH, Urteil vom 29. März 2007 – I ZR 164/04, GRUR 2007, 987 Rn. 32 = WRP 2007, 1341 – Änderung der Voreinstellung I; Urteil vom 5. Februar 2009 – I ZR 119/06, GRUR 2009, 876 Rn. 22 = WRP 2009, 1086 – Änderung der Voreinstellung II).

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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