Unterlassungserklärung: Auflösende Bedingung der allgemeinverbindlichen Rechtsprechung kann Bestimmtheit entfallen lassen

Das OLG Hamburg (5 U 271/11) zeigt das Risiko bei der Abgabe von Unterlassungserklärungen. Mit dem OLG Hamburg kann es nämlich schädlich sein, wenn die unter der auflösenden Bedingung allgemeinverbindlicher Rechtsprechung dahingehend abgegeben wird, dass das zu unterlassende Verhalten rechtmäßig ist. Die Entscheidung wirft interessante Aspekte auf, ist aber inhaltlich nicht überzeugend und abzulehnen.

Es ging um eine Unterlassungserklärung, die mit dem bekannten Zusatz abgegeben wurde, sie sei

„unter der auflösenden Bedingung einer auf Gesetz oder höchstrichterlicher Rechtsprechung beruhenden eindeutigen Klärung des zu unterlassenden Verhaltens als rechtmäßig“

erfolgt. Dies reichte dem OLG überraschenderweise nicht.

Erst einmal ist klar zu stellen, dass natürlich auflösende Bedingungen in Unterlassungserklärungen nichts zu suchen haben. Der hat aber klar gestellt, dass ausnahmsweise solche Bedingungen möglich sind, wenn dadurch die Ernsthaftigkeit des Unterlassens nicht in Frage gestellt wird; dies ist der Fall, wenn auf eine rechtliche Änderung abgestellt wird:

Vorbehalte in der Erklärung sind allenfalls ausnahmsweise und jedenfalls nur insoweit unschädlich, als sie mit Sinn und Zweck einer Unterwerfungserklärung vereinbar sind, also eine abschließende (außergerichtliche) Unterbindung rechtswidrigen Wettbewerbsverhaltens nicht ausschließen. In der Literatur wird als ein solcher – zulässiger – Vorbehalt eine auflösende Bedingung angesehen, wenn diese in einer Änderung der Rechtslage – oder in deren verbindlicher Klärung in entsprechendem Sinne – besteht, durch die das zu unterlassende Wettbewerbsverhalten rechtmäßig bzw. seine Zulässigkeit verbindlich geklärt wird (…) Dem kann zugestimmt werden; denn eine solche Bedingung stellt die Ernsthaftigkeit des Willens, wettbewerbswidriges Handeln zu unterlassen, nicht in Frage, weil ein Recht zum erneuten Handeln nur für den Fall vorbehalten wird, daß seine Rechtmäßigkeit zweifelsfrei und allgemein verbindlich feststeht.

Hinweis: Sie finden hier ganz bewusst keine Fundstelle. Jeder versierte Wettbewerbsrechtler kennt diese Entscheidung, Laien dagegen möchte ich nicht dabei unterstützen, selber an/in Unterlassungserklärungen rumzupfuschen – Fragen Sie den Profi.

Trotz dieser Rechtsprechung, die der BGH mehrmals bestätigt hat, sieht das OLG vorliegend keine hinreichende Bestimmtheit. Hintergrund ist, dass es um die Frage der Zulässigkeit von Marken als Adwords ging, wozu es zumindest teilweise divergierende Rechtsprechung des EUGH und BGH gibt. Dies greift das OLG auf, denn ein solcher Widerspruch sei ausreichend:

Die abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung ist in Bezug auf ihre in die Zukunft gerichtete Bindungswirkung wegen der darin enthaltenen ausdrücklichen Bedingung nicht hinreichend eindeutig. Nicht immer ist zweifelsfrei zu bestimmen, ab welchem konkreten Zeitpunkt die „eindeutige Klärung“ einer bestimmten Rechtsfrage in der Rechtsprechung angenommen werden kann. Auch die Frage, auf welchen Spruchkörper der „höchstrichterlichen Rechtsprechung“ es hierbei ankommt, kann z.B. dann zu Unklarheiten Anlass geben, wenn die unionsweite Rechtsprechung des EuGH und die nationale Rechtsprechung des BGH nicht vollständig deckungsgleich sind bzw. divergieren. Deshalb bedurfte diese Unterlassungsverpflichtungserklärung noch einer Klarstellung durch die Beklagten.

Es sei an dieser Stelle dahingestellt, dass die betroffene Partei den prozessualen Fehler beging, nicht kurzerhand eine hier vielleicht bestehende Unklarheit im laufenden Prozess auszuräumen. Im Fokus soll die allgemeine Rechtsfrage bleiben.

Das OLG sagt also, dass jedenfalls dann von dem Grundsatz der Zulässigkeit der auflösenden Bedingung allgemeinverbindlicher Rechtsprechung abzuweichen ist, wenn diese nicht hinreichend bestimmt ist. Dem ist zuzustimmen. Wenn das OLG dann aber ausführt, dass bei divergierender Rechtsprechung zwischen EUGH und BGH eine solche Unklarheit anzunehmen ist, ist dies abzulehnen. Dabei sollte bereits auffallen, dass das OLG das selber mit der Lupe die Erklärungen der Parteien untersucht hat, seinerseits schon gar nicht klarstellt, ob es einen Unterschied darstellt, dass EUGH und BGH bereits bei Abgabe der Unterlassungserklärung inhaltlich voneinander abweichen oder erst später diese Abweichung auftritt; auch stellt das OLG nicht klar, ob es – was naheliegend wäre – einen Unterschied macht, ob die Divergenz erst durch eine spätere Entscheidung des EUGH auftrat oder durch eine spätere Entscheidung des BGH.

Meines Erachtens kann all dies dahin stehen, da es sich hierbei letzten Endes um eine Auslegungsfrage handelt. Dabei spricht bereits der Wortlaut der inzwischen etablierten Klausel dafür, dass auf eine endgültige allgemeinverbindliche Klärung abzustellen ist. Wenn sich BGH und EUGH aktiv widersprechen, ist gerade nicht von einer allgemeinverbindlichen Klärung auszugehen. Von dem Unterlassungsschuldner zu erwarten, dass er sich festlegt worauf abzustellen ist, würde nur unnötigen weiteren Streit verursachen – und auch das Risiko einseitig zu Lasten des Unterlassungschuldner verschieben. So würde die Einschränkung auf EUGH-Rechtsprechung eine eingetretene Klärung durch BGH-Rechtsprechung ausklammern; andererseits wäre das Abstellen auf die BGH-Rechtsprechung alleine vollkommener Unsinn, da die richtlinienkonforme Auslegung durch den EUGH vorgegeben wird und bindend ist. Eine „Klarstellung“ wie sie sich das OLG vorstellt wäre in den denkbaren Formulierungen schlichtweg Unsinn, da sich die vom BGH geforderte „allgemeinverbindliche Klärung“ aus der jeweiligen Sachlage und den rechtlichen Rahmenbedingungen von alleine ergibt.

Fazit: Es handelt sich bereits um eine Einzelfallentscheidung, ohne allgemeine Aussagekraft. Insoweit sollte man davon absehen, abgegebene Unterlassungserklärungen mit dieser Klausel voreilig zurück zu weisen (wobei daran zu erinnern ist, dass mit dem BGH die Annahme der Unterlassungserklärung zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr nicht notwendig ist!). Sollte eine der seltenen Fälle eindeutiger Divergenz zwischen EUGH und BGH Rechtsprechung vorliegen, wird im Einzelfall zu entscheiden sein, wie vorgegangen wird. Hier sind beide Seiten aufgerufen, klug vorzugehen: Der Unterlassungsgläubiger ist gut beraten, vor gerichtlichen Schritten um Klarstellung in der Unterlassungserklärung zu ersuchen. Der Unterlassungsschuldner sollte in diesem Fall genau überlegen, wie eine Klausel dann zu formulieren ist.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht, Arbeitsrecht und IT-Recht / Technologierecht.