Landgericht Paderborn zur Missbräuchlichkeit von Abmahnungen

Das Landgericht Paderborn hat sich in zwei Sachen mit der Missbräuchlichkeit von Abmahnungen beschäftigt. Die Ausführungen aus den Urteil sprechen teilweise für sich.


In der Sache 6 O 43/10 ging es um eine Mehrfachabmahnung, zu der das Landgericht sehr deutliche Worte findet:

Der demgemäß vorliegend lediglich gerechtfertigten Beanstandung zu Ziff. 2 der Antragsschrift, welche als solche nicht besonders schwer wiegt, steht vorliegend eine völlig überzogene Reaktion des Antragstellers und im Zusammenwirken mit ihm weiterer Mitbewerber gegenüber.

Nicht damit genug, dass er nach vorausgehender im vorliegenden Verfahren nicht lediglich die zu beanstandende Belehrung über die Rücksendekosten zum Gegenstand des einstweiligen Verfügungsverfahrens macht, überzieht er die Antragsgegnerin mit fünf weiteren Unterlassungsanträgen, die sämtlich nicht begründet sind. Zeitgleich erhebt er in dem Verfahren 6 O 44/10 vor der Kammer gegen die Antragsgegnerin Unterlassungsklage, mit welcher er aus demselben Grund, also wiederum wegen des Hinweises, dass der Verbraucher Rücksendekosten bei einem Wert der zurückzusendenden Sache bis 40,00 EUR zu tragen habe, die beanstandet, die die Antragsgegnerin in ihrem -Shop verwendet, und verlangt im Klagewege des Weiteren die Erstattung der Kosten der vorausgegangenen Abmahnung in Höhe von 1.005,40 EUR und nochmals von 1.192,60 EUR für die im vorliegenden Verfahren vorausgegangene Abmahnung vom 22.03.2010.

Damit nicht genug vertreten die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers unwidersprochen mittlerweile mindestens fünf sog. „große“ Anbieter im Bereich Schulranzen und haben sie die Antragsgegnerin zwischenzeitlich mit Abmahnungen an den unterschiedlichsten Gerichten wegen desselben sich aus der verwendeten Widerrufsbelehrung ergebenden Wettbewerbsverstoßes geradezu „überschwemmt“. Auf Seite 11 der Antragserwiderung vom 03.05.2010 wird insoweit Bezug genommen.

Das angeblich der Antragsgegnerin zwischenzeitlich anzulastende Gesamtrisiko „ihrer“ Rechtsstreitigkeiten beziffern die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers selbst zwischen 50.000,00 bis 100.000,00 EUR (Anlage B 10). Nach der Rechtsprechung ist von einem Missbrauch i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 02.03.2010 –I 4 U 217/09-; Beschl. v. 18.03.2010 – 4 U 223/09-). Diese müssen zwar nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein, aber eindeutig überwiegen. Als typischen Beispielsfall eines sachfremden Motivs nennt das Gesetz ausdrücklich das Gebührenerzielungsinteresse.

Gleichermaßen sachwidrig ist es, wenn zusätzlich mit dem Entstehenlassen hoher Gebühren wegen eines zwar eindeutigen, aber eher geringfügigen Wettbewerbsverstoßes die Absicht verfolgt wird, einen, zumal kleinen Mitbewerber vom Markt zu drängen. Hiervon geht die Kammer für den vorliegenden Fall unter Wertung aller Umstände aus.

Interessant fand ich dann noch das Urteil in der Sache 6 O 61/10, denn hier wurde eine bei modifizierten Unterlassungserklärungen gebräuchliche Klausel verwendet:

Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, aber rechtsverbindlich erklären wir […]

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Das Gericht vermochte in dieser Formulierung keine Probleme beim Wegfall der Wiederholungsgefahr zu sehen:

Die Antragsgegnerin hat sich dem geforderten Unterlassungsverlangen mit Schreiben vom 31.05.2010 (K 5) zwar ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, aber rechtsverbindlich und im vollen Umfang unterworfen. Sie ist damit dem Unterlassungsbegehren der Antragstellerin nachgekommen, sodass eine Wiederholungsgefahr nicht mehr besteht.

Dabei stellt das Gericht fest, dass die Wiederholungsgefahr auch nicht durch eine zeitgleich mit der abgegebenen (mit Verlangen auf Rücknahme der eigentlichen Abmahnung) entfallen ist. Desweiteren kam das LG Paderborn zu dem Ergebnis, dass die Abmahnung zudem rechtsmissbräuchlich gewesen sei, weil hier ein Laie mit genügender Sachkenntnis einen Rechtsanwalt beauftragte bei einem erkennbar mehr als doppelt so hohen (wie üblichen) Streitwert.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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